Ein historisches Ereignis: Ab nächster Saison wird es auf SRF fünf Jahre lang keine Live-Bilder mehr von der Eishockey-Meisterschaft geben. Die Rechte fürs frei empfangbare Fernsehen hat TV 24 erworben, die Video-Rechte Ringier (Blick).
Politisch hochbrisant: Mit Rückendeckung von SRG-Generaldirektor Gilles Marchand haben Sportchef Roland Mägerle und sein juristischer Gehilfe Adi Boss bei den Verhandlungen hoch gepokert: entweder die Live-Rechte für alle drei Sprachregionen – oder dann halt nicht. Die Verhandlungstaktik ganz im Geiste des Monopolisten, die sich in den letzten 50 Jahren bewährt hat. Mit dem Hintergedanken: Im Tessin und in der Westschweiz gibt es kein frei empfangbares Fernsehen mit unserer Reichweite. Also müsst ihr zu uns kommen. Gilles Marchand, so wird von Gewährsleuten übereinstimmend berichtet, habe diese kompromisslose «Alles oder gar nichts»-Haltung auch in einem Gespräch gegenüber den Verantwortlichen der Liga bekräftigt.
Aber die Zeiten haben sich geändert. Diese reichlich arrogante Verhandlungstaktik ist gescheitert. Roland Mägerle und Adi Boss stehen in der Öffentlichkeit mit abgesägten Rechte-Hosen da. Die Live-Rechte in der Deutschschweiz sind weg. Und damit bekommt diese Geschichte um Sport-Rechte eine politische Dimension mit enormer Sprengkraft.
Denn die SRG hätte nach wie vor die Möglichkeit, die Live-Rechte für das Tessin (RSI) und die Westschweiz (RTS) im bisherigen Rahmen zu bekommen. Eine medienpolitische, ja politische Ungeheuerlichkeit sondergleichen. Aus verletzter Eitelkeit und offensichtlich mit Rückendeckung eines Generaldirektors mit welschen Wurzeln entscheiden die zwei Deutschschweizer Sportbosse Roland Mägerle und Adi Boss: Wir bekommen in der Deutschschweiz keine TV-Bilder – also sorgen wir dafür, dass die Bildschirme auch im Welschland und im Tessin schwarz bleiben. Die TV-Zuschauerinnen und Zuschauer, die mit ihren Zwangsgebühren das Fernsehen in ihrer Sprachregion im Welschland und im Tessin erst möglich machen, müssen auf Eishockey verzichten, weil die TV-Fürsten in Zürich beleidigt sind.
Diese Position wird die SRG nicht halten können. Die Westschweiz hat vier Klubs in der höchsten Liga von Interesse (Lausanne, Servette, Fribourg, Biel) und das Tessin mit Ambri und Lugano die mit grossem Abstand wichtigsten Sportunternehmen der Region. Das Publikum und die Politikerinnen und Politiker werden nicht akzeptieren, dass in unserem Land auf Kosten einer sprachlichen Minderheit von Zürich aus von alemannischen Fernseh-Fürsten TV-Politik gemacht wird. Die politischen Folgen sind bei der laufenden «Halbierungs-Initiative» verheerend. Zumal ja der Verlust der Hockey-TV-Rechte nicht eine Frage des Geldes ist. Sondern des Unvermögens der TV-Generäle am Verhandlungstisch.
Brisant und amüsant zugleich in diesem Zusammenhang: Leutschenbach hatte sogar die Offerte, die Sendungen von MySports zu übernehmen. So wie das TV 24 in der Grundkonzeption tun wird. Das war natürlich für die Leutschenbacher völlig undenkbar: Sie hätten ja dann gar keine Hockey-Redaktion mehr gebraucht. Das mag zwar bloss eine amüsante Episode in dieser Verhandlungs-Seifenoper sein, zeigt aber auch: Es wäre für das über Zwangsgebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen möglich, mit den privaten TV-Unternehmen zusammenzuarbeiten und zum Wohle der gebührenzahlenden Kundinnen und Kunden strategische Allianzen einzugehen.
Partnerschaften mit den Privaten wären durchaus möglich und sinnvoll. Das Problem im Leutschenbach: Die Entscheidungsträger sind Kinder des Monopolzeitalters. Der TV-Welt von gestern. Oder salopp gesagt: Der tüchtige Sportchef Roland Mägerle und sein schlauer juristischer Gehilfe Adi Boss mahnten, wie Gewährsleute übereinstimmend berichten, bei den Verhandlungen um die Hockey-Live-Rechte in den letzten Monaten mit Rückendeckung von ganz oben an Besitzer einer Dampfeisenbahn, die sich mit aller Kraft gegen die Elektrifizierung stemmen. Diese Haltung hat nun mit Volldampf aufs Stumpengleis geführt.
Was nun? Das Geheimnis des Erfolgsmodells Schweiz ist die hohe Kunst des Kompromisses. Dieser Kompromiss könnte so aussehen: In der Deutschschweiz gibt es nach dieser Saison fünf Jahre lang in Gottes Namen halt keine Live-Bilder mehr aus der Eishockey-Meisterschaft. Diese Kröte müssen die Leutschenbach-Fürsten schlucken. Aber im Tessin und in der Westschweiz können die Zwangsgebührenzahlerinnen und -zahler wie bisher unsere Eishockey-Meisterschaft im Fernsehen verfolgen.
Den Ausfall der Live-Bilder könnte das Deutschschweizer Farbfernsehen mit Hintergrund-Sendungen zum Eishockey und mit Zusammenfassungen – allerdings erst nach 23.00 Uhr, wenn alle Bilder bei TV 24 und bei den Blick-Kanälen gelaufen sind – zu einem schönen Teil kompensieren. Es wäre sehr wohl möglich, mit Verhandlungsgeschick mehr Bilder für diese Zusammenfassungen zu bekommen, als vertraglich eigentlich festgeschrieben sind. Weil die Präsenz im staatstragenden Fernsehen fürs Hockey wichtig ist.
Was uns zur Schlüsselfrage führt: Sind die noch im Dampfeisenbahn-Zeitalter des Fernsehens gefangenen Entscheidungsträger in Leutschenbach willens und fähig, über ihren Schatten zu springen und nicht mehr von oben herab zu befehlen, sondern auf Augenhöhe kluge Kompromisse auszuhandeln?
Wenn nicht, bietet sich die gleiche Lösung an wie bei verfuhrwerkten Situationen im Sport: Trainerwechsel.
Ausserdem finde ich es vom Eishockeyverband beschähmend, dass der die Rechte für die Deutschschweiz verkauft, bevor er für mehr als die Hälfte der Liga keine Lösung hat. Das ist Deutschschweizer Arroganz, werter Eismeister, dass die SRG für alle Landesteile schaut dagegen nicht!