Die Bemerkung ist ein wenig respektlos. Aber trifft den Sachverhalt recht gut und ist daher objektiv. Schweiz gegen Ungarn war mehr Zirkus als ein seriöses WM-Spiel.
Von der ersten Sekunde ist der Verlierer rettungslos überfordert. Die Statistik sagt mehr als jede Polemik. 37:6 Torschüsse. Weniger Schüsse aufs Tor als Leonardo Genoni Meistertitel gewonnen hat. Die Schweizer hätten auch dann gewonnen, wenn er jeden Puck durchgelassen hätte. Sogar mit einem Chronisten im Tor. «Das wäre Ihre Chance gewesen» sagte Leonardo Genoni zu dieser scherzhaften Anmerkung. Und fügte ernsthaft hinzu: «Ein 10:0 ist auf diesem Niveau keine gute Werbung fürs Eishockey. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir vor 30 Jahren gegen die Grossen ähnliche Packungen bekommen haben.»
Die Schweizer finden sich in der Rolle der «Harlem Globetrotters» wieder. Dem berühmten US-Basketballteam, das für eine spektakuläre Mischung aus Sport, Show und Comedy bekannt ist und auf der ganzen Welt Showspiele bestreitet.
Zum Zirkus-Charakter passt, dass Andres Ambühl (41) in seinem 147. WM-Spiel das 1:0, 7:0 und 9:0 erzielt – seine ersten Treffer bei diesem Turnier, seine WM-Tore Nummer 29, 30 und 31. Timo Meier hatte am Vormittag diesen Hattrick vorausgesagt. Drei Treffer in einem Spiel bei einer WM – könnte es sein, dass der HCD-Kultstürmer seinen Rücktritt rückgängig macht? «Nein, es ist gut, wie es ist. Wir haben ja noch Spiele vor uns…» Nach dem Spiel nahmen ihn die Kollegen auf den Arm. Zuerst «Totenstille», als er endlich in die Kabine zurückkommt. Er ist der letzte, weil er länger als jeder andere den Chronistinnen und Chronisten Rede und Antwort stehen musste. Dann erst geht die Feier los.
Wer hat noch nicht, wer will nochmal: Für sämtliche Torschützen sind es die ersten Treffer bei diesem Turnier. Ein 15:0 wäre möglich gewesen. Zum Zirkus-Charakter passt, dass Ungarns Cheftrainer gegen Kevin Fialas 10:0 in der Schlussminute eine Coaches Challenge nimmt – und verliert.
Aus zwei Gründen hat sich das Resultat in der ersten Begegnung gegen Ungarn seit der B-WM 1985 (9:1 in Fribourg) einigermassen in Grenzen gehalten.
Erstens hat Patrick Fischer mit Denis Malgin und Sven Andrighetto zwei der besten offensiven Schillerfalter dieses Turniers einen freien Abend gewährt. Auch Verteidigungsminister Jonas Siegenthaler sass auf der Tribüne. Diese Nicht-Nomination könnte Sven Andrighetto (bisher 6 Tore) den Titel eines WM-Torschützenkönigs kosten. Er hätte gestern wohl gut und gerne fünf oder sechs Treffer erzielen können. Beim letzten Gruppenspiel am Dienstag gegen Kasachstan werden die Schweizer wieder in Bestbesetzung mit der Formation antreten, die am Donnerstag den Viertelfinal bestreiten wird.
Zweitens sind die Schweizer mit einer bemerkenswerten Reife mit dem Zirkus-Charakter dieser Partie und dem Resultat umgegangen. Keine Euphorie, die bei diesem schwachen Gegner auch nicht angebracht gewesen wäre. Hingegen eine stille Freude nach dem Motto «Job gemacht.» Auch keine respektlosen Sprüche zum Gegner, der am Dienstag mit einem Punkt gegen Norwegen je nach Konstellation den Klassenerhalt sichern kann. Patrick Fischer blieb Realist. «Wir haben unsere guten Gewohnheiten beibehalten und unser Spiel gespielt.» Es sei nie eine Larifari-Einstellung aufgekommen.
Das Torverhältnis aus den letzten vier Partien (USA, Deutschland, Norwegen, Ungarn) lautet 21:1. Wichtiger als das Offensiv-Spektakel ist die defensive Stabilität. Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Titel. Ein «zu null» ist immer auch ein Zeichen für gute Gewohnheiten, für die solide Pflichterfüllung.
Und so sorgte eine gesunde Prise Seriosität und Ernsthaftigkeit dafür, dass die ganze Angelegenheit nicht zu einem reinen Show- und Comedy-Spiel geworden ist. Die Schweizer spielten unfreiwillig die Rolle der «Harlem Globetrotters». Mit der Leichtigkeit, aber nicht ganz mit dem Unterhaltungswert des amerikanischen Originals. Sie sind ja nicht in erster Linie hier, um das Publikum zu unterhalten. Sie wollen Weltmeister werden.
Seit 1998 gehört die Schweiz wieder ununterbrochen zur höchsten WM-Kategorie. Zuvor gab es sogar zwei Abstiege bis in die C-WM (1967 und 1973). Um «Steinzeitresultate» zu vermeiden, wird die WM seit den 1960er Jahren auf verschiedenen Leistungsstufen ausgetragen. Heute sind es fünf: Top Division (früher A-WM) 16 Teams. Division I (früher B-WM) 10 Teams. Division II (früher C-WM) 10 Teams. Division III 8 Teams. Division IV 5 Teams.
Das 10:0 gegen Ungarn ist der höchste Sieg auf höchstem WM-Niveau seit dem 12:0 gegen Finnland beim WM- und Olympia-Turnier von 1952 in Oslo (Resultate also aus der B- und C-WM nicht berücksichtigt).
«Ein 10:0 ist auf diesem Niveau keine gute Werbung fürs Eishockey. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir vor 30 Jahren gegen die Grossen ähnliche Packungen bekommen haben.»
Alle die meinen 16 Teams seien zu viel, erst die Aufstockung der Top Division ermöglichte es der Schweiz sich auf höchster Stufe festzusetzen und sich so schön zu entwickeln.
Wer weiss, wo die Schweiz stehen würde, wäre das nicht angepasst worden.
Egal. Freuen wir uns wie unsere Nati jetzt spielt.
Hopp Schwiz🇨🇭