Die ersten «maskierten» Spiele. Beispielsweise Langnau gegen Olten. Endlich wieder Hockey. Aber ist es Hockey, wie wir es kennen? Auf dem Eis schon. Aber nicht mehr auf der Tribüne.
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Ein Hockey-Tempel? Eher der Eingangsbereich für Besucher eines Atomreaktors. Wer zum Spiel will, hat sich angemeldet. Auf einer Liste kontrollieren freundliche Helferinnen und Helfer in Masken beim Eingang, ob der ältere Herr (Risikogruppe!) auch angemeldet ist. Spätestens jetzt müssen alle eine Maske tragen. Gratiseintritt. 400 dürfen kommen und 400 kommen.
Im Gebäude laufen alle Menschen in den verschiedensten Masken herum. Einige sind steril weiss, andere düster schwarz, da und dort modisch den Farben des Hemdes angepasst und erstaunlich viele tragen eine Maske mit dem Tigerlogo. Ein bisschen Hockey-Maskenball. Und doch bleibt ein beklemmendes Gefühl. Die maskierten Männer, Frauen und Kinder auf der Tribüne mahnen an Szenen aus einem Katastrophenfilm. Sollte es noch irgendjemanden geben, dem noch nicht klargeworden ist, dass wir in seltsamen, schwierigen Zeiten leben – spätestens im Hockeystadion wird es allen klar.
Stärker als der optische Eindruck wirken die Gefühle beim Tragen der Maske. Eishockey im Stadion ist ein Gemeinschaftserlebnis. Bereits die Distanz zum nächsten Matchbesucher (jeder zweite Sitz ist mit Klebeband abgesperrt) erschwert die Kommunikation. Mit Maske ist das ungezwungene Plaudern nicht mehr möglich. Hitzige Diskussionen schon gar nicht. Und im Jubel und in der Enttäuschung ist jeder in seiner eigenen Welt.
Oben auf der Medientribüne hat der Schiedsrichter-Inspizient seinen Laptop aufgebaut. Er verfolgt das Spiel selbstverständlich maskiert. Aber schon nach wenigen Minuten ist ihm unwohl. Seine Brille läuft wegen der Maske immer wieder an. Na ja, es reicht, wenn die Schiedsrichter unten auf dem Eis den ungetrübten Durchblick haben.
Es geht nicht um eine unsinnige Debatte, ob die Maskenpflicht etwas bringt oder nicht. Diese Pflicht besteht nun mal. Punkt. Aber sie spielt in der Frage, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer zum Spiel kommen werden, womöglich eine viel grössere Rolle als bisher angenommen.
Ob ich zum Spiel gehe oder nicht, ist eine rationale und eine emotionale Entscheidung. Wenn ich nach reiflicher Überlegung zum Schluss komme, dass für mich die Ansteckungsgefahr zu gross ist, dann mische ich mich nicht im Stadion unter die Leute und bleibe zu Hause. Wenn ich diese Gefahr hingegen als gering erachte, dann wird es eine emotionale Entscheidung. Ich gehe ins Stadion, weil es mir Spass macht und bleibe zu Hause, wenn es mir keinen Spass macht.
Es kann sein, dass die Maske vielleicht nur ein Spinnengewebe gegen die Gefahr ist. Wir wissen es nicht. Aber eines dürfen wir sagen: Die Maske ist ein Panzer gegen die Lust, Eishockey im Stadion live zu erleben. Mehr als zwei Stunden die Maske an einem Ort tragen, wo ich ein Gemeinschaftserlebnis und den Gedankenaustausch suche und Emotionen ausleben möchte: Dazu werden wegen der obligatorischen Maskierung nicht alle Lust haben.
Ein paar Geisterspiele im Frühjahr genügten noch nicht ganz, um klarzumachen, dass auch im Eishockey alles anders geworden ist. Der lange, schöne Sommer hat es auf dem Lande ein wenig einfacher gemacht, die dramatischen Veränderungen zu vergessen und zu verdrängen. Erst jetzt, nach den ersten Partien unter maskierten Krisenbedingungen, ist mit aller Deutlichkeit klar geworden: Das Erlebnis Eishockey, so wie wir es kannten und liebten, wird es in Zeiten der Krise auch wegen der Maskenpflicht nicht mehr geben.
Das Interesse am und die Leidenschaft fürs Eishockey werden unverändert gross bleiben. Doch die Lust, das Spiel im Stadion zu erleben, wird kleiner. Das Ziel der Klubs ist es, die Stadien mehr als zur Hälfte auszulasten und aus den Stehplatzrampen Sitzplatztribünen zu machen. In Idealfall dürfen alle verfügbaren Sitzplätze besetzt werden. Aber wir sollten das Undenkbare denken: Es ist nicht sicher, dass selbst bei diesem stark eingeschränkten Platzangebot nicht alle noch verfügbaren Tickets erkauft werden können und nicht alle ins Stadion kommen, die ein Ticket haben.
Wir lernen gerade so richtig zu schätzen, was wir verloren haben. Das Erlebnis Eishockey. Ach, waren das herrliche Zeiten, als wir wegen fehlendem Komfort im Stadion räsonierten und wegen zu langen Wartezeiten am Wurst- und Bierstand maulten.
Auch diese Krise wird vorbeiziehen. Die Rückkehr zur Eishockey-Normalität wird dereinst zum Festakt. Wir wissen nur noch nicht, wann es soweit sein wird und die Masken fallen werden.