Der watson-Eismeister Klaus Zaugg blickt auf die neue National-League-Saison voraus, die am 14. September beginnt. In umgekehrter Reihenfolge seiner Prognose nimmt er alle Klubs der Liga unter die Lupe. Heute der elfte von 14 Teilen – der HC Fribourg-Gottéron.
2013 gewinnt Gottéron die Qualifikation und scheitert erst im Final am SC Bern. Hans Kossmann, später Meister mit dem ZSC (2018), führte das Team im Doppelmandat Trainer/Sportchef. Als er am 12. Oktober 2014 gefeuert wird, steht Gottéron ohne Titel und mit einem überalterten Team da und sollte bis auf den heutigen Tag nur noch eine einzige Playoff-Serie gewinnen.
Inzwischen ist Christian Dubé vom Spieler zum Trainer und Sportchef aufgestiegen, erstmals seit 2014 hat wieder einer im Doppelmandat alle Macht. Was uns zur bangen Frage führt: Wiederholt sich die Geschichte von 2013? Christian Dubé hat mit Nathan Marchon und Sandro Schmid gerade noch zwei wichtige Spieler, die 25 oder jünger sind. Die Leitwölfe reiten hingegen dem Sonnenuntergang ihrer Karriere entgegen: Reto Berra und David Desharnais sind 35, Ryan Gunderson, Raphael Diaz und Captain Julien Sprunger 36. Auch Andrej Bykow, Killian Mottet, Dave Sutter, Samuel Walser, Marcus Sörensen und Matthias Rossi zählen mindestens 30 Lenze.
Wahrlich, viel Zeit für Gottérons erste Meisterfeier bleibt nicht mehr. Immerhin kehrt mit Christoph Bertschy (28) einer der besten Schweizer Stürmer mit einem Siebenjahresvertrag zurück. Und entscheidet denn in den Playoffs, im Titelkampf nicht vielfach die Erfahrung? Triumphieren denn nicht die Graubärte über die Jünglinge? Eben.
Die Fans scheinen zu spüren, dass der grosse Moment kommen könnte. Das Geschäft brummt. Schon Anfang Juli waren 7500 Saisonabonnemente verkauft – Klubrekord. Die rundum erneuerte Arena wird 2026 neben dem Zürcher Hockey-Tempel das zweite WM-Stadion sein. Der ruhige, besonnene Autohändler Hubert Waeber mag nicht so charismatisch sein wie einst Jean Martinet. Aber er beschert Gottéron Struktur, Transparenz, finanzielle Stabilität und Ruhe.
Rare Güter bei einem Klub, der in seiner ganzen Geschichte meistens mehr Traumfabrik als Hockey-Unternehmen war und der das Spektakel oft in der Chefetage und in den Anwaltsbüros statt auf dem Eis aufgeführt hat.
Nun hängt alles am Doppel-Chef der Sportabteilung. Kein anderer Klub hat einem Angestellten so viele Kompetenzen und so grosse Machtfülle eingeräumt wie Gottéron Christian Dubé mit dem Doppelmandat Sportchef/Trainer. Seine Position ist mit einer Vertragsverlängerung bis 2025 sogar noch gestärkt worden. Sein Wort hat bei Gottéron noch mehr Gewicht als jenes von Erzbischof Charles Morerod in der Stadt. Obwohl der Erfolg eher bescheiden ist: Der Kanadier führt Gottéron seit sieben Jahren als Sportchef und seit zweieinhalb Jahren als Trainer. Er hat in dieser Zeit eine einzige Playoff-Serie gewonnen: letzte Saison gegen Lausanne.
Eigentlich eine miserable Bilanz. Aber Christian Dubé weiss, dass gute Unterhaltung zwischen September und März wichtiger ist als eine kurze, heftige Meisterparty im April. Noch nie hatte Gottéron in der Sportabteilung einen so guten Kommunikator und Christian Dubé spielt auf den welschen Medien wie auf einer Fidel. Er ist ein Hexenmeister der Selbstvermarktung, hat Sinn für Selbstironie, Spektakel und sportliche Dramen, sorgt in der Sportabteilung für Struktur und Ruhe und hält das Budget ein, was nur wenigen Sportchefs der Liga gelingt.
Geschickt dosiert er als Coach in der Qualifikation die Eiszeit (nur zweien mutete er letzte Saison mehr als 20 Minuten pro Spiel zu, beim SCB waren es sechs) und so bleiben die Veteranen – seine sportliche Leibgarde – frisch und tragen das Team. Und was er tun muss, um eine Wiederholung der Geschichte zu vermeiden, müsste er eigentlich wissen: Er war 2013 als Spieler dabei. Alles Menschenmögliche für den Titel ist getan. Wie schon 2013.
Bis auf Philippe Furrer (Rücktritt) sind die wichtigen Schweizer Spieler geblieben, die Ausländerpositionen weiterhin gut besetzt und Christoph Bertschy ist ein Kaisertransfer, der Gottéron in allen drei Zonen besser macht. Aber das Temperament und die Unberechenbarkeit von Chris DiDomenico (nun in Bern) werden fehlen. Letzte Saison war Reto Berra fast jeden Abend der bessere Goalie. Aber das wird nun mit den vielen ausländischen Torhütern nicht mehr der Fall sein. Doch der wahre Grund für die Zurückhaltung ist ein anderer: Die Ruhe der letzten Saison passt nicht zur wahren DNA Gottérons und zum Charakter des Drachen. Für einen Spitzenplatz reicht es trotzdem wieder. Aber nicht mehr zum 2. Rang.
Alles Gottéron!