Winterthur könne Basels Vorbild im Eishockey sein, schrieb Klaus Zaugg unlängst nach dem Aufstieg der Basler in die Swiss League. Die Begründung des erfahrenen und weitgereisten Chronisten: In Winterthur sei man auch zufrieden mit einer bescheidenen Rolle in der zweithöchsten Liga. «Siegen ist nicht alles im Hockey-Leben», betonte Zaugg. «Lieber Romantik, Ausbildung, Tapferkeit und Ritterlichkeit in der Niederlage, hin und wieder ein Länderspiel statt Streben nach Ruhm und Siegen.»
Weil wahrscheinlich beinahe jeder, der sich in der Schweiz mit Eishockey befasst, die Berichte und Analysen von Eismeister Zaugg liest, ploppte sein Vergleich natürlich auch in Winterthur auf vielen Smartphone-Bildschirmen auf.
Und die Beschreibung der Hockey-Romantiker vom Deutweg wurde von diesen so wohlwollend aufgenommen, dass uns Winterthurs Sportchef Mario Antonelli diesen Brief schickte, «aus dem Mekka der Hockey-Romantik», wie er selbst schrieb:
Nun ist es also offiziell: Wer die ganz grosse, bedingungslose Liebe zum Eishockeysport sucht, der findet sie in Winterthur. Hockeykolumnist Klaus Zaugg hat diese Tatsache letzte Woche auf watson klargestellt – und niemand widerspricht dem Eismeister!
Seine Würdigung hat uns bescheidene Winterthurer:innen natürlich sehr gefreut. Mit dem Begriff der Romantik fühlen wir uns ja auch voll und ganz verstanden: Gemäss Kulturphilosoph Friedrich Schlegel (1772–1829) bedeutete die Epoche der «Romantik» die Abwendung von der Antike und von «alten Zöpfen». Die Romantik brachte Neues und Modernes.
Von den Kritikern wurde die Bewegung damals belächelt, ja gar angefeindet. Die Vertreter des Klassischen fühlten sich von den Romantikern angegriffen. Ihr Streben nach dem Einfachen und Originellen, welches sich zuerst in Literatur, Malerei und Musik ausdrückte, wurde von den historisch rückwärts Gewandten als dummes Zeugsbezeichnet. Romantik war das damalige «out of the box», bedeutete damals, eine eigene Kultur aufbauen – genau so, wie wir das heute in unserem Hockeywinterthur tun.
Heinrich Heine, einer der Giganten der romantischen Literatur, hatte zeitlebens die Aussenseiterrolle inne – eine Rolle, welche wir hier in Winterthur nur zu gut kennen. Das hinderte Heine aber nicht daran, geltende Strukturen zu hinterfragen und neue Ideen entgegenzusetzen. Überhaupt waren Fantasie und Kreativität die starken Mittel der Romantik, die später auf sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ihren Einfluss nahm.
Heine, Beethoven, Gogol, Dickinson, Chopin, Hugo, Verdi, Tschaikovski, Poe, Liszt – die Liste von Romantikern, die uns noch heute prägen, ist lang.
Natürlich sehen wir Winterthurer:innen uns nicht in der Tradition dieser Ikonen. Doch die Romantiker wollten Grenzen sprengen, suchten die Leidenschaft und wollten etwas bewegen. Uns scheint, Hockeypoet Zaugg hat uns in seiner eigenen Art gar trefflich erfasst!
Vielleicht dachte der Eismeister ja an unser neues Förderkonzept für Jungprofis, mit welchem wir Top-Talenten aus der ganzen Schweiz den Einstieg ins Profihockey ermöglichen wollen. Bestimmt weiss der erfahrene Chronist, dass es immer weniger Plätze für Jungprofis in unseren Ligen gibt, und diese Zahl mit der Zunahme der Ausländerlizenzen eher noch weiter abnehmen wird.
Vermutlich hat er mitbekommen, dass wir in Winterthur solche «Lehrstellen» geschaffen haben, da wir überzeugt sind, dass der Wechsel in die Profiliga mehr bedeutet, als schnelleres Schiessen und härteres Checken. Wie in jedem Beruf müssen sich die «Hockeylehrlinge» zahlreiche Kompetenzen aneignen, die nicht primär auf dem Eis stattfinden – damit sie später in der National League und möglichst im Nationalteam einen Platz finden und bestehen können.
Doch wollen wir die Romantik hier aber nicht nur als geschichtliche Epoche darstellen. Natürlich kennen wir sie auch als «sentimentalen Zustand des Gefühlsreichtums», wie es bei Wikipedia heisst. Denn genau diesen Zustand empfinden wir gegenüber unserem so geliebten Eishockey.
Und wir geben unumwunden zu: Auch unsere romantische Affäre mit dem Hockeyverläuft seit dem Wechsel in die Profiliga vor sieben Jahren nicht ganz ohne Liebeskummer. Ja, manchmal leiden wir am Hockey mehr, als es uns lieb wäre.
Aber in der letzten Saison spürten wir mal wieder ganz fest, wie das Feuer wieder stärker wird. Und auch wenn es dieses Jahr gaaaanz knapp nicht in die Playoffs gereicht hat – unsere Romanze mit dem Hockey ist leidenschaftlicher denn je!
Darum: Danke, Eismeister Zaugg, für deine schöne Anerkennung!
Wir wünschen allen Hockeyromantikern im Land einen wunderbaren Sommer.
(ram)