Biel hat nur drei der 14 letzten Spiele gewonnen. Der Vorjahresfinalist ist auf den 12. Platz abgerutscht. Es gibt gewisse Parallelen zwischen der Bibel und dem Hockeygeschäft: zum Beispiel Weisheiten, von denen wir wissen, dass sie sehr wohl wahr sind. Aber wir halten uns nicht daran.
Eine dieser Weisheiten im Hockeygeschäft sagt, dass Namen nur auf dem Dress aufgenähte Buchstaben sind und deshalb einzig und allein die Leistung zählen sollte. Das ist so und alle wissen es. Und doch hält sich normalerweise niemand daran: Wird es eng, setzt der Coach auf die grossen Namen.
Biel verliert am Freitagabend in Langnau 2:3 und der Trainer ist so aufgebracht, dass er den Chronisten (Chronistinnen waren keine da) keine Auskunft geben mag. Sportchef Martin Steinegger bleibt cool und sagt: «Nur jetzt die Nerven nicht verlieren.» Unerschütterlich stützt er seinen Trainer. Durch alle Böden.
Am Samstag empfangen die Bieler den SC Bern. Petri Matikainen riskiert für das Spiel gegen den Titanen aus der Hauptstadt Kopf, Kragen und den Job. Wegen Verletzungen fehlen Luca Cunti, Damien Brunner, Fabio Hofer, Ian Derungs und Captain Gaëtan Haas. Was ist ein Biel ohne Luca Cunti, Damien Brunner, Fabio Hofer, Ian Derungs und Captain Gaëtan Haas? Verloren.
Und nun setzt der Trainer für die Partie gegen den SCB Mike Künzle auf die Tribüne. Den Power-Stürmer. Den Mann der wichtigen Tore, dessen Absenz so oft bitterlich beklagt und dessen Rückkehr nach einer Verletzungspause so sehnlichst erwartet und begrüsst worden ist. Auch Jesper Olofsson, zusammen mit Toni Rajala und Jere Sallinen der beste Torschütze des Teams, muss auf die Tribüne und auf der Ausländerposition der Neuerwerbung Rihards Bukarts Platz machen.
Hätte Sportchef Martin Steinegger ob diesen waghalsigen taktischen Massnahmen im Falle einer Niederlage gegen den SCB weiterhin die Nerven behalten und unerschütterlich seinen Trainer gestützt? Vielleicht. Vielleicht auf nicht. Bei so viel Verletzungspech auch noch auf einen gesunden und bewährten Schweizer verzichten und bei den Ausländern den besten Torschützen aussortieren, aber den finnischen Lotterverteidiger Ville Pokka (Minus-7-Bilanz!) berücksichtigen. Eigentlich ein Wahnsinn. Den Mutigen helfen die Hockeygötter. Aber im Falle einer Niederlage nicht die Sportchefs.
Biel gewinnt gegen den SCB 2:1. Obwohl der SCB schon früh (4. Min.) mit einem haltbaren Treffer 1:0 in Führung geht. Die Art und Weise, wie die Bieler nun mit einer seltenen und unkonventionellen Mischung aus Emotionen, Mut und Disziplin den SCB in einer unerhört intensiven Partie schwungvoll vom Eis arbeiten, ist beeindruckend, begeisternd, faszinierend und – natürlich – von allerhöchstem Unterhaltungswert. Die Bieler gehen ihren Gegenspielern unter die Haut.
Namen sind wahrlich nur aufs Dress genähte Buchstaben. 38:22 Torschüsse, allein 15:4 im Mitteldrittel. Der SCB taumelt unter der Wucht des Bieler Ansturmes, fängt sich wieder auf, bringt die Bieler in der Schlussphase ins Wanken und muss am Ende doch die wohl bitterste Niederlage der Saison akzeptieren.
Den Siegestreffer erzielt der offensive Risikoverteidiger Noah Delémont (21), der diese Saison zeitweise auf der Tribüne sass. Aber Eigenschaften aufs Eis bringt, die dem Trainer gefallen: Mut und Leidenschaft. Hinterbänkler wie Elvis Schläpfer, Yanick Stampfli, Jerôme Bachofner oder Liekit Reichle kommen gegen den SCB zu mehr als 10 Minuten Eiszeit und Luca Christen, wochenlang auf der Tribüne, ist längst ein tragendes Element der Verteidigung geworden.
Dieser Sieg gegen den SCB ist der bisher wichtigste für Biels neuen Trainer. Und nun ist er bereit, den Chronisten (Chronistinnen waren auch in Biel keine) Auskunft zu erteilen. Aber er gibt nicht den Triumphator. Er scheint innerlich noch zu beben und lässt erahnen, wie intensiv, direkt und fordernd er sein kann.
Auf die Frage, welche Strategie hinter dem Verzicht von Mike Künzle und Jesper Olofsson stehe, sagt er:
Es sei ihm darum gegangen, nach der Niederlage in Langnau ein Zeichen zu setzen. «Dort waren wir nur im letzten Drittel richtig bei der Sache.» Ausreden akzeptiere er nicht:
Biel hat gegen den SCB bewiesen, dass Namen tatsächlich nur aufs Dress genähte Buchstaben sind. Petri Matikainen sagt, gegen den SCB hab die Mannschaft so leidenschaftlich, konzentriert und diszipliniert gespielt, wie er es unabhängig von Namen und Verdienst verlange.
Mike Künzle hat Sportchef Martin Steinegger zwar mitgeteilt, dass er Ende Saison definitiv geht. Die Vermutung, dass das der Grund für die Nichtnomination gegen den SCB sein könnte, ist barer Unsinn. Verteidiger Yannick Rathgeb hat bereits für fünf Jahre bei Gottéron unterschrieben und ist gegen den SCB trotzdem eingesetzt worden. Um seine läuferische Dynamik zu nützen, hat ihn der Trainer als «Schwungrad» im Sturm eingesetzt. Ein schlauer Schachzug. Yannick Rathgeb war der fleissigste Angreifer mit den meisten Torschüssen.
Der Auftritt des Trainers nach dem Spiel ist kurz, präzis und intensiv. Dann geht er wieder. Kein Mann der grossen Worte. Er macht nicht den Fehler, sich nun als Held zu präsentieren. Wohlwissend, dass Biel noch längst nicht aus dem Schneider ist.
Haben wir gegen den SCB das neue, das künftige Biel gesehen? Vielleicht sogar das Biel der nächsten Saison? Mit viel weniger grossen Namen. Mit mutigen, leidenschaftlichen Talenten, die sich einen grossen Namen machen wollen. Nicht mehr ein spielerisches Lauf- und Kunstteam, sondern ein wilder, uriger, aber gut geordneter «Haufen», abgesichert von einem Weltklassegoalie (Harri Säteri)? Ein Team im Umbruch also?
Warum nicht? Einen Rekord hat Petri Matikainen bereits geschafft: Noch nie hat ein Cheftrainer eines Vorjahresfinalisten die November-Nationalmannschaftspause auf Rang 12 mit nur sechs Punkten Vorsprung auf das Schlusslicht (nach Verlustpunkten beträgt die Differenz zu Ajoie sogar nur drei Punkte) im Amt überstanden.
Und auch ein Rekord: Biel hat letzte Saison punktgleich mit Qualifikationssieger Servette den 2. Platz belegt. Das Stadion war in der erfolgreichsten Saison seit dem Wiederaufstieg von 2008 zu 89,05 Prozent ausgelastet. Nun ist Biel seit Saisonstart ein Krisenteam und die Auslastung beträgt 94,94 Prozent. Gegen den SCB war die Arena zum dritten Mal hintereinander ausverkauft (wie zuvor gegen Ajoie und Gottéron). Aus dem Buch der Bücher wissen wir, dass der Mensch nicht nur vom Brot allein lebt. In Biel lebt der Fan nicht vom Resultat allein.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Wo ist das schnelle, schöne Eishockey von Biel verschwunden? Die Arbeit von Antti Törmänen , ist nicht mehr zu erkennen. Was für ein Verlust! Kampfgeist in allen Ehren, der gestrige Sieg war toll, aber es war wie in den Spielen zuvor einfach zu knapp. Was nützen dir 38 Torschüsse, wenn nur 2 davon reingehen. Quantität vor Qualität? Nein, tut mir leid, mir gefällt dieses Eishockey nicht. Künzle und Olofsson auf der Tribüne, dafür der Stolperi Pokka in der Aufstellung? Ich frage mich, was wäre bei einer Niederlage passiert wäre...