Ambris Trainer Luca Cereda hat nach der Partie in der Kabine zwei Spieler namentlich gelobt. Er tut das nur ganz selten. Weil Eishockey ein Mannschaftsspiel ist. A«ber diesmal habe ich für Benjamin Conz und Thomas Rüfenacht eine Ausnahme gemacht.»
Gelobt wird Benjamin Conz, weil er Biel den Sieg gestohlen hat (Fangquote 96,43 Prozent!) und Thomas Rüfenacht, weil er ein leuchtendes Beispiel für Opferbereitschaft war. Der amerikanisch-schweizerische Doppelbürger wird am 22. Februar 38 Jahre alt. In den letzten zwei Jahren hat er wegen einer schweren Knieverletzung nur noch 18 Partien bestritten und im Frühjahr ist sein Vertrag beim SC Bern ausgelaufen. Aber er lässt sich nicht unterkriegen.
In Ambri hat er nach intensivem Probetraining einen Vertrag bis zum Saisonende erhalten. Während dieser Testphase musste der ehemalige Nationalstürmer einen Kieferbruch auskurieren. In Biel gelingt ihm nun mit dem 3:1 der erste Treffer für Ambri. Nachdem er in der Hitze des Gefechtes einen Zahn verloren hatte. Er beruhigt: Nur ein Stiftzahn sei ausgeschlagen worden. Kein echter Zahn.
Ambri feiert also gegen ein starkes Biel einen grossen Sieg. Aber es gibt von dieser Reise ins Berner Seeland noch mehr zu erzählen. Es entwickelt sich gerade eine höchst interessante Transfergeschichte.
Biel hat auf diese Saison vom SC Langenthal Verteidiger Luca Christen (24) mit einem Zweijahresvertrag verpflichtet. Der ehemalige Junioren-Nationalspieler hat ein immenses Potenzial. Er hatte in der Swiss League vor seinem Wechsel nach Biel zweimal hintereinander mehr als 30 Punkte pro Saison gebucht und mehr als 22 Minuten Eiszeit geschultert. Kein Brecher und Abräumer (177 cm/79 kg). Ein flinker, schlauer, zäher Offensivverteidiger mit einem vorzüglichen ersten Pass und exzellenter Stocktechnik.
In Biel will der Rechtshänder diese Saison in der höchsten Liga durchstarten. Und bleibt sitzen. Er ist bisher erst in neun Partien eingesetzt worden. Für etwas mehr als sieben Minuten pro Spiel. Wenigstens durfte er zwischendurch nach Langenthal zurückkehren (34 Spiele/23 Punkte).
Aber inzwischen ist klar: In Biel ist der Bruder von Nationalverteidigerin Lara Christen in eine Karriere-Sackgasse geraten: Neben den zwei ausländischen Verteidigern, Beat Forster, Robin Grossmann, Yannick Rathgeb, Noah Delémont, Yanick Stämpfli und Yanik Burren (er wechselt auf nächste Saison von Ambri nach Biel) wird Luca Christen auch künftig nicht zum Zuge kommen. Sportchef Martin Steinegger bestätigt, dass Beat Forster, soeben 40 Jahre alt geworden, voraussichtlich eine weitere Saison verlängern wird: «Er will und er ist gut.»
Wie wir es also drehen und wenden: Luca Christen wird die nächste Saison in Biel höchstens als Nummer 9 beginnen und erneut auf der Tribüne enden. Das Problem ist nicht, dass er zu wenig gut ist. Das Problem ist, dass es für ihn einfach keinen Platz in Biels Verteidigung hat.
Damit stellt sich die Frage: was nun? Biels Sportchef zeigt viel Verständnis. «Wir werden nach der Saison die Situation in aller Ruhe besprechen und für eine Lösung Hand bieten, die allen dient.» Martin Steinegger bedauert die Situation. Er ist nicht zu kritisieren: Zum Zeitpunkt der Verpflichtung von Luca Christen konnte er noch nicht ahnen, dass Beat Forsters goldener Karriereherbst weitergeht und die eigenen Verteidigertalente (Delémont, Stampfli) so grosse Fortschritte machen.
Die mögliche Lösung: Der Transferirrtum wird zügig, aber ohne Hast korrigiert. Der noch bis 2024 laufende Vertrag mit Luca Christen wird Ende Saison entweder aufgelöst oder es kommt zu einem Leih-Transfer.
Womit wir bei der nächsten Frage sind: Wo kann Luca Christen seine Karriere doch noch lancieren? Noch einmal darf er nicht in die gleiche Situation wie in Biel geraten. Er braucht einen Trainer, der auf ihn setzt und der es wagt, junge Spieler einzusetzen und zu fördern. In einem professionellen Umfeld. In einer Mannschaft, die leidenschaftlich ein gut strukturiertes Lauf- und Tempohockey zelebriert und nicht in taktischen Schablonen erstarrt. Und die – anders als Biel – nächste Saison in der Abwehr dringend einen jungen, spielstarken Verteidiger benötigt.
Bei Lichte besehen gibt es für Luca Christen nach Biel nur einen Klub: Ambri. Die Tessiner verlieren auf nächste Saison Yanik Burren (nach Biel) und Jannik Fischer (nach Ajoie) und bisher steht nur der Zuzug von Zugs Dario Wüthrich (23) fest. Ein kräftiger Defensivarbeiter (187 cm/92 kg) und spielerischer Hinterbänkler mit hölzernen Füssen, der in der Swiss League nie über 13 Punkte hinausgekommen ist.
Luca Christen passt perfekt zu Ambris Hockeyphilosophie und in Ambris Abwehr. Der Zufall will es, dass sich Luca Christen (er musste auch während der Partie gegen Ambri auf der Tribüne Platz nehmen) und Ambris Sportchef Luca Cereda oben im Bieler Hockey-Tempel in der Galerie über den Weg laufen. Ein vorwitziger Matchbesucher stellt Luca Christen im Scherz Ambris Sportchef vor. Mit der launigen Bemerkung, dass auf nächste Saison ein Transfer nach Ambri Sinn machen könnte.
Natürlich kennen sich Paolo Duca und Luca Christen. Ambris Sportdirektor kennt die Telefonnummer von Luca Christens klugem Berater Jaro Tuma auswendig. Er verzieht das Gesicht zu einem etwas gequälten Lächeln und sagt: «Ja, ja, schon gut, ich weiss.» Es ärgert ihn, wenn Transfergerüchte rund um Ambri verbreitet werden.
Luca Christen ist noch keine Rolex, noch keine teure Luxusuhr vom Transferwühltisch. Das wäre ein wenig übertrieben. Aber mindestens eine Swatch, die in absehbarer Zeit den Wert einer Rolex bekommen könnte. Seine Zeit in der Stadt der Uhren ist abgelaufen.