Vom Sommermärchen zur kalten Trennung – dieses Ende hat Pia Sundhage nicht verdient
Lange dauerte das Warten. Am Montagabend um 19.15 Uhr kam schliesslich die Entscheidung: Pia Sundhage ist nicht mehr Schweizer Nationaltrainerin. Die Trennung überrascht nach den letzten Monaten kaum. Doch wie sich der Schweizerische Fussballverband gegenüber seiner Erfolgstrainerin verhielt, sorgt für Kopfschütteln.
108 Tage ist es her, dass durch das Berner Wankdorfstadion «Pia»-Sprechchöre hallten. Das Schweizer Publikum feierte nach dem 0:2 gegen Spanien eine historische Heim-EM, in der das Nationalteam erstmals in seiner Geschichte in einen Viertelfinal vorstiess. Danach sagte Sundhage, die am Heimturnier Frieden geschlossen hatte mit der oft zurückhaltenden Art des Schweizer Publikums: «Die Reise wird weitergehen. Die Schweiz hat eine grosse Zukunft mit vielen jungen Spielerinnen.»
Sundhage eckte an, schrieb sich aber in die Geschichtsbücher
Als Pia Sundhage Anfang 2024 das Nationalteam übernahm, stand sie vor einem Scherbenhaufen. Nach der Entlassung von Inka Grings war die Nati verunsichert und die Fragezeichen gross, ob sie an der Heim-EM überhaupt konkurrenzfähig sein würde. Da zauberte Frauenfussballdirektorin Marion Daube die einstige Welttrainerin aus dem Hut. Eine Frau, die eine Heim-EM bereits mit Schweden erlebt hatte und wusste, wie man ein Nationalteam unter Druck vorbereitet.
In der Folge eckte Sundhage mit ihrer unkonventionellen Art an, auch bei den routinierten Nationalspielerinnen. Nicht alle ihre taktischen Entscheide waren unumstritten. Doch am Turnier erfüllte sie die Erwartungen nicht nur, sie übertraf sie sogar mit einer mutigen, offensiven Spielweise. Mit der besten ersten Halbzeit in der Geschichte des Schweizer Frauen-Nationalteams eroberten die Schweizerinnen im EM-Eröffnungsspiel gegen Norwegen die Herzen der Fans. Und mit dem späten Ausgleich durch Riola Xhemaili gegen Finnland schrieb sich auch die Trainerin in die Geschichtsbücher des Schweizer Fussballs.
Aus Wochen wurden Monate – Sundhage erhöhte den Druck
Doch aus der Euphorie des Sommers wurde im Herbst spürbare Ernüchterung. Es offenbarten sich zwischen der Nationaltrainerin und dem Verband unterschiedliche Auffassungen zur Zukunft. Während die Schwedin öffentlich betonte, sie wolle die Entwicklung fortsetzen, blieb der SFV stumm. Er hatte sie geholt, um die Heim-EM vorzubereiten – nicht darüber hinaus.
Sundhage aber sah angesichts der Schweizer Talente enormes Potenzial. Sie sprach von der WM 2027 in Brasilien und schwärmte von Spielerinnen wie Iman Beney oder Sydney Schertenleib, die sie auf dem Weg zur Weltspitze sieht. Gleichzeitig stellte sie für den Verbleib aber auch die klare Forderung nach vollzeitlich angestellten Assistenten.
Nach der EM begann das Warten. Wochen wurden zu Monaten. Die Trainerin redete, der Verband schwieg. Mit ihrer öffentlichen Kritik brachte sie den Verband in Zugzwang. Es ist gut möglich, dass der Zeitpunkt der Mitteilung am Montagabend auch auf sie zurückgeht. Ursprünglich hätte der SFV zu einem späteren Zeitpunkt kommunizieren wollen, doch Sundhage wäre wohl bereit gewesen, sich selbst an die Medien zu wenden.
Verband richtet den Blick nach vorn – ohne Trainerin im Rentenalter
Auf dem Platz überzeugte Sundhage derweil weiter. Mit Siegen gegen Kanada und Schottland bestätigte sie das gewachsene Selbstverständnis des Teams. Sie verzichtete auf Experimente, setzte in den Testspielen auf dieselbe Formation und dieselben Prinzipien wie an der EM. Sundhage wusste, dass sie im Ringen um eine Vertragsverlängerung Resultate liefern musste. Trotz der beiden Siege folgte nun die Trennung.
Der SFV will sich in die Zukunft orientieren – ohne die Trainerin, die in diesem Jahr ihren 65. Geburtstag feierte. Das ist als strategische Entscheidung nachvollziehbar. Sundhage war eine Trainerin für den schnellen Erfolg, nicht für den langfristigen Aufbau. Marion Daube, Präsident Peter Knäbel und der nun zum technischen Leiter der Nationalteams beförderte Johan Djourou wollen eine nachhaltige Struktur schaffen. Der Blick richtet sich weniger auf die WM 2027, sondern bereits auf die EM 2029. Dazu passt eine Trainerin im Rentenalter nur bedingt.
So verständlich die Trennung im Hinblick auf die Zukunftsplanung ist, so unverständlich ist das Verhalten des SFV gegenüber der einstigen Welttrainerin. Monatelang musste sich Sundhage gedulden, um am Ende dennoch von der Entscheidung überrascht zu werden, wie sie sagte. Gegenüber seiner Erfolgstrainerin spielte der Verband nie mit offenen Karten.
Zwischen den «Sundhage»-Rufen im Juli und der nüchternen Mitteilung «per sofort» im November liegt ein tiefer Bruch. Für Pia Sundhage endet ihr Amt beim Schweizer Nationalteam abrupt. Sie bleibt die Trainerin des Sommermärchens 2025, dieses Ende hat sie nicht verdient. (aargauerzeitung.ch)
