Der watson-Eismeister Klaus Zaugg blickt auf die neue National-League-Saison voraus, die am 14. September beginnt. In umgekehrter Reihenfolge seiner Prognose nimmt er alle Klubs der Liga unter die Lupe. Heute der 14. und letzte Teil – die ZSC Lions.
Die ZSC Lions gehören zu den meistrespektierten, bestgemanagten und bestfinanzierten Hockeyunternehmen Europas. Sie haben eine der besten Nachwuchsorganisationen ausserhalb Nordamerikas aufgebaut, unterhalten ein Farmteam und keine Mannschaft in den beiden höchsten Ligen, die nicht einen in Zürich ausgebildeten Spieler in ihren Reihen hat.
Und den ZSC Lions ist es gelungen, einen neuen Hockey-Tempel zu errichten. In der Fussball-Welthauptstadt (die FIFA hat hier ihren Sitz), die nicht einmal dazu in der Lage ist, eine Fussballarena zu bauen. Aber alles gelingt auch den ZSC Lions nicht: Seit 2018 sind sie nicht mehr Meister geworden. Gelingt der Triumph im neuen Stadion?
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— ZSC Lions (@zsclions) September 2, 2022
Die über 170 Millionen Franken teure Swiss-Life-Arena, die 2026 auch WM-Standort sein wird, gehört zu den modernsten Anlagen der Welt. Aber die alten Zeiten und Sorgen sind die Zürcher in der nigelnagelneuen Umgebung noch nicht los: Zur ZSC Kultur gehören hohe, nicht erfüllte Erwartungen und so ziemlich jedes Jahr kurzweilige Trainerdiskussionen.
Als ob die ZSC-Trainer von den bösen Hallenstadion-Geistern verfolgt werden. In den letzten acht Jahren haben die Zürcher nur einen einzigen Meistertitel gefeiert (2018). Gemessen am Aufwand zu wenig Ertrag: Die ZSC Lions leisten sich beständig eine der teuersten und manchmal die teuerste Mannschaft der Liga. Im letzten Frühjahr erlitten sie gegen Zug eine historische Schmach und verspielten als erstes Team der Geschichte im Final einen 3:0-Vorsprung.
Wie die Rache und ein letzter Gruss der Hallenstadion-Geister zum Abschied. Oder nisten sich diese Geister auch im neuen Tempel ein? Wird Rikard Grönborg in der neuen Arena ihr erstes Opfer?
Rikard Grönborg ist der teuerste Trainer der Liga. Er kostet ungefähr viermal so viel wie Langnaus Thierry Paterlini. Der Schwede ist geholt worden, um Titel zu gewinnen. Aber er hat den Cupfinal auf eigenem Eis verloren und im Final gegen Zug als erster einen 3:0-Vorsprung verspielt: Der mehrfache Weltmeister Rikard Grönborg ist als Klubtrainer ein Verlierer. Was ganz und gar nicht seinem Selbstverständnis entspricht: Er würde lieber heute als morgen in die NHL wechseln. Eine vorweihnächtliche Krise hätte ihn beinahe den Job in Zürich gekostet.
Es gibt eine bösartige, natürlich inoffizielle Kritik: Der 3:0-Vorsprung sei im Final vergeigt worden, weil die Spieler zwar nicht gegen, aber eben auch nicht für den Trainer waren. Und in drei Jahren hat Rikard Grönborg den Auftrag, junge Talente auszubilden, ganz einfach ignoriert. Er hat nur eine Möglichkeit, seine berufliche Autorität wieder herzustellen: Er muss Meister werden. Wenn er denn im Frühjahr noch im Amt und Würden ist.
Der Schwede steht nun auf dünnem Eis: Er muss eine Mannschaft zu höchsten Ehren führen, die mit Denis Malgin (zurück nach Toronto) ihren besten und wichtigsten Offensiv-Spieler verloren hat. Offensiv also weniger gut. Dafür mit dem Rückkehrer Dean Kukan defensiv besser.
Heisst es denn nicht immer, die Defensive entscheide eine Meisterschaft? Na also. Die ZSC Lions müssen nur noch diese uralte Wahrheit wieder einmal bestätigen. Und defensiv können schwedische Trainer ja. Oder?
Die ZSC Lions erreichten letzte Saison in der Qualifikation den 3. Rang, auf Qualifikationssieger Zug fehlten nur vier Punkte. Simon Hrubec sorgt auf der Goalieposition für ein erhebliches Upgrade und NHL-Rückkehrer Dean Kukan für zusätzliche Stabilität in einer Abwehr, die schon letzte Saison nur drei Treffer mehr zugelassen hat als Qualifikationssieger Zug. Die defensive Verbesserung kann den Verlust von Denis Malgin (zu Toronto) nicht wettmachen. Aber etwas abfedern.
Der Umzug in den neuen Tempel dürfte eine stimulierende Wirkung haben. Ob sich die Autorität des Trainers nach dem Finalschock erholen wird, wissen wir noch nicht. Aber alles in allem sind die Zürcher «heiss» und wir können davon ausgehen, dass Rikard Grönborg alles für den Gewinn der Qualifikation tun wird. Und nichts für die Förderung der Talente. Aber das ist wiederum eine andere Geschichte.
In einem Playoff-Final (egal wie der Stand ist) spielt man wohl kaum für oder gegen einen Trainer. Den will man einfach gewinnen. Egal wer an der Bande steht.