Die NHL-Saison beginnt und kurioserweise tut sie dies in Europa. Heute und morgen duellieren sich die Nashville Predators und die San Jose Sharks in Prag, während in Nordamerika noch Testspiele laufen. Ein paar Tage darauf geht es dann so richtig los.
Die Ausgangslage in der Liga ist so spannend wie noch nie zuvor. Viele der schlechteren Teams der letzten Saison haben sich auf dem Papier gut verstärkt, während es den meisten guten Teams gelungen ist, ihre Qualität zu halten. Das bedeutet zwangsläufig: Bei mehreren Mannschaften wird es nach gesteigerten Erwartungen zu brutalen Enttäuschungen kommen.
Status quo in der Metro? Keines der letztjährigen Playoff-Teams ist sehr viel schwächer geworden. Und zwei der «Hinterbänkler» haben sich zwar verstärkt, aber wohl nicht genug, um ernsthaft um die Playoff-Plätze mitreden zu können. Am anfälligsten für einen Einbruch dürften die New York Rangers sein. Sie lebten letzte Saison hauptsächlich von den überragenden Leistungen von Goalie Igor Shesterkin. Zieht er eine schwache Saison ein, sind die Rangers plötzlich weiter hinten in der Tabelle.
Besonders interessant sind die Columbus Blue Jackets, die mit Johnny Gaudreau den grössten Fisch des Free-Agent-Markts an Land gezogen haben. Trotzdem fehlt dem Team aus Ohio wohl die Kadertiefe, um über die ganze Regular Season zu bestehen. Bei den New Jersey Devils mit Nico Hischier und Jonas Siegenthaler lautet die wichtigste Frage: Wie gut sind die Torhüter? Mit durchschnittlichen bis guten Leistungen von Mackenzie Blackwood und Vitek Vanecek schnuppert Jersey schon an den Playoff-Plätzen. Vermutlich reicht es dieses Jahr aber noch nicht ganz.
Jährlich grüsst dagegen das Murmeltier bei den Pittsburgh Penguins und den Washington Capitals. Wann werden die Mannschaftskerne um Sidney Crosby, Yevgeni Malkin und Kris Letang in Pittsburgh, respektive Alex Ovechkin, Nicklas Bäckström und John Carlson in Washington, von ihrem Alter eingeholt? Der Einbruch wurde in den vergangenen Jahren stets befürchtet, kam bislang aber noch nie.
Die Carolina Hurricanes gehen trotz Abgängen (Vincent Trocheck, Nino Niederreiter) und Verletzungspech (Max Pacioretty) als Division-Favorit in die Saison. Die New York Islanders stehen nach der Entlassung von Trainerkoryphäe Barry Trotz vor einem schwierigen Jahr. Noch schlimmer wird es für die Philadelphia Flyers, die lange auf ihren Nummer-1-Center Sean Couturier verzichten müssen.
*für die Playoffs qualifiziert
Sofern keine Sensationen geschehen, sind die drei direkten Playoff-Plätze in der Atlantic Division vergeben. Die Tampa Bay Lightning standen zuletzt drei Mal in Serie im Stanley-Cup-Final und gewannen zwei davon. Die Florida Panthers waren letztes Jahr das beste Team der Regular Season und haben mit Matthew Tkachuk aufgerüstet. Und die Toronto Maple Leafs werden angeführt vom 60-fachen Torschützen Auston Matthews und von Milch Mitch Marner.
Ob ein neues Team den Sprung in die Playoffs schafft, hängt auch von den Boston Bruins ab. Mit Brad Marchand und Charlie McAvoy fallen dort zwei wichtige Spieler bis Anfang Dezember aus. Dafür ist David Krejci wieder zurück, aber der tschechische Stürmer ist bereits 36 Jahre alt.
Von einem Niedergang der Bruins würden insbesondere die Ottawa Senators profitieren. Die Kanadier haben ihren Sturm mit den Zuzügen von Alex DeBrincat und Claude Giroux massiv aufgewertet. Fragen gibt es aber über die Qualität der Verteidigung und der Torhüter. Auch die Detroit Red Wings mit dem Schweizer Pius Suter sind stärker einzuschätzen als vor einem Jahr. Dort verstärkt Ville Husso das Goalie-Duo, Ben Chiarot die Verteidigung und David Perron den Sturm. Die Montreal Canadiens, das schlechteste Team der letzten Saison, haben sich dagegen kaum verbessert.
Zuvorderst ist in der Central Division der amtierende Stanley-Cup-Sieger Colorado Avalanche zu erwarten. Das Team aus Denver hat zwar Spieler verloren (unter anderem Nazem Kadri an Calgary), ist aber in der Lage, diese Abgänge zu kompensieren.
Dahinter ist vieles offen. Die St.Louis Blues haben weiterhin eine gute Mannschaft beisammen, die angeführt wird von spannenden Jungen wie Robert Thomas und Jordan Kyrou. Die Minnesota Wild haben mit Kevin Fiala ihren zweitbesten Stürmer verloren. Wenn die Youngster Matt Boldy und Marco Rossi die Tore des Schweizers nicht kompensieren können, wird Minnesota Probleme bekommen. Eine Stärke sind dagegen weiterhin die Verteidigung und mit Marc-André Fleury auch die Goalieposition. Bei den Dallas Stars war besonders wichtig, dass Stürmer Jason Robertson noch vor dem Saisonstart unterschrieben hat. Auch sie werden im Kampf um die Playoffs mitmischen.
Die Nashville Predators stehen gegenüber der vergangenen Saison sogar leicht verbessert da. Der Schweizer Stürmer Nino Niederreiter ergänzt die Top 6. Die «Preds» brauchen für die Playoff-Qualifikation aber erneut starke Saisons von Roman Josi, Matt Duchene, Filip Forsberg und Torhüter Juuse Saros. Und klar ist auch: Der Kern der Mannschaft wird immer älter – wenn Nashville noch einmal erfolgreiche Playoffs spielen will, muss dies in den nächsten zwei, drei Jahren passieren.
Schwierig einzuschätzen sind die Winnipeg Jets. Die Verteidigung ist unterdurchschnittlich, der Sturm war auch schon besser. Zudem scheint es in der Mannschaft bereits zu brodeln. Blake Wheeler wurde unlängst das Captain-Amt entzogen. Fans der Chicago Blackhawks mit Philipp Kurashev und der Arizona Coyotes mit Janis Moser brauchen ein dickes Fell. Das Saisonziel der beiden Mannschaften wird es sein, eine möglichst gute Draft-Position zu holen, und nicht, möglichst viele Spiele zu gewinnen.
Rollen wir das Feld von hinten auf. Die Seattle Kraken taten sich in ihrer allerersten NHL-Saison schwer, was auch an unterirdischen Leistungen von Goalie Philipp Grubauer lag. Steigert sich der Deutsche auf sein normales Level, sieht es für Seattle schon viel besser aus.
Auch für Timo Meiers San Jose Sharks wird es kaum für die Playoffs reichen. Das Team ist über alle vier Linien zu schwach und zu alt. Bei den Anaheim Ducks ist es genau umgekehrt. Das Kader ist relativ jung und wird bald sehr gefährlich sein. Dieses Jahr reicht es aber noch nicht.
Da die Central Division stärker ist als die Pacific, werden die zwei Wild-Card-Plätze wohl an die Central vergeben. Das bedeutet, dass sich die Vegas Golden Knights, die verstärkten LA Kings (mit dem Schweizer Kevin Fiala) und die Vancouver Canucks wohl um den dritten Platz balgen werden. Derweil dürften die Edmonton Oilers und die Calgary Flames mit den Neuzugängen von MacKenzie Weegar und Jonathan Huberdeau den Division-Sieg untereinander ausmachen.