Das alltägliche Wunder – Mundart als Hockey-Amtssprache in der Schweiz
«Die Aufgabe eines Schweizer Trainers beginnt in der NLA bei 0:1 und nicht bei 0:0.»
So hat es einst Peter Zahner, einer der Absolventen des Nationalliga-Trainerkurses, 1991 in seiner Diplomarbeit festgehalten. Zahner, der später als Sportdirektor des Verbandes der Architekt des Schweizer Juniorenwunders und ab 2007 der modernen ZSC Lions wird, hatte untersucht, warum Schweizer Trainer in der höchsten Liga keine Chance haben.
Die Meinung der Macher in den Klubs scheint noch Anfang der 1990er-Jahre gemacht: Hände weg von Schweizer Trainern. Die zwei berühmtesten Schweizer Bandengeneräle – Ruedi Killias und Simon Schenk – erzielen zwar Erfolge mit der Nationalmannschaft. Aber als Klubtrainer scheitern sie im Alltagsgeschäft der höchsten Liga.
Rückkehr in die Gegenwart. Mehr als 30 Jahre nach der ernüchternden Analyse von Peter Zahner. Samstag, 27. September 2025, in den Kabinengängen (Katakomben) des Hockey-Tempels in Zug. Kurz nach 22 Uhr. Zug hat in der Verlängerung 2:1 gegen die ZSC Lions gewonnen. Es ist die Partie zwischen den erfolgreichsten Mannschaften der letzten fünf Jahre. Die ZSC Lions sind nicht nur Titelverteidiger – als Sieger der Champions League auch die Nummer eins in Europa. Wahrlich, ein Spitzenspiel.
Es ist noch gar nicht so lange her, da konnte sich ein Chronist oder eine Chronistin ohne Kenntnis einer Fremdsprache (Englisch) nach einer solchen Partie nicht mit den Trainern unterhalten. Aber nun parlieren sowohl der Trainer der Zürcher als auch der Zuger in … Mundart.
Mit Arno Del Curto, dem Urvater der Schweizer Trainer, war eine Unterhaltung in Mundart zwar auch schon vor 20 Jahren nach einem Spitzenspiel möglich. Aber er war noch ein Exot. Erfolgreich zwar (Meister in Davos 2002, 2005, 2007, 2009, 2011 und 2015), aber in seiner Art ein Unikum und in der Wahrnehmung von uns Flachländern eigentlich nur in Davos oben möglich. Und eine lockere Unterhaltung im Meisterschaftsalltag war mit dem Nonkonformisten, dem Medienauftritte lästig waren wie ein Zahnarztbesuch, eigentlich eher die Ausnahme als die Regel.
Und nun geben da in Zug zwei Schweizer Trainer mit der ruhigen Gelassenheit und Selbstverständlichkeit Auskunft wie weitgereiste, berühmte ausländische Branchenkollegen. Als Chefs von zwei Teams mit grossen Egos. Marco Bayer und Michael Liniger haben ihren Job in Zürich und Zug nicht als Titanen dieses Geschäfts begonnen. Sie hatten zuvor noch nie ein Team in der höchsten Liga geführt.
Können Trainer mit kleinen helvetischen Namen Teams mit grossen Namen (Egos) führen? Das war eine berechtigte Frage. Sie können es. Die Momentaufnahme in Zug steht für ein alltäglich gewordenes Hockey-Wunder: Die Schweizer Trainer sind auch im Alltag der Liga ganz oben angekommen.
Marco Bayer (53) und Michael Liniger (45) sind sehr ähnliche Trainer-Typen. Sie haben nach einer schönen Spielerkarriere ihren Schulsack durch eine gute Ausbildung gefüllt. Sie sind zwar keine charismatischen Bandengeneräle. Toben und Einschüchtern ist ihre Sache nicht und anders als ein Marc Crawford oder Josh Holden würden sie tobend nicht ernst genommen. Aber sie kennen ihre Spieler sehr gut, arbeiten akribisch und sind fachlich so kompetent, dass bald jedem in der Kabine klar wird: Das sind Trainer, die uns helfen, besser zu werden.
Die ZSC Lions und Zug sind nicht dort, wo sie sein möchten. Die Zürcher sind als Titelverteidiger nach der vierten Niederlage in Serie auf Rang sieben abgerutscht, die Zuger, die eine Erneuerung ihres Ruhmes anstreben, auf Platz fünf klassiert. Beide befinden sich nach wie vor in einer «Findungsphase», die durch die Absenz von wichtigen Spielern (Diaz, Riva, Bengtsson, Schlumpf bei Zug; Fröden, Andrighetto, Grant, Andreoff beim ZSC) erschwert wird.
Eine besorgniserregende Verunsicherung ist in diesem Spitzenspiel weder bei den Zürchern noch bei den Zugern zu spüren. Beide Teams sind gut ausbalanciert. Das spricht für die Autorität der Trainer, für die Reife und die Leistungskultur. Und es sind die einheimischen Spieler, die diese Partie prägen. Das 0:1 erzielt Denis Malgin (7.). Was den Erwartungen entspricht. Er ist der talentierteste Schweizer der Liga.
Der Ausgleich zum 1:1 (45.) gelingt Loris Wey (19) mit seinem 1. Saisontreffer. Er stürmt in der 4. Linie, sitzt mit 7:09 Minuten nur am spielerischen Katzentisch und steht als Beispiel für eine unterschätzte Qualität unseres Hockeys, die den Klubs helfen könnte, die Saläre ein wenig zu deckeln: Es gibt mindestens 30 Talente im Alter von 19 bis 25 Jahren, die in der höchsten Liga Rollenspieler sein könnten. Wenn sie denn Eiszeit und Vertrauen bekämen.
Den Siegestreffer erzielt mit Sven Senteler ebenfalls ein Schweizer ohne Star-Status. Zugs berühmte ausländische offensive Titanen spielen in dieser Partie keine Hauptrolle und kommen zu keinem einzigen Skorerpunkt.
Leonardo Genoni ist mit einer Fangquote von 95,83 Prozent – wie schon am Freitagabend beim 4:0 in Ambri – erneut Zugs mit grossem Abstand wichtigster Einzelspieler und verhindert, dass es in dieser schwierigen Phase zu Verunsicherung oder gar einer Krise kommt. Der einzige Ausländer mit starkem Einfluss auf die Partie ist Zürichs Meistergoalie Simon Hrubec (91,30 % Fangquote).
Mag sein, dass Michael Liniger und Marco Bayer ihren Job – im Sinne der Analyse von Peter Zahner – auch noch nicht mit 0:0 und in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht mit 0:0,5 begonnen haben. Aber die neue Schweizer Trainergeneration hat inzwischen – wie die ausländischen Kollegen – genug Selbstvertrauen, um Skepsis zu ignorieren.
Eigentlich ist all das kein Wunder: Die National League ist die höchste Spielklasse im Land des WM-Finalisten von 2024 und 2025 mit Patrick Fischer, einem einheimischen Nationaltrainer.
Also ist es logisch, dass die Trainer Mundart reden und die ausländischen Spieler nicht automatisch in jeder Partie besser sind als die Schweizer. Oder?
PS: Der Kauf eines Wintermantels ist für Marco Bayer und Michael Liniger keine riskante Investition.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
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Er ist
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