Dieses Jahr sollte alles anders werden. Nach vielen Jahren, in denen das restliche Team rund um die grossen Stars der Toronto Maple Leafs einfach ungenügend war, konnten Auston Matthews, Mitch Marner, William Nylander und John Tavares – auch genannt die «Core 4» – endlich auf die gewünschte Unterstützung zählen. Chris Tanev, Oliver Ekman-Larsson und Brandon Carlo sorgten in der Verteidigung für Stabilität und die nötige Playoff-Härte. Max Domi, Max Pacioretty und Scott Laughton für die nötige Breite im Sturm. Anthony Stolarz und Joseph Woll bildeten eines der besten Torhüter-Duos der Liga.
Unter dem neuen Trainer Craig Berube spielten die Leafs zudem ein Eishockey, das für Playoff-Erfolg gemacht schien. «Chief», wie der 59-jährige Trainer genannt wird, steht für unaufgeregtes, konsequentes Eishockey. Langweilig, aber erfolgreich.
In der Regular Season bestätigte sich das. Toronto gewann die Atlantic Division, verlor kaum ein Spiel, wenn sie mal in Führung lagen. In den Playoffs setzten sie sich in der ersten Runde einigermassen souverän gegen Ottawa durch und führten im Conference-Halbfinal gegen Florida mit 2:0.
Die Leafs verloren die nächsten drei Spiele, wie es eben nur die Leafs können. Bei den beiden Auswärts-Auftritten in Florida waren sie eigentlich dran, verloren nur knapp. In Spiel 5 hätte Toronto vor eigenem Anhang wieder vorlegen können, doch es folgte ein katastrophaler Auftritt (1:6-Heimniederlage), bei dem überhaupt nichts klappte.
In bester Leafs-Manier erzwang die Mannschaft von Craig Berube ein siebtes Spiel. Beim 2:0-Auswärtssieg zeigten sie alles, was sie die ganze Saison so gut machte: Souveräne Defensive, gute Goalies und Stars, die im richtigen Moment zuschlagen können. Und in Spiel 7 war das alles wieder wie weggeblasen, es folgte der nächste Kollaps. Zum zweiten Mal in dieser Serie verloren die Leafs zuhause mit 1:6 und verabschiedeten sich so – unter Buhrufen, Schmähgesten und aufs Eis geworfenen Trikots – in die Ferien.
Natürlich muss man da den Florida Panthers viel Kredit geben. Sie sind der amtierende Stanley-Cup-Champion und haben gezeigt, dass sie auch dieses Jahr nur schwer zu bezwingen sind. Die Panthers sind eine extrem stark besetzte Mannschaft – Brad Marchand spielt beispielsweise nur in der dritten Linie. Neben viel spielerischer Qualität weiss die Mannschaft aus Florida auch, wie sie «dreckig» spielen kann, ohne von den Schiedsrichtern oder der Liga bestraft zu werden. Vielleicht waren diverse Spieler der Leafs deshalb auch angeschlagen und nicht auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.
Doch am Ende steht und fällt alles mit den Stars der Toronto Maple Leafs. Auston Matthews war in dieser Saison mit einem Jahreslohn von 13,25 Millionen US-Dollar der bestbezahlte Eishockeyspieler der Welt. Auch Mitch Marner (10,9 Mio.), William Nylander (11,5 Mio.) und John Tavares (11 Mio.) verdienten allesamt achtstellig. Doch in den wirklich wichtigen Momenten verschwinden sie von der Bildfläche, oder – noch schlimmer – fallen nur negativ auf.
In der Ära von Matthews und Marner haben die Maple Leafs siebenmal eine sogenannte «Belle» gespielt, in der der Sieger in die nächste Playoff-Runde einzieht. Einmal war es Spiel 5 in der Best-of-Five-Pre-Playoff-Serie gegen Columbus, sechsmal war es ein Spiel 7 in den Stanley-Cup-Playoffs. Die Gemeinsamkeit all dieser Spiele: Toronto verlor sie allesamt.
Maple Leafs in winner-take-all games since 2018
— Sportsnet Stats (@SNstats) May 19, 2025
Record 0-7
Goals 9
Goals Against 28
PP 1-for-11
Save % .893
Matthews & Marner: 5 points combined
In diesen sieben so ultrawichtigen Spielen haben die Leafs nur neun Tore erzielt. Matthews und Marner haben kombiniert nur fünf Skorerpunkte gesammelt. Beide Toronto-Stars haben seit 2021 in der Regular Season deutlich über einen Punkt pro Spiel gesammelt. In den Playoffs fallen hingegen beide unter diese Marke. Das reicht auf diesem Niveau dann einfach nicht mehr.
Auch Tavares und Nylander oder Verteidiger Morgan Rielly, die sonst in den Playoffs noch eher überzeugen, haben im entscheidenden Moment erneut versagt. Die besten Spieler der Toronto Maple Leafs haben Jahr für Jahr bewiesen, dass sie nicht in der Lage sind, in den wichtigen Momenten ihre gewohnte Leistung abzurufen, geschweige denn, noch eine Schippe draufzulegen.
Nach beinahe einem Jahrzehnt des Scheiterns in der Ära Matthews und Marner deutet alles darauf hin, dass es in Toronto zu massiven Veränderungen kommt. Mitch Marner und John Tavares haben genauso auslaufende Verträge wie Team-Präsident Brendan Shanahan.
Der 56-Jährige war es, der stets darauf bestand, dass es mit den «Core 4» irgendwann einfach klappen müsse. Als der damalige General Manager Kyle Dubas sich in der Saison 2022/23 von Marner trennen und das Team umbauen wollte, legte Shanahan sein Veto ein. Doch der «Shana-Plan» ist krachend gescheitert. Es käme einer Sensation gleich, wenn die Köpfe hinter Maple Leaf Sports & Entertainment, der Firma, der die Leafs gehören, Shanahan nochmals einen Vertrag geben.
Mitch Marner ist die andere Person, die ganz oben auf der Abschussliste steht. Der Vertrag des 28-Jährigen endet diesen Sommer – und die Zeichen auf die Verlängerung stehen ganz schlecht. Marner war schon länger der Buhmann bei den Toronto-Fans, aufgrund seiner bereits erwähnten schwachen Leistungen in den Playoffs. Und das Scheitern gegen die Panthers hat diese Mentalität noch einmal zusätzlich verstärkt. So stehen die Leafs vor einer unangenehmen Aufgabe: Sie können mit Marner doch noch verlängern und den Zorn der gesamten Fangemeinde auf sich nehmen. Oder aber sie lassen das Eigengewächs ziehen, ohne dass sie etwas dafür erhalten. Als Unrestricted Free Agent (UFA) könnte Marner ab dem 1. Juli mit jedem NHL-Team über einen Vertrag verhandeln.
I’m done, I’ve invested $15,000 into this team over the past 8 years, and every season ends the same way. I’m done. If Marner wants out, I won’t lose sleep over it. Goodbye Leafs nation. #LeafsForever
— KD’s First Burner Account 💙🤍 (@R3vampDev) May 19, 2025
pic.twitter.com/N1ruzb7sxV
Gleiches gilt für John Tavares. Auch er ist ab diesem Sommer vertragsloser UFA. Mit seinen bald 35 Jahren ist er noch ein gutes Stück älter als Marner. Fragezeichen bezüglich seiner Leistung gibt es also nicht nur in den Playoffs. Auch in der Regular Season muss bald mit abfallenden Resultaten gerechnet werden. Tavares sagte nach dem Aus gegen Florida zwar ohne zu zögern, dass er gerne noch zu den Leafs zurückkehren möchte. Damit Fans und Team in Toronto ihn nochmals akzeptieren, müsste er aber wohl drastische Lohneinbussen hinnehmen.
Tavares war zwischen 2019 und 2024 Captain der Maple Leafs, doch im vergangenen Sommer übernahm Auston Matthews dieses Amt. Als Teil der jüngeren Generation sollte der US-Amerikaner Toronto zum ganz grossen Erfolg führen. Doch selbst Matthews, der lange unantastbar schien, sieht sich mittlerweile mit scharfer Kritik konfrontiert. Wie Marner schafft auch er es nicht, in den wichtigen Momenten seine beste Leistung abzurufen.
Im Gegensatz zu Marner und Tavares dürften die Leafs nicht versuchen, Matthews tatsächlich auch loszuwerden. Einerseits, weil er immer noch einer der besten Torschützen der Liga ist und so kaum zu ersetzen wäre. Andererseits, weil es die Vertragssituation nicht zulässt. Matthews' Arbeitspapier läuft noch bis 2028 und beinhaltet eine No-Movement-Klausel. Ein Trade wäre also nur bei Zustimmung des Spielers möglich, würde aktuell aber auch nur wenig Sinn machen. Noch nie war Matthews' Marktwert so tief wie in diesem Moment gerade.
Am meisten Kredit der Core 4 geniesst noch William Nylander. Im Gegensatz zu den anderen drei Starstürmern bringt er oft auch in den Playoffs seine gewohnten Leistungen. Zudem hat er seinen Vertrag erst gerade bis 2032 mit No-Move-Klausel verlängert. Der Schwede wird in Toronto bleiben.
Neben den Core 4 muss sich die Teppichetage auch mit anderen Fragen beschäftigen: Was machen sie mit Verteidiger Morgan Rielly, der in der 2. Playoff-Runde ebenfalls enttäuscht hat. Wie viel Lohn erhält der junge Flügelstürmer Matthew Knies künftig? Bleiben Nick Robertson, Pontus Holmberg und Steven Lorentz dem Team erhalten? Klar ist vor allem eines: Wenn im Oktober 2025 die neue Saison startet, dürften die Toronto Maple Leafs ein neues Gesicht präsentieren.