Vor etwas mehr als drei Monaten kam es im Hallenstadion zu einer speziellen, viel beachteten Premiere auf Schweizer Eis: nämlich zum Gipfeltreffen der Kovar-Brüder – Jakub (33) von den ZSC Lions und Jan (32) vom EV Zug. Für das Aufeinandertreffen reiste extra die Familie aus Tschechien an. Der Titelverteidiger siegte mit 2:1 nach Verlängerung. Die beiden gingen anschliessend zusammen Nachtessen, der unterlegene ZSC-Goalie musste die Rechnung übernehmen.
Nun stehen sich die beiden erneut gegenüber – in einem hochklassigen Playoff-Final mit offenem Ausgang. Während Zugs Center mit seinen Geistesblitzen und zentimetergenauen Zuspielen in der Zürcher Defensive Verwirrung stiftet, bereitet sein Bruder den EVZ-Akteuren dank seinen Paraden Kopfzerbrechen. Neben Wirbelwind Denis Malgin ist der Torhüter die grösste Trumpfkarte, die der ZSC bislang ausspielen konnte. Als seine Mannschaft in der Finalserie noch mit 3:0 in Führung lag, sagte ZSC-Coach Rikard Grönborg:
Nun hat der EV Zug den Rückstand auf 2:3 verkürzt. Hat der schwedische Weltmeister-Trainer dennoch recht? Konfrontiert mit dieser Frage, grinst Zugs Topskorer. «Das muss er natürlich sagen. An seiner Stelle würde ich mich genau gleich verhalten.» Vor den Leistungen seines Bruders hat er grossen Respekt. «Er spielt eine starke Finalserie. Mich erstaunt das nicht.»
Dabei ist die beeindruckende Beständigkeit der Leistungen keine Selbstverständlichkeit. Jakub Kovar unterzog sich im Frühling 2021 einer Knieoperation. Doch sie hatte nicht den gewünschten Effekt. Plötzlich war das Karrierenende sehr nah. Doch das Feuer loderte immer noch in ihm. «Als ich von meinem Bruder gehört habe, dass sich die ZSC Lions für ihn starkmachen, habe ich ihm zu einem Wechsel geraten.»
Wie auch auf Zuger Seite Leonardo Genoni möchte sich sein Pendant während des Finals nicht öffentlich äussern. Dafür spricht sein Sportchef. Sven Leuenberger ist von Jakubs Wirken und Entwicklung angetan: «Er strahlt eine Ruhe und Selbstsicherheit aus. Das spürt auch die Mannschaft.» Bei einem Spitzensportler mit fragilem Körper überlege man sich zweimal, ob man einen Transfer tätigen solle, gibt der ZSC-Sportchef zu bedenken.
Im Gegensatz zu Jan, der schon vier Meistertitel in seiner Vita stehen hat, ist Jakob noch titellos und will endlich eine Trophäe gewinnen, bevor es ihn zurück nach Tschechien zieht.
Die Geschwister chatten oder telefonieren fast täglich. Über den Final verlieren sie dabei kein einziges Wort, es geht nur um private Dinge. Sie verbindet ein sehr inniges Verhältnis. «Wir sind unzertrennlich und die besten Freunde», sagt Jan. «Aber auf dem Eis sind wir Gegner. Da gibt es keinen Platz für brüderliche Liebe.»
Dem Topskorer, der am Mittwoch mit drei Skorerpunkten herausragte und sein ganzes Repertoire aufs Eis zauberte, ist es fast ein bisschen unangenehm, über den medial viel diskutierten Bruder-Kampf zu sprechen. «Das ist kein Duell der Kovar-Brüder, sondern ein Final zwischen Zug und Zürich», stellt er klar.
Es wäre nicht ausgeschlossen gewesen, dass Jan und Jakub in diesem Jahr zusammen für den ZSC auf Titeljagd gehen. Der «MVP» von vergangener Saison stand damals 2019 vor seinem Wechsel zum EV Zug auch auf dem Wunschzettel von Sportchef Leuenberger. Er hat sich mit dem Tschechen zum Gespräch getroffen.
Neben Schweizer Klubs machten auch finanzkräftige Klubs aus der russischen KHL den Hof. Dort, wo er damals das Vielfache seines jetzigen Salärs abkassiert hätte. Beim EV Zug steht er noch bis 2025 unter Vertrag.
Eine Wette am Laufen haben Jan und Jakub nicht. «Die bessere Mannschaft soll gewinnen. Ich denke, das sind wir», sagt der 32-Jährige mit seinem typisch trockenen Humor. Man darf gespannt sein, welche Überraschungsmomente das Bruder-Duell noch bereithält. Wer krönt sich zum Meistermacher?
Der ZSC könnte heute Abend in der Hallenstadion-Dernière den zehnten Titel feiern. Das Publikumsinteresse ist nicht nur in der Schweiz riesig. Derzeit erreichen Jan Kovar eine Menge Ticketanfragen aus seiner tschechischen Heimat, «die ich leider nicht alle erfüllen kann». Klar ist: Der dreifache Familienvater wird alles dafür tun, dass der finale Akt am Sonntag in der Bossard-Arena über die Bühne geht.