Sport
Eismeister Zaugg

Der neue, alte Manager– der neue, alte SC Bern

Der CEO des SC Bern, Marc Luethi, spricht an einer Medienkonferenz des SCB zu sportlichen Themen und Umstrukturierungen am Mittwoch, 30. Maerz 2022 in der Postfinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Marcel B ...
Marc Lüthi am 30. März 2022 an einer Medienkonferenz.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Der neue, alte Manager – der neue, alte SC Bern

Marc Lüthi (61) steigt vom Präsidenten-Thron herab und übernimmt beim SCB wieder die Führung. Er steht vor einer noch grösseren Herausforderung als bei seinem ersten Amtsantritt im Sommer 1998.
21.04.2023, 19:5121.04.2023, 20:13
Folge mir
Mehr «Sport»

Marc Lüthi hat den SC Bern in der Neuzeit ähnlich geprägt wie Uli Hoeness den FC Bayern. Aber die Steuern immer bezahlt. Spass beiseite: Marc Lüthi steht genau so wie Uli Hoeness als Beispiel dafür, welche Bedeutung eine charismatische Persönlichkeit bei der Führung eines Sportunternehmens auch im 21. Jahrhundert hat.

Ob unten an der Seitenlinie und an der Bande oder oben im Büro, wo die Entscheidungen fallen: Alles steht und fällt mit der Kompetenz, der Erfahrung und eben auch dem Charisma, der Glaubwürdigkeit und dem Durchsetzungsvermögen des Chefs. Natürlich muss ein Sportunternehmen gut strukturiert und organisiert sein.

Aber es sind immer Persönlichkeiten und nie Strukturen und Konzepte, die die Exzellenz im Sport ausmachen. Weil ein Sportunternehmen jeden Tag kompetitiv zu sein hat. Weil die Führung eines Sportunternehmens gelebt sein muss. Weil die Führungspersönlichkeiten eines Sportunternehmens authentisch sein müssen.

Noch so kluge Selbstdarsteller und fachlich hochqualifizierte und gut ausgebildete Manager scheitern, wenn sie vom Sportunternehmen, das sie führen, nicht durchdrungen sind. Daran ist Raëto Raffainer gescheitert.

Geduld mag intern eine gute Eigenschaft sein. Aber Geduld interessiert die zahlenden Kundinnen und Kunden bei einem ganz erfolgsorientierten Sportunternehmen wie dem SC Bern nicht. Für jedes sportliche Versagen gibt es gute Erklärungen. Aber Ausreden verärgern die eigene Kundschaft. Dreijahrespläne sind gut für die interne Strategie. Aber öffentlich sorgen sie bei einem Sportunternehmen mit dem Bewusstsein eigener Grösse und Bedeutung wie dem SC Bern bloss für Spott und Hohn.

Wenn der oberste Chef – in diesem Falle Raëto Raffainer – für alles gute Ausreden parat hat, alles entschuldigt und sogar noch auf der klubeigenen Homepage erklärt, selbst eine Playoff-Qualifikation sei heute für den SCB nicht mehr selbstverständlich, dann ist ein Sportunternehmen wie der SCB verloren.

Denn wenn ganz oben für alles eine Ausrede parat ist, dann dauert es nicht lange, bis auch ganz unten – in der Kabine nämlich – jeder für alles eine Ausrede hat. Und wenn einer kommt wie Chris Di Domenico, der keine Ausreden akzeptiert, immer gewinnen will und so zum Querulanten wird, dann kommt es zum Eklat.

Bayern München findet nicht so rasch einen neuen Uli Hoeness. Der SCB findet keinen neuen Marc Lüthi. Also kehrt der alte Marc Lüthi zurück. Um dem neuen SCB wieder die alte Grösse zu geben. Allerdings unterschätzt er diese neue Herausforderung. 1998 übernimmt er einen wirtschaftlich darniederliegenden SCB. Aber der SCB ist sportlich im Kern gesund und hat erst 1997 den Titel geholt. So schwierig wie wirtschaftliche Sanierung damals nach der Nachlassstundung auch gewesen sein mag – eine sportliche Sanierung war nicht dringend erforderlich.

Nun ist der SCB nach der Pandemie wirtschaftlich wieder intakt. Aber sportlich ein viel grösserer Sanierungsfall als Marc Lüthi ahnt. Der Hochmut der drei letzten Titelgewinne (2016, 2017 und 2019) ist noch nicht verarbeitet und die Leistungskultur durch eine sportliche Misswirtschaft sondergleichen und durch völlig überforderte Trainer nachhaltig ruiniert worden. Nur Juniorencoach Mario Kogler hat seit der Entlassung vom Meistertrainer Kari Jalonen funktioniert.

Der Zorn von Marc Lüthi hat nun Raëto Raffainer und den Trainer aus dem Amt gefegt. Auch die Assistenten Mikael Hakanson und Christer Olsson werden noch gefeuert. Sie stehen ja für das völlig missglückte Experiment der antiautoritären Führung einer Mannschaft.

Nur Sportchef Andrew Ebbet darf vorerst bleiben und bekommt als Lohn für seinen schlauen Opportunismus eine zweite Chance: Er hat jeden Entscheid von Raëto Raffainer absegnen lassen und kann sich darauf berufen, ja gar keine Entscheidungskompetenz gehabt zu haben. Aber schon in wenigen Monaten wird sich weisen, ob er denn überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre, kompetent zu entscheiden.

Die unmittelbare sportliche SCB-Zukunft hängt von drei Faktoren ab.

  1. Erstens vom Torhüter. Der SCB braucht zwingend einen ausländischen Torhüter. Format Weltklasse. Dann hat auch Philip Wüthrich eine Chance, sein Potenzial auszuschöpfen. Ein ausländischer Konkurrent wird Philip Wüthrich dazu zwingen, endlich die Komfortzone zu verlassen.
  2. Zweitens von den ausländischen Spielern. Der SCB hatte nun drei Jahre hintereinander über alle Positionen gesehen und gemessen an den Möglichkeiten des Klubs die schwächsten Ausländer der Liga. Und mit dem einzigen, der dazu in der Lage war, die Mannschaft vom September bis zum März zu prägen, konnten die Trainer nicht umgehen.
  3. Drittens vom Trainer. Die nächste Trainerwahl ist die wichtigste, die Marc Lüthi je orchestriert hat. Die Kabine war nun drei Jahre lang eine Wohlfühloase. Nur ein grosser, charismatischer und kompetenter Trainer mit dem bedingungslosen Rückhalt von Marc Lüthi kann die Spieler aus dieser Komfortzone vertreiben.

Kann der SCB schon nächste Saison wieder ein Spitzenteam sein? Ja. Aber nur mit einem ausländischen Torhüter, den richtigen ausländischen Feldspielern und dem richtigen Trainer. Immerhin hat der SCB nun mit Marc Lüthi wieder den richtigen Manager. Das ist schon mal ein guter Anfang.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
1 / 13
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Despacito mit Eishockey-Spielern
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
41 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Gandalf der Weise
22.04.2023 00:35registriert Januar 2023
Die Parallelen sind frappant... ;)
Bild
486
Melden
Zum Kommentar
avatar
Darkside
21.04.2023 22:11registriert April 2014
Wäre Lüthi nicht Mitbesitzer, hätte man ihn spätestens heute mit der Entlassung Raffainers ebenfalls schicken müssen.
5314
Melden
Zum Kommentar
avatar
Nyhavn
21.04.2023 20:11registriert Mai 2021
Ironischerweise wurde der SCB Anfang letzte Saison als Transfersieger gepriesen und in den Kreis der Titelaspiranten gehievt. Es kam anders, wie wir wissen.
Dieses Larifari wieder auszutreiben ist nicht einfach. Wenn sogar Leistungsträger fragen, muss man den immer gewinnen, zeigt das, wie Tief das sitzt.
Zitat: Der SCB hatte nun drei Jahre hintereinander über alle Positionen gesehen und gemessen an den Möglichkeiten des Klubs die schwächsten Ausländer der Liga.

Wenigstens die hat Lüthi bekommen. Ob sie aber billig waren und zu Fuss kamen wie prophezeit, glaube ich nicht.
5011
Melden
Zum Kommentar
41
Luzern muss in die Abstiegsrunde – Winterthur, FCZ und St.Gallen spielen oben mit
Die Teilnehmer der Meisterrunde stehen fest. Nach der 32. Runde der Super League und dem 2:4 bei YB hat der FC Luzern keine Chance mehr auf einen Platz in den Top 6. Siege gibt es am Sonntag auch für Basel und Winterthur.

Luzern stemmte sich nochmals gegen den Fall in die Abstiegsrunde, führte im Wankdorf dank den Toren von Jakub Kadak (3. und 33.) 1:0 und 2:1. Aber innerhalb von sechs Minuten machte der Meister aus dem Rückstand ein 4:2. Meschack Elia und zweimal Joël Monteiro waren zwischen der 48. und 54. Minute die Torschützen.

Zur Story