Der «Fall Herzog» – wenn Richter den Hockey-Verstand verlieren
Eishockey ist ein gefährlicher Sport. Das wissen die Klubkassiere am besten: Die Unfallversicherungen führen Eishockeyprofi in der höchsten Risikoklasse mit den höchsten Prämien. Kanadas Nationaldichter Al Purdy hat einmal geschrieben, Eishockey sei eine Mischung aus Ballett und Mord.
Das Spiel ist heute so schnell wie nie. Die Spieler sind so kräftig wie nie. Die Aufprallenergie steigt im Quadrat zum gesteigerten Tempo. Gehirnerschütterungen sind das grösste Gesundheitsrisiko. Angriffe gegen den Kopf des Gegenspielers eine hockeytechnische «Todsünde».
In den Verbandsbüros werden Broschüren gefertigt und T-Shirts mit der Botschaft «Respekt» bedruckt. Von Kindesbeinen an werden die künftigen Stars ermahnt, die Gesundheit der Gegenspieler zu respektieren. Und auf jeden Fall und unter allen Umständen Angriffe gegen den Kopf zu unterlassen Solche Checks können fatale Folgen haben und Karrieren beenden.
#Disciplinary
— National League & Swiss League (@NLSLOfficial) February 18, 2021
Fabrice Herzog vom @HCDavos_off wird wegen eines Checks gegen den Kopf von Eric-Ray Blum vom @scbern_news im Spiel der #NationalLeague vom 14.02.2021 für acht Spiele gesperrt und mit CHF 11’150.- gebüsst. Zwei Spielsperren hat Herzog bereits verbüsst. pic.twitter.com/OxGpYDD6t9
Und nun streckt ein «Wiederholungstäter» einen Gegenspieler ohne jede Not mit einem fürchterlichen Check gegen den Kopf nieder. Das Foul von HCD-Powerstürmer Fabrice Herzog gegen SCB-Verteidiger Eric Blum gehört zu den übelsten der jüngeren Geschichte.
Wenn es je ein Vergehen gegeben hat, das mindestens 10 Spielsperren verdient, dann dieses Foul von Fabrice Herzog.
Die Hockey-Richter haben ihn mit 8 Spielsperren «belohnt». Sie waren milde.
Drakonische Strafen, die beim Volk gut ankommen, wie den Sünder so lange «aus dem Verkehr ziehen» wie der verletzte Spieler ausfällt, oder 20 Spielsperren, sind unsinnig.
Eine Sanktion im Rahmen der Hockeygesetze wird problematisch, wenn sie in ein Berufsverbot mündet. 20 Spielsperren sind vor diesem juristischen Hintergrund nicht haltbar. Den Hockeyrichtern sind also die Hände gebunden. Aber sie können immerhin ihren begrenzten Spielraum ausreizen. 10 Spielsperren sind möglich.
Wenn die Hockeyrichter bei einem so üblen Foul mit so schwerwiegenden Verletzungsfolgen – wann Eric Blum wieder gesund sein wird, weiss niemand – diesen Spielraum nicht ausnützen und es bei 8 Sperren bewenden lassen, dann gibt es nur eine Bewertung: Fehlurteil mit fatalen Folgen.
Formaljuristisch ist der «Fall Herzog» korrekt abgehandelt worden. Mag sein, dass es im Hinblick auf die Ewigkeit unerheblich ist, ob Fabrice Herzog 8 oder 10 Spiele zuschauen muss. Aber für die Signalwirkung ist es aus zwei Gründen erheblich, ob es 8 oder 10 Partien sind.
Erstens entfällt ein Teil der heilsamen Abschreckung. Ich war böse. Ich war rücksichtslos. Meinen Gegenspieler hat es übel erwischt. Die Empörung in der Hockeygemeinde ist allenthalben gross. Aber so schlimm wird es wohl doch nicht gewesen sein. Es hat ja bloss 8 Sperren abgesetzt. Auf geht’s!
Zweitens. Stars wie Fabrice Herzog sind Vorbilder für die Hockey-Jugend. Alle Ermahnungen, die Gegenspieler zu respektieren und vor allem Angriffe auf den Kopf zu vermeiden, verlieren ihre Wirkung, wenn solche üblen Regelübertretungen wie im «Fall Herzog» milde beurteilt werden.
Tief in der Seele, in der DNA des Hockeys schlummert eine archaische Roh- und Wildheit. Eine Verherrlichung von Härte und Gewalt. Das macht sogar einen Teil der Faszination dieses Spiels aus.
Folge uns hier auf Instagram.
Aber wenigstens von den Hockeyrichtern sollte man verlangen können, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind, dieser Faszination nicht erliegen und mit klarem Hockey-Verstand urteilen.
Im «Fall Herzog» hatten sie diesen Verstand nicht.