Die ganz grosse Nummer wurde Noah Persson in der Schweiz nicht. Weder bei YB, zu dem er im Sommer 2023 stiess, noch bei GC, für das er vergangene Saison auf Leihbasis spielte. Der 22-jährige linke Verteidiger steht in Bern zum Verkauf.
Doch mit seinem Transfer zu den Young Boys hatte Persson eine Entwicklung angestossen. Mjällby AIF, für das er schon im Nachwuchs spielte und wo er den Durchbruch als Profi schaffte, konnte sich dank der Ablösesumme verbessern. «Stattlich» nennt Mjällby-Trainer Anders Torstensson den Betrag, der sich damaligen Berichten zufolge auf eine Million Euro belief. Die Verkäufe von Persson und von Otto Rosengren an Malmö FF hätten es dem Klub ermöglicht, anderen Spielern viel bessere und längere Verträge anzubieten, sagte er zu «11 Freunde». Der Stein geriet ins Rollen.
Und er rollt gerade so rund wie nie. Mjällby, der Klub aus einem Dorf mit knapp 1400 Einwohnerinnen und Einwohnern im Süden Schwedens, führt die Allvsenskan an. Nach 19 von 30 Runden hat es vier Punkte und mehr Vorsprung auf die Verfolger.
Ein wesentlicher Anteil am Erfolg wird dabei einem von Torstenssons Co-Trainern zugeschrieben. Der Norweger Karl Marius Aksum ist ein Akademiker, hat einen Doktortitel in visueller Wahrnehmung und einen Master-Abschluss in Coaching und Psychologie. Seit eineinhalb Jahren arbeitet er mit Mjällbys Spielern und wie die Resultate zeigen, verfangen seine Methoden.
Aksum legt einen Schwerpunkt auf die Kopfbewegungen, die ein Spieler vor der Ballannahme ausführt. Auf das Scannen ihrer Umgebung, um schon zu wissen, wo der Ball als Nächstes hin muss, noch bevor er den Fuss erreicht hat. «Das ist eine entscheidende Fähigkeit im modernen Fussball», sagte Aksum der BBC,«weil die Bewegungen der Spieler schneller und der Druck grösser sind, sodass man seine Umgebung ständig im Blick behalten muss.» Besonders wichtig sei diese Fähigkeit für Zentrumsspieler.
Trainer Torstensson vertraute Aksum und gab ihm die Freiheit, das Angriffsspiel der Mannschaft neu zu planen. Weil die Akteure im Passspiel besser wurden, setzt Mjällby nun nicht mehr primär auf Standards und Flanken, um Tore zu schiessen. Die Mannschaft spielt aus der Abwehr heraus, setzt auf Ballbesitz und bewegt sich als Block über den Rasen. Der Leader hat die meisten Tore der Liga erzielt und die wenigsten kassiert. Am Wochenende schlug es auswärts den Titelverteidiger Malmö FF 3:1.
Doch vor allem zuhause ist Mjällby eine Macht. Das Strandvallen – es steht nicht im Dorf, sondern ein paar Kilometer weiter an der Küste in Hällevik – ist eine uneinnehmbare Festung. Die letzte Heimniederlage in der Meisterschaft erlitt das Team vor über einem Jahr, Ende Mai 2024. 18 Spiele dauert diese Serie der Ungeschlagenheit mittlerweile.
Nicht nur der Co-Trainer hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf, sondern auch Cheftrainer Anders Torstensson. Nachdem es mit einer Profikarriere als Spieler nicht geklappt hatte, ging er zur Armee, diente etwa zehn Jahre lang als Offizier. Als seine Ehefrau zurück in die Heimatregion wollte, wurde er dort Direktor an einer Schule, daneben trainierte er Amateurteams.
Nun ist er nach zwei Perioden als Interimstrainer zum dritten Mal Coach von Mjällby. Er wird als Motivator und Anführer beschrieben, als einer, der es mit Menschen kann. Und von Fussball versteht er offensichtlich auch nicht wenig. Torstensson hat ein Auge dafür, wer in sein laufintensives Spiel passt.
Geld ist dabei nicht der Antrieb, um in die Fussballprovinz zu wechseln. Jede Krone wird zwei Mal umgedreht, bevor sie ausgegeben wird. Denn das kleine Stadion ist trotz des Höhenflugs nicht ausverkauft. So setzt Mjällby auf die Ausbildung junger Spieler und hofft, sie mit Wertsteigerung weiterverkaufen zu können. Sie kommen auch deshalb, weil man ihnen nicht nur Einsatzmöglichkeiten bietet, sondern auch zusichert, ihnen bei einem besseren finanziellen Angebot keine Steine in den Weg zu legen. Vor einem Monat wechselte Spielmacher Nicklas Röjkjær für 1,65 Millionen Euro zu Nordsjaelland nach Dänemark.
Der Marktwert von Mjällby wird auf rund 15 Millionen Euro geschätzt – Rang 9 in Schwedens 16er-Liga. In der Schweizer Super League kommen nur GC, Aufsteiger Thun und Winterthur auf eine tiefere Summe. Ein Viertel des gesamten Marktwerts entfällt dabei auf zwei Spieler. Elliot Stroud, ein schwedisch-englischer 23-Jähriger, ist mit je fünf Toren und Assists der beste Skorer der Mannschaft. Ihr bester Torschütze ist mit sechs Treffern Abdoulie Manneh. Der Bundesligist Mainz soll ein Auge auf den 20-Jährigen aus Gambia geworfen haben.
Es ist ein steiler Aufstieg, den der kleine Klub hinter sich hat. Noch keine zehn Jahre ist es her, als erst in der letzten Runde der Absturz in die Viertklassigkeit verhindert werden konnte. Nun ist Mjällby AIF das beste Team von ganz Schweden. Mjällby, das Dorf weit weg von den grossen Städten Stockholm, Göteborg und Malmö.
Mit zwölf Punkten Vorsprung auf Rang 4 sieht es ganz danach aus, als ob der kleine Klub erstmals in seiner Geschichte im Europacup spielen wird. Dass sie in der Provinz von noch mehr träumen, versteht sich von selbst.