1,5 Sekunden vor Schluss schenken Ramon Untersander, Colton Sceviour und Josh Teves Biel den Sieg und den Halbfinal. Noch nie in unserer Playoff-Geschichte (seit 1986) hat eine Mannschaft so dumm verloren.
Gut gecoachte und geführte Teams entwickeln gute Gewohnheiten. Erfolgreich sein ist auch die Summe guter Gewohnheiten. Gute Gewohnheiten werden Tag für Tag gehegt, gepflegt und eingeübt.
Der SCB verliert 1,5 Sekunden vor Schluss gegen Biel. Nicht durch eine zwingende gegnerische Aktion. Nicht durch eine Laune der Hockey-Götter. Nein, dieses klägliche Ende hat rein gar nichts mit Glück oder Pech zu tun. Sondern ausschliesslich mit schlechten Gewohnheiten. In diesen Schlusssekunden liegt die ganze SCB-Wahrheit. Es lohnt sich, noch ein wenig bei dieser Szene zu verweilen.
Wenn Ramon Untersander die Scheibe nicht wegschlägt, ist ihm kein Vorwurf zu machen. Dass er sie unsorgfältig Richtung Josh Teves hinüberschiebt, ist fahrlässig. Wie Josh Teves und Colton Sceviour dann den Puck verlieren und Mike Künzle den Siegestreffer ermöglichen, ist die Folge schlechter Gewohnheiten. In letzter Konsequenz die Folge eines nun schon ins vierte Jahr gehenden sportlichen «Larifari-Betriebes» und der Unfähigkeit des Managements, alle Ausländerpositionen richtig zu besetzen. Richtiges Verhalten in diesen letzten Sekunden gehört zu den guten Gewohnheiten der Spieler eines gut gecoachten und geführten Teams.
Was wäre das für ein Geschrei, wenn diese Zirkus-Szene junge SCB-Talente aufgeführt hätten? Gut, dass wenigstens nicht Joshua Fahrni, Fabian Ritzmann und Mika Henauer schuld sind. Sonst gäbe es schon wieder eine Ausrede: Wenn der Routinier Ramon Untersander und unsere Ausländer auf dem Eis gestanden hätten, wäre das sicher nicht passiert.
Als Josh Teves am 7. Februar verpflichtet wird, meldet sich Sportchef Andrew Ebbett auf der offiziellen SCB-Homepage zu Wort: «Wir haben Josh Teves während einiger Wochen beobachtet. Er passt ins Profil und wir sind froh, konnten wir mit dem Spieler und Jyväskylä eine Lösung finden. Josh bringt uns mehr Breite in der Abwehr.»
Nach wochenlangem Suchen rekrutiert der SCB einen kanadischen Verteidiger, der bei keinem anderen Klub der National League einen Stammplatz hätte, höchstens in der Breite etwas bringt und nun das Saisonende mitverschuldet hat. Das Scouting beim SCB ist verbesserungsfähig.
Die Pre-Playoffs gegen Kloten und der Viertelfinal gegen Biel haben den SCB entlarvt: Diese Spiele im Leistungsreizklima (Motivation ist in dieser Phase nicht mehr erforderlich) haben aufgezeigt, dass der SCB nicht nur eine der teuersten, sondern eben auch theoretisch eine der besten Mannschaften des Landes hat.
Diese Mannschaft, teuer wie ein Meisterteam und gut genug, um mit ein wenig Beistand der Hockey-Götter und gut gecoacht mindestens den Final zu erreichen, taumelt und stolpert durch die Qualifikation und beschert dem SCB den tiefsten Zuschauerschnitt seit 2005. Der SCB muss mit dem grössten Publikum Europas mehr als jeder andere Klub auf Leistung in der Qualifikation achten. Der SCB verdient mehr Geld mit zahlenden Kunden als jeder andere Klub. Die Einnahmen werden zwischen September und Anfang März erwirtschaftet. Die Playoffs sind lediglich Zugabe.
Die Glaubwürdigkeit wird aufs Spiel gesetzt, wenn erst der General Manager und später auch noch der Präsident zum Gaudi des Publikums Zirkus-Auftritte mit verbalem Blitz und Donner in der Kabine und in der VIP-Loge zelebrieren. Um die Spieler zur Räson zu bringen. Solche Auftritte schaden der Autorität des Cheftrainers. Dass der sportliche «Larifari-Betrieb» vom Sportchef, vom General Manager, vom Verwaltungsrat und vom Präsidenten geduldet wird, zeigt das Kernproblem im grössten Hockey-Unternehmen des Landes mit fast 60 Millionen Umsatz: die Führungsschwäche.
Die Frage ist berechtigt: Warum wird diese sportliche Mangelwirtschaft geduldet? Weil die Ausredenkultur seit der Ankunft von Raëto Raffainer bei keinem anderen Klub so wunderbar entwickelt ist wie beim SCB. Wenn die sportliche Führung alles entschuldigt, von Mehrjahresplänen schwärmt und um Geduld bittet – Leistungsprinzip morgen und übermorgen, aber noch nicht heute – dann greift diese Mentalität irgendwann auf die Kabine und die Coaches über, die inzwischen jedes Jahr gewechselt werden. Erst recht, wenn fehlende Leistung meistens keine Konsequenzen hat.
Am kurzweiligsten hat sich die SCB-Kultur bei Chris DiDomenico offenbart: Der spektakulärste SCB-Einzelspieler ist mit seiner Leidenschaft, seinem unbedingten Siegeswillen zum Störfaktor geworden. Wie Chris DiDomenico tickt, ist eigentlich weitherum bekannt. Er hat vor seinem Wechsel nach Bern schon sieben Jahre in der Schweiz gespielt. Hat Andrew Ebbett nicht gewusst, wen er sich da ins Haus holt? Dann hat er seine Hausaufgaben nicht gemacht. Und was ist eigentlich in der SCB-Garderobe los? Ist denn da niemand, der einen Querulanten – so er denn einer ist – in die Schuhe stellt?
Sportchef Andrew Ebbett hat die Mannschaft zusammengestellt. Sie hat nicht funktioniert. Ist er dazu in der Lage, dafür zu sorgen, dass sie ergänzt mit dem richtigen Trainer und den richtigen Ausländern nächste Saison von September bis zu den Playoffs funktioniert? Das müssen Marc Lüthi und Raëto Raffainer entscheiden. Grundsätzlich gilt: neue Saison, neues Glück. Aber wer zweifelt, ist kein Schuft.
Der SCB ist konzipiert als Sportunternehmen mit einer Gastroabteilung. Das Kerngeschäft ist und bleibt der Sport. Weil der Sport dem SCB die Identität gibt. Aber der SCB wird immer mehr ein Gastrounternehmen mit einer Sportabteilung. Die Bernerinnen und Berner sind geduldig. Aber auf Dauer funktionieren Zirkus und Medienpräsenz ohne sportliche Glaubwürdigkeit in Bern nicht. Der Weg zurück zur Glaubwürdigkeit kann sehr, sehr lange werden. Der SCB ist wegen der Konkurrenz durch YB nicht mehr die erste sportliche Adresse im Bernbiet. Nicht einmal mehr im Eishockey. Die erste Hockey-Adresse im Kanton ist jetzt Biel und junge, entwicklungsfähige Spieler wechseln lieber nach Langnau.
Der Optimist, der die SCB-Ausreden glaubt und verinnerlicht hat, sagt: Die Pre-Playoffs und die Playoffs haben dem SCB ein versöhnliches Saisonende beschert und zeigen, dass der SCB auf dem richtigen Weg ist. Weiter so! Nächste Saison wird es ganz sicher besser!
Der Realist mit kritischem Verstand sagt: Der SCB hat ein gravierendes Führungsproblem. Der SCB verliert immer mehr seine Identität. Der SCB hat zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Playoff-Serie gegen ein Team aus dem Kanton Bern verloren. Die Pre-Playoffs und die Playoffs haben den SCB entlarvt. Und 1,5 Sekunden vor Schluss auch noch die ganze SCB-Wahrheit offenbart.