Es gibt nur wenige Spieler auf Schweizer Eisfeldern, die eine ähnliche Intensität entwickeln wie Dino Wieser. Wenn der Davoser Stürmer mit der langen, schwarzen Mähne und der prägnanten Zahnlücke die Gegner mit harten Checks malträtiert, dann ist er in seinem Element. Besonders in den Playoffs, wenn es sportlich um Sein oder Nichtsein geht. Früher war der 27-Jährige nicht nur im Rink ein Rock’n’Roller, sondern auch daneben.
Seine nächtlichen Eskapaden im Dorf waren berühmt berüchtigt. In dieser Saison hat Dino Wieser nun eine Wandlung durchgemacht, die ihm kaum jemand zugetraut hätte. Aus dem wilden, unberechenbaren Haudrauf wurde ein Spieler mit ungeahnten Leaderqualitäten, der seiner Mannschaft nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten hilft. So wie derzeit in den Playoffs, in welchen er sogar der beste HCD-Skorer ist (6 Tore und 4 Assists in 8 Spielen).
Der Weg vom Enfant terrible zum Leader war jedoch steinig. Und erforderte sehr viel Geduld und Aufbauarbeit von Dino Wiesers grösstem Forderer und Förderer: HCD-Trainer Arno Del Curto. «Immer dranbleiben» lautete dessen Motto während der vergangenen zehn Jahre.
Im Frühling 2007 gab Dino Wieser in der Viertelfinalserie gegen die ZSC Lions als 17-Jähriger für den gesperrten Michel Riesen sein Playoff-Debüt im gelbblauen Dress und erzielte gleich in seinem ersten Spiel sein erstes Playoff-Tor für den HCD – es war der spielentscheidende Treffer. «Mit seinem Naturell, seinem Charakter und seiner Persönlichkeit war es ein harter und langer Prozess, bis er diesen Wandel vollzogen hatte», sagt Del Curto.
Der HCD-Trainer betont auch, dass die Struktur der aktuellen Mannschaft den Reifeprozess von Dino Wieser beschleunigt habe: «Wir haben so viele junge Spieler, dass die älteren automatisch eine Führungsrolle übernehmen mussten, auch Dino. Er musste sich ändern. Als Leader muss man auch glaubwürdig sein. Das war lange Zeit schwierig und auch von vielen Rückschlägen geprägt. Jetzt scheint es, dass er kapiert hat, was es braucht. Er hat die Rolle angenommen und ich glaube, dass er auch Freude daran hat, einer der Leader des Teams zu sein.»
Das sieht auch Dino Wieser selbst so: «Es brauchte viele Gespräche und viel Zeit, bis ich diesen Wandel vollzogen habe. Bei der letzten Vertragsverhandlung wurde mir bewusst, dass ich jetzt eine andere Rolle spielen muss, dass ich in einer anderen Lohnklasse zu Hause bin. Jetzt gehöre ich zu den Spielern, auf den die Jungen schauen. Da empfiehlt es sich, die Finger von den Dummheiten zu lassen.»
Zumal er als Eigengewächs, welches in Küblis, eine Handvoll Kilometer von Davos entfernt, aufgewachsen ist, seit je her unter besonderer Beobachtung steht. «Der HCD ist eine Herzensangelegenheit für mich. Ich habe immer hier gespielt. Und man merkt schon, dass die Leute Freude daran haben, wenn ein Einheimischer ein Führungsspieler ist. Das ist auch ein Privileg für mich.»
Das sind bemerkenswerte Worte aus dem Mund eines Manns, der als Davoser Aggressivleader jahrelang Mühe hatte, die Grenze zwischen gesunder Härte und kopfloser Dummheit zu finden: «Es war ein langer Prozess für mich. Ich hatte mit Spielern wie Reto von Arx, Josef Marha oder Sandro Rizzi jahrelang tolle Vorbilder. Jetzt versuche ich, dieses Wissen selber umzusetzen.»
Mit 27 Jahren hat Dino Wieser bereits vier Meistertitel im Gepäck. Er gehört zu der kleinen Gruppe, die Zugs Fabian Schnyder als Spieler bezeichnet, «die wissen, wie man gewinnt.» Mit dieser Erfahrung im Rucksack ist es für den Prättigauer ein Leichtes, in kritischen Situationen in der Davoser Garderobe das Wort zu ergreifen. «Es ist wichtig, dass man, auch wenn es schlecht läuft, die Ruhe bewahrt, keine Hektik aufkommen lässt und nicht herumflucht.»
In den Playoffs spielt sich extrem viel im Kopf ab. Wenn man die Gedanken in eine positive Richtung steuert, dann hilft das ungemein.» Der ehemalige Hitzkopf Dino Wieser als besonnener Leader? Wahrlich eine der erstaunlichsten Wandlungen im Schweizer Eishockey.