Der Anruf kommt von einer Nummer mit der Vorwahl 0049. «Du solltest dich rühren. Es kann sein, dass der SCB-Trainer schon auf nächste Saison nach München kommt.» Wie bitte? Das kann nicht sein. Ein haltloses Gerücht. Toni Söderholm hat in Bern einen Vertrag bis 2024.
Oder doch nicht so haltlos? Nur die Statistik. Keine Polemik. Am 5. November 2022 besiegt der SCB die ZSC Lions (4:3). Trainer Johan Lundskog wird unmittelbar nach dem Spiel trotzdem gefeuert und durch Toni Söderholm ersetzt. Die Berner haben zu diesem Zeitpunkt 31 Punkte aus 20 Partien auf dem Konto und besetzen in der Tabelle Rang 6. Macht 1,55 Punkte pro Spiel. Sie vermochten immerhin 11 von 20 Spielen zu gewinnen. Das Torverhältnis ist positiv (59:58).
Nun steht der SCB unter neuer Leitung auf Platz 8. In 28 Partien hat der SCB mit Toni Söderholm an der Bande 36 Punkte geholt. Macht 1,28 Punkte pro Partie. Sie haben 12 von 28 Spielen gewonnen. Das Torverhältnis ist inzwischen negativ (139:147).
Unter anderem ist Johan Lundskog wegen seiner Machtlosigkeit an der Bande kritisiert worden: Der kanadische Stürmer Chris DiDomenico mache, was er wolle. Im letzten Spiel unter dem Schweden kam der Kanadier gegen die ZSC Lions auf 22:18 Minuten Eiszeit. Eigentlich viel zu viel. Inzwischen macht Chris DiDomenico erst recht, was er will. In der letzten Partie gegen Lugano (1:2 nach Penaltys) kam er auf 26:09 Minuten Einsatzzeit. Letztmals hatte der charismatische SCB-Topskorer am 27. September 2022 im Rahmen der Verlängerungs-Niederlage in Ajoie (2:3) noch mehr Eiszeit beansprucht (27:38 Minuten). Boshaft können wir kalauern: An der Bande steht der Toni stumm und still und der DiDo macht, was er will.
Es ist, wie es ist: Alle Statistiken sagen (auch wenn uns ein Rechenfehler unterlaufen sein sollte), dass der SCB unter dem neuen Trainer noch nicht signifikant besser geworden ist. Aber die Saison ist noch nicht zu Ende. Abgerechnet wird am Schluss. Auch in Bern gilt: «It’s not over before the fat Lady sings.» Es wäre hochgradig unseriös, wenn nicht gar verantwortungslos, das Gerücht über einen möglichen vorzeitigen Abgang von Toni Söderholm ohne gewissenhafte, gründliche Nachprüfung in die Welt zu setzen.
Also geht die Frage an SCB-Manager Raëto Raffainer. Es gehört sich nicht, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. So ergibt sich folgender Dialog mit dem obersten SCB-Lohnempfänger:
Auf die Schlussbemerkung, vielleicht sei der SCB ja noch froh, wenn sich dieses Gerücht per Ende Saison bewahrheiten sollte, geht Raëto Raffainer richtigerweise nicht mehr ein. Es handelt sich um pure Provokation.
Der Eishockeyclub EHC Red Bull München ist mit 17 Punkten Vorsprung Tabellenführer der DEL. Toni Söderholm steht in dieser hochprofessionellen, auch wirtschaftlich formidablen Organisation in höchstem Ansehen. Am 21. Februar 2021 ist der Grundstein für einen neuen Hockey-Tempel (SAP Garden) im Olympia Park gelegt worden. Ein hochmoderner Sporttempel mit einem Fassungsvermögen von 11'250 Zuschauenden für Hockeyspiele. Kosten: 160 Millionen Euro. Es rockt im Münchner Hockey und für Männer wie Toni Söderholm gibt es reichlich Arbeit. Der Finne hat in München gespielt und vor seiner Zeit als deutscher Nationalcoach auch im Trainer-Staff gearbeitet. Das Gerücht, vom SCB offiziell bestätigt (!), ist also auch aus Münchner Sicht nicht völlig sinn- und haltlos.
Ob Toni Söderholm beim SCB die Saison noch ruhmreich beenden wird oder nicht, ist für seine Karriere eigentlich unerheblich. In Bern zu scheitern, wo schon meisterliche Titanen wie Larry Huras, Antti Törmänen und Kari Jalonen gefeuert worden sind, ist wahrlich keine Schande. Schon eher eine Ehre.
So oder so: Im ewigen, endlosen SCB-Trainertheater hat der nächste Akt begonnen.
P. S.: Der gefeuerte HCD-Trainer Christian Wohlwend bekommt den Job als U-20-Nationaltrainer nicht, wenn Marco Bayer als Trainer zu den GCK Lions wechseln sollte. Christian Wohlwend ist ein Freund von SCB-Manager Raëto Raffainer.
*you made my day*