Wir erinnern uns an die Führungsstruktur, mit der die Führung des SC Bern nach Jahren des Ruhmes mit drei Titeln in vier Saisons (2016 bis 2019) die Erneuerung versuchte: Raëto Raffainer wird im Januar 2021 strategischer Sportchef (Obersportchef) und unter ihm bald darauf der frühere Spieler Andrew Ebbett Sportchef (Untersportchef).
Die Voraussetzungen und Strukturen sind bei YB andere und auch die Funktionen sind nicht genau gleich: Der bisherige Sportchef Christoph Spycher rückt in den Verwaltungsrat auf, behält seine Position in der Geschäftsleitung und ist verantwortlich für die Sportabteilung. Und der neue Sportchef Steve von Bergen war bisher bei YB in verschiedenen Trainerfunktionen tätig. Die neue Struktur ist für drei Jahre fixiert.
Und doch sind die Mechanismen recht ähnlich wie beim SCB: Nun, da nach vier Jahren des Ruhmes mit vier Titeln etwas Gewitterwolken aufziehen, ist es kommod, wenn die Verantwortung in der Sportabteilung nicht mehr einer allein schultern muss. Nichts ist im Sportbusiness schwieriger als das «Nachladen»: die Erneuerung einer über eine längere Zeit erfolgreichen Mannschaft.
Das war auch beim SCB so, als der kluge Karrierist Raëto Raffainer bei seiner Anstellung als strategischer Sportchef (Obersportchef) sogleich einen Sportchef (Untersportchef) haben wollte – und mit Andrew Ebbett einen bekommen hat. Ganz allein die sportliche Verantwortung beim grössten Hockeyunternehmen der Schweiz in Zeiten der Krise schultern? Nein, lieber nicht.
Nun, da die SCB-Transferoffensive zumindest mit Schweizer Spielern abgeschlossen ist, darf Andrew Ebbet ohne direkte Aufsicht schalten und walten. Und wenn der Erfolg ausbleiben sollte und im Herbst Fragen nach der Transferpolitik kommen sollten, dann kann der zum SCB-Manager aufgestiegene Raëto Raffainer sagen, man müsse in dieser Sache den Sportchef kontaktieren.
Raëto Raffainer ist inzwischen als Nachfolger von Marc Lüthi zum höchsten SCB-Chef befördert worden. Und auch hier haben wir wieder dieses interessante bernische Führungs-Doppelspiel: Marc Lüthi steigt vom Manager zum Präsidenten des Verwaltungsrates auf. Womit wir eigentlich beim SCB künftig einen Obermanager (Marc Lüthi) und einen Untermanager (Raëto Raffainer) haben werden. Es ist ja kein gemeiner Schuft, der sagt, Marc Lüthi werde als Präsident hin und wieder im Tagesgeschäft dreinreden. Oder?
Was wir in Bern beim SCB und YB gerade beobachten können, entspricht durchaus einem Trend und ist schon einer näheren Betrachtung wert: Klubs sind längst Unternehmen geworden und die Führung wird sportlich, politisch und wirtschaftlich immer anspruchsvoller.
Wer freundlich ist, sagt: Je mehr sportliches Fachwissen in die Führungsetage geholt werden kann, umso besser. Wer ein wenig boshaft ist, sagt hingegen: Je mehr Arbeitsplätze in einem Sportunternehmen geschaffen werden, desto mehr ehemalige Spieler und Kollegen finden Lohn und Brot. Die Nordamerikaner sagen diesem System: «The Old Boys Network».
Sportunternehmen gelingt es – im Gegensatz zu vielen anderen Firmen – die Organisation auszubauen. Das ist beim SCB und YB nicht anders.
Hockey- und Fussballclubs sind in den beiden höchsten Ligen als Aktiengesellschaften konstituiert. Geführt werden sie in der Regel von einem Manager und einem Sportchef. Die Besonderheit von Sportfirmen: Fast alle schreiben jedes Jahr rote bis tiefrote und nur wenige knapp schwarze Zahlen. Aber fast alle haben einen Götti oder eine Gotte oder beides, die Jahr für Jahr den Verlust ausgleichen. Und in der Not kann ja immer noch bei den Fans mit Bettelaktionen Geld geholt werden.
Dem Verwaltungsrat obliegt in einer Aktiengesellschaft die strategische Führung des Unternehmens. Also der langfristigen Planung. Und in einem gewissen Sinne auch die Aufsicht über die Gänge und Läufe im Geschäft.
In einem Sportunternehmen haben die Manager und Sportchefs traditionell zu viel Freiheiten und Macht. Um es etwas polemisch zu formulieren: Die Manager und Sportchefs tun so, als seien Hockey oder Fussball ein gar schwieriges und kompliziertes Geschäft, das normale Menschen nicht verstehen. Nur sie, die Manager und Sportchefs, seien dazu in der Lage, die Dinge zu durchschauen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Weil nur sie die ach so wichtigen internationalen und sonstigen Beziehungen in diesem Geschäft haben. Das alles sei viel zu kompliziert für die Verwaltungsräte.
Was beim SCB und YB nun sehr interessant ist: Der vormalige Sportchef Christoph Spycher rückt in den Verwaltungsrat auf. Was eigentlich eine klare Aufwertung der strategischen Führung im sportlichen Bereich bringt.
Beim SCB sitzt mit dem ehemaligen Nationalmannschafts-Captain und NHL-Profi Mark Streit seit Mai 2020 auch ein Mann mit immenser Sport-Kompetenz im Verwaltungsrat. Der ehemalige SCB-Junior ist zudem SCB-Mitbesitzer. Bewirkt hat er in der strategischen SCB-Führung bisher null und nichts: Die schwerste sportliche SCB-Krise seit dem Wiederaufstieg (1986) hat Mark Streit als Verwaltungsrat mitzuverantworten.
Christoph Spycher wie Mark Streit? Nein. Ganz und gar nicht. Im sportlichen Bereich ist YB im Management strategisch und im Tagesgeschäft nach wie vor besser aufgestellt. Anders als Mark Streit bringt Christoph Spycher reiche Führungserfahrung im Sportbusiness mit.
YB wird die vier Jahre des Ruhmes nun mit dem «System Ober- und Untersportchef» besser verarbeiten als der SCB.
Aber das Konfliktpotenzial bei zwei starken Persönlichkeiten in einer Sportabteilung ist erheblich.