Jussi Tapola ist einer der grossen Bandengeneräle ausserhalb der NHL. Seit zehn Jahren gelingt ihm fast alles, seit zehn Jahren eilt er von Erfolg zu Erfolg. Fast wie der grosse Napoléon, der nach seinem erfolgreichen Italienfeldzug Ende der 1700er-Jahre auf Europas Schlechtfeldern von Triumph zu Triumph eilte. Bis er sich 1812 in seiner Selbstüberschätzung gegen Russland wandte und unterging. Obwohl er bis Moskau gekommen war. «Mit Mann und Ross und Wagen hat sie der Herr geschlagen.»
Wird Bern 2024 für Jussi Tapola, was Moskau 1812 für Napoléon war? Obwohl der Finne bis ins 6. Viertelfinalspiel gekommen ist. Was keinem SCB-Trainer seit Kari Jalonen im Frühjahr 2019 gelungen ist.
Das mag nun alles gar pathetisch und weit hergeholt klingen. Aber die Frage ist für einmal vor dem vielleicht letzten Spiel der Saison für den SCB-Bandengeneral interessant. Die stets gut informierte Berner Zeitung hat nach dem 6. Spiel geschrieben: «Dem SCB gelang die defensiv bislang wohl beste Leistung unter dem Finnen. Und auch die sechste Partie dieser Serie zeigte einmal mehr auf, dass der Goalie praktisch ein Nullfaktor ist beim SCB. Und es damit auch fast keine Rolle spielt, ob Adam Reideborn oder Philip Wüthrich im Tor steht.»
Der Torhüter ein Nullfaktor? Es spielt also praktisch keine Rolle, ob Philip Wüthrich im 7. Spiel im Tor steht? Ist das nicht völlig absurd? Absurd ja, wenn wir davon ausgehen, dass eigentlich jeder Trainer der Welt dem Torhüter, der Spiel 6 «zu null» gewonnen hat, auch im 7. Spiel das Vertrauen schenkt. Erst recht in diesem Fall: Spielt Philip Wüthrich, kann der SCB sechs ausländische Feldspieler einsetzen. Steht der Schweden Adam Reideborn im Kasten, nur fünf.
Jussi Tapola tickt als «Napoléon der Hockeytrainer» eher wie der grosse Korse als wie ein gewöhnlicher Hockey-Trainer. Es mag unwahrscheinlich sein, dass er im 7. Spiel nicht auf Philip Wüthrich setzt. Aber es wäre keine Überraschung, wenn Jussi Tapola sich anders entscheidet, als die ganze Hockey-Welt erwartet.
Tut er das, pokert er hoch, pokert er um seinen Job. Gewinnt er mit Adam Reideborn, dann ist er der grösste Bandengeneral seit Scotty Bowman. Um nochmals den Vergleich zu bemühen: Dann ist er grösser als Napoléon.
Aber eine Niederlage in Zug mit Adam Reideborn wird unweigerlich eine Entwicklung in Gang setzen, an deren Ende wieder einmal ein SCB-Trainerproblem stehen wird. Dann wird selbst eine ehrenvolle Niederlage in Zug so sein wie das Drama an der Beresina für Napoléon beim Rückzug aus Russland.
Napoléon war auch Kaiser der Franzosen und konnte sich – mit Unterbruch – noch zwei Jahre bis 1815 an der Macht halten. Jussi Tapola ist nicht der Kaiser von Bern. Er ist der Trainer von Sportchef Andrew Ebbett. Der Kanadier ist abgesetzt worden und nun werden Obersportchef Martin Plüss und Untersportchef Patrik Bärtschi die neuen Vorgesetzten des SCB-Trainers. Sie werden im Falle einer Niederlage in Zug nicht zwei Jahre bis zur Absetzung des Trainers warten.