Meisterfeiern des FC Bayern München auf dem Marienplatz haben etwas Routinemässiges. Spieler wie Manuel Neuer, Thomas Müller oder Joshua Kimmich dürften Mühe haben, aus dem Stegreif aufzuzählen, wie oft sie schon mit der Meisterschale auf dem Balkon standen und in die Menge winkten.
Doch für manch einen im Bayern-Kader war das Gefühl neu. Und mittendrin stand am Sonntagnachmittag einer da oben, der im Sommer seinen 32. Geburtstag feiert, der hunderte Tore auf höchster Stufe erzielt, aber bisher noch nie einen Titel gewonnen hat: Harry Kane.
«Es war ein grandioses Erlebnis», schwärmte der Weltklasse-Stürmer gegenüber der BBC. «Natürlich habe ich solche Feiern schon aus der Ferne gesehen, aber bis man es selbst erlebt hat, ist es schwer in Worte zu fassen.»
Kane ging bis vor zwei Jahren für Tottenham Hotspur auf Torejagd. Drei Mal war er Torschützenkönig der Premier League, doch auf einen Titel wartete er vergebens. Als Captain und Rekordtorschütze der englischen Nationalmannschaft stand er in zwei EM-Finals – und verlor beide.
Der Wechsel nach München sollte 2023 die Wende bringen, schliesslich hatten die Bayern ein Abonnement auf den Meistertitel gelöst. Doch ausgerechnet als Kane da war, riss die Serie von elf Titelgewinnen in Folge und Leverkusen eroberte die Schale. Hatte der Fluch des Harry Kane den FC Bayern erreicht?
Nein. Denn mit einem Jahr Verspätung ist nun doch eingetroffen, was sich der Engländer bei seinem Transfer ausgerechnet hatte. Er wurde mit Bayern München Meister. Endlich! «Es war, als ob ein Schalter umgelegt wurde und plötzlich waren sehr viele Emotionen da, viel Freude», schildert Kane den Moment, als nach Leverkusens verpasstem Sieg vor zwei Wochen gegen Freiburg die «Sofa-Meisterschaft» feststand. «Wir hatten da einen richtig tollen Abend.»
Aus dem Unvollendeten wurde ein Vollendeter. Wobei Kane selber das etwas anders sieht. «Aus meiner Sicht ist meine Karriere immer noch dieselbe. Ich versuche nach wie vor, jedes Jahr besser zu werden. Aber ich denke, dass die öffentliche Wahrnehmung jetzt vielleicht etwas anders sein wird.» Der 31-jährige Londoner gab dann aber doch auch zu, dass er «wahrscheinlich eine Erleichterung verspüre, dass ich das jetzt hinter mir habe».
Harry Kane blickte im Gespräch mit der BBC nicht nur zurück, sondern auch nach vorne. Was ist dran mit den Gerüchten, dass er nun zurück in die Premier League wechselt? Nicht viel, glaubt man dem Angreifer. «Ich geniesse meine Zeit hier sehr und denke nicht daran, woanders zu sein», betonte Kane.
Der Torhunger ist gestillt – der Titelhunger längst nicht. Zwei Jahre bleiben Kane in München, um weiter zu jagen.