Am Ende war es ein vergebliches Warten. Auch nach sieben Runden des diesjährigen NHL-Drafts wurde kein einziger Schweizer gezogen. Eine derartige Schlappe hat es in der Neuzeit erst vier Mal gegeben, zum letzten Mal 2009. Wenn man bedenkt, dass letztes Jahr mit Valentin Nussbaumer auch nur ein Schweizer gezogen wurde – und erst noch in der letzten Runde – dann sieht die Bilanz in der jüngeren Vergangenheit sehr düster aus.
Muss man sich um das Schweizer Nachwuchs-Eishockey Sorgen machen? Für den Schweizer NHL-Scout Thomas Roost kommt der Nuller einerseits überraschend. Andererseits hätten auch ein oder zwei Picks die Schweizer Bilanz nicht wirklich gerettet: «Die Erwartungshaltung, jedes Jahr nur einen oder zwei Picks zu haben, ist bereits ernüchternd. Das darf keinesfalls unseren Ansprüchen genügen», sagt Roost.
Deshalb sei es vielleicht gar nicht so schlecht, dass es dieses Jahr einen spektakulären Nuller gegeben habe. Das öffne vielleicht manchem die Augen.
Ein eher schlechtes Abschneiden der Schweizer wurde im Laufe des Jahres absehbar. Die Berichte über die Schweizer Kandidaten seien im Verlauf der Saison immer kritischer geworden: «Simon Knak und Théo Rochette wurden nach hinten durchgereicht. Noah Delémont ist früh aus dem Draft-Fenster verschwunden und andere Schweizer (z.B. Dario Allenspach) galten von Anfang an nur als mögliche späte Draft-Kandidaten, aber nicht als mehr», sagt Roost.
Den Nicht-Draft von Simon Knak schätzt Roost auch als Verkettung von ungünstigen Umständen ein: «Ich bin sicher, dass er bei einigen Teams als später Pick gelistet war. Aber vermutlich ist er aufgrund von Spielern mit ähnlichem Stärken- und Schwächenprofil, die die Mannschaften in früheren Runden gedraftet haben, durchs Netz gefallen.»
Noch krasser war der Fall des Schweiz-Kanadiers Théo Rochette. Der Romand war einem Jahr noch als möglicher Erstrundendraft gehandelt worden. Nun wurde auch er nicht gedraftet. «Seine Draft-Einschätzungskurve ist – in negativer Hinsicht – noch spektakulärer als diejenige von Knak», sagt Roost. Wie bei Knak wurden auch bei Rochette die Berichte mit Fortschritt der Saison immer schlechter.
Was den Nuller aus Schweizer Sicht noch bitterer macht, ist dass ausgerechnet die Sport-Erzrivalen Deutschland und Österreich so richtig abgeräumt haben. Machen die Nachbarn etwas besser? «Nein», findet Thomas Roost. «Ich erachte den aktuellen Draft-Erfolg der Deutschen und vor allem der Österreicher als tendenziell zufällig und noch nicht als nachhaltig.»
Auch wenn Deutschland im Vergleich zur Schweiz Boden gut gemacht habe, seien wir noch nicht überholt worden. Es sei aber sicher so, dass Deutschland, Dänemark, Belarus oder Lettland die Lücke zur Schweiz verkleinern, während die eigene Lücke zu den Top-Nationen auf Juniorenstufe eher wieder grösser werde.
Sich mit fremden Federn zu schmücken, ist ebenfalls keine Lösung. Zwar haben die beiden Österreichischen Draftees Marco Rossi und Benjamin Baumgartner einen grossen Teil ihrer Jugendzeit in der Schweiz verbracht. Man dürfe diesen Anteil aber nicht überschätzen. «Solche Spieler kommen in die Schweiz zu einem Grossklub, wenn sie gleichaltrigen Spielern hochüberlegen sind. Es ist nicht so, dass ein Spieler wie Rossi als Nobody zum ZSC wechselt und dann dort zum Supertalent reift», sagt Roost.
Etwas Optimismus für die Zukunft ist angebracht. Es gebe Hoffnung, dass die Schweiz im nächsten Jahr keinen Nuller einstecken müsse: «Aus heutiger Sicht sehe ich – neben ein, zwei anderen – Lorenzo Canonica und Noah Meier als gute Draft-Hoffnungen. Für die weiteren Jahrgänge ist es noch schwierig, verbindliche Aussagen zu machen, aber Spieler vom Format wie Nico Hischier oder den Deutschen Moritz Seider und Tim Stützle sehe ich aktuell noch keine.»
Roost hat klare Vorstellungen, wie man die Juniorenförderung in der Schweiz verbessern könnte. Aber: «Wenn ich sehe, wie bei uns die Liga die Macht übernimmt und der Verband tendenziell froh sein muss, dass er noch geduldet wird, dann ist meine noch immer gültige Vision einer Art National-Team-Development-Programm nach US-Vorbild in unrealistisch weite Ferne gerückt.»
Ein solches Programm, da ist sich Roost sicher, würde mittelfristig Erfolge bringen. Langfristig sei es aber auch ein wichtiges Ziel, schlicht und einfach mehr Kinder für die Sportart Eishockey zu begeistern. Mit mehr lizenzierten Junioren gäbe es rein vom Wahrscheinlichkeitsprinzip her auch nachhaltig mehr Topshots.