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Stefan Mair: Der schwierigste Job für Klotens neuen Trainer

28.03.2022- Swiss Hockey League at Stimo Arena, Kloten - 1/2 semifinal - EHC Kloten vs Thurgau - Stephan Mair HC Thurgau Coach Kloten stimo arena Z
Stefan Mair hat beim Stellenantritt vom nächsten Montag alles gegen sich, was ein Trainer gegen sich haben kann: die Vergangenheit, die Zukunft, den Verwaltungsrat, den Sportchef und mit ziemlicher Sicherheit auch einige Spieler.Bild: www.imago-images.de
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«Gelackmairt» – der schwierigste Job der neueren Hockeygeschichte für Klotens Trainer

Klotens neuer Trainer Stefan Mair (56) hat schon vor dem ersten Spiel alles gegen sich, was ein Trainer überhaupt gegen sich haben kann. Keine Polemik. Einfach eine wundersame Geschichte, wie sie nur in unserem Hockey geschrieben werden kann.
28.01.2024, 05:4528.01.2024, 15:19
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Der Beruf des Hockeytrainers (oder Coaches) gehört zu den schwierigsten der Welt. Warum das so ist, soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Es ist, wie es ist. Aber wenigstens ist beim Stellenantritt eines Trainers alles gut. Der neue Mann wird allenthalben gelobt. Vom Management, vom Verwaltungsrat, vom Sportchef, von den Spielern, von den Betreuern und in der Regel auch von den Chronisten. Aus gutem Grund: Das Management, der Verwaltungsrat und der Sportchef sind für die Anstellung verantwortlich und der ehrlichen Überzeugung, den besten Mann gefunden zu haben. Die Spieler rühmen sowieso. Täten sie es nicht, riskieren sie unter dem neuen Chef einen Platz auf der Tribüne. Und letztlich sind auch die Chronisten freundlich: Sie werden ja viel mit ihm zu tun haben. Kurzum: Alles wird besser. Ein neuer Trainer hat viel Kredit und ab und zu ist dieser Kredit auch noch nach zwei oder drei Jahren nicht aufgebraucht.

Nur einem gönnen die Hockeygötter alle diese Start-Privilegien nicht: Klotens neuem Trainer Stefan Mair (56). Er hat beim Stellenantritt vom nächsten Montag alles gegen sich, was ein Trainer gegen sich haben kann: die Vergangenheit, die Zukunft, den Verwaltungsrat, den Sportchef und mit ziemlicher Sicherheit auch einige Spieler. Und den Chronisten sollte er in dieser Situation auch nicht trauen.

Wer trägt die Verantwortung für diese kuriose Situation? Wenn das so klar wäre, würde eine gepfefferte Polemik nicht ausbleiben. Aber hier haben wir es weitgehend mit einer Laune der Hockeygötter zu tun. Mit der Unberechenbarkeit, die dem Hockey eigen ist.

Kloten verliert unter Trainer und Sportchef Larry Mitchell acht Partien hintereinander: gegen Lugano (2:6), die Lakers (3:5), den SCB (1:4), Gottéron (1:7), Biel (0:4), Lausanne (1:5), Langnau (2:5) und Ambri (1:4). Die Mannschaft befindet sich in einer höchst besorgniserregenden Verfassung, rutscht auf den zweitletzten Platz ab und nähert sich der Reichweite des «ewigen» Tabellenletzten Ajoie. Das Publikum ist nicht mehr zufrieden. Im Umfeld werden kritische Stimmen laut.

Die Führungsorgane (Verwaltungsrat, Management) werden in einem solchen Fall tätig. Müssen tätig werden. Das ist ihre Pflicht. Also wird ein neuer Trainer gesucht. Diese Suche wird logischerweise nicht dem Sportchef überlassen, der sich ja in einer äusserst schwierigen Situation um den Trainings- und Spielbetrieb zu kümmern hat.

Der Verwaltungsrat und das Management werden fündig. Ja, sie nehmen mit Stefan Mair einen neuen Trainer unter Vertrag, der eigentlich perfekt zu Kloten passt. Die Führung des Klubs macht also alles richtig. Das einzige Versäumnis: Der neue Trainer übernimmt die Mannschaft nicht sofort, sondern erst am nächsten Montag. Vom Zeitpunkt seiner Wahl bis zum Arbeitsbeginn vergehen noch ein paar Tage und – dummerweise – auch vier Spiele.

Larry Mitchell schafft ein Wunder. Er gewinnt die letzten vier Spiele. Kloten feiert zum ersten Mal in dieser Saison vier Siege in Serie. Gegen hochkarätige Gegner: Zweimal gegen die ZSC Lions (3:1 und 3:1), gegen Zug (5:4 n. V.) und am Samstag auch noch in Ajoie 3:2 n.V.

Sozusagen der Super-GAU: Das durchaus nachvollziehbare Argument, es sei für einen Aussenseiter einfacher, gegen Spitzenteams wie die ZSC Lions oder Zug zu gewinnen als gegen «Lotterteams» der unteren Tabellenhälfte und man müsse nicht unbedingt gegen die ZSC Lions oder Zug, sondern im Kampf um den Klassenerhalt gegen Teams wie Ajoie gewinnen, ist entkräftet: Larry Mitchel hat sein letztes Spiel am Samstag sogar auswärts in Ajoie gewonnen. Nun zieht er sich in sein Sportchef-Büro zurück.

Stefan Mair hat die Vergangenheit gegen sich: die vier Siege in den letzten vier Partien unter seinem Vorgänger. Er hat die Zukunft gegen sich: Die ersten vier Gegner sind Servette, Bern, Gottéron und Biel. Servette, Bern und Biel brauchen unbedingt Punkte für die direkte Playoff-Qualifikation. Pomadige Auftritte wie die der ZSC Lions wird es nicht geben. Er hat aber auch den Sportchef gegen sich: Offiziell wird das zwar durch alle Böden hindurch abgestritten: Aber wird Larry Mitchell nun alles Menschenmögliche tun, um dem neuen Trainer (für den er den Platz an der Bande wieder räumen musste) durch alle Böden hindurch, 24 Stunden am Tag und wenn erforderlich auch noch in der Nacht unterstützen? Und die Spieler? Es gibt in der Kabine mit ziemlicher Sicherheit keinen, der nach vier grossen Siegen in Serie auf einmal einen neuen Chef bekommen hat. Und nun soll es notwendig sein, sich nach vier Siegen beim neuen Chef zu beweisen? Und was wird sein, wenn die Hockeygötter ihren Spass daran haben, Kloten nun vier Niederlagen zu bescheren?

Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil und sein eigenes Spielkonzept. Also wird sich nach vier Siegen in Serie unter dem neuen Chef etwas ändern. Eine ewige Hockeyweisheit sagt: «Never change a winning team.» Heisst das nicht auch: «Never change a winning coach»? Aber der Entscheid, Larry Mitchell abzusetzen, fiel nach acht Niederlagen in Serie. Und da ist noch etwas: Im «Tages-Anzeiger», dem Leibblatt der Klotener, lesen wir zur Verpflichtung des neuen Trainers:

«Es muss auch für die weitere Zukunft passen», so Präsident Jan Schibli. Nun wurde ein Coach engagiert, der bloss einen Vertrag bis zum Saisonende erhält. Geschäftsführer Anjo Urner verhehlt nicht, dass man mit Blick auf die neue Spielzeit weiter Ausschau nach potenziellen Trainern hält. «Sonst würden wir unseren Job nicht machen. Wir sind realistisch genug und wissen, dass Optionen entstehen werden, die aktuell noch gar keine sind. Wir verfügen über ein klares Profil. Stephan Mair erfüllt einige dieser Punkte. Er hat nun die Chance, sich live beweisen zu können.»

Das ist lobenswert, ehrlich und transparent. Also kein Vorwurf an den umsichtigen Präsidenten und seinen tüchtigen Geschäftsführer. Aber diese Ehrlichkeit und Offenheit haben eben auch eine fatale Nebenwirkung. Das unbedingte, unverhandelbare Vertrauen der Vorgesetzten ist für einen Hockeytrainer von so zentraler, elementarer Bedeutung wie für einen Ehemann (oder eine Ehefrau) das absolute, unverhandelbare Vertrauen des Ehepartners (oder der Ehepartnerin). Das mag etwas salopp tönen. Aber manchmal ist es am einfachsten, die Gefühlslage eines Eishockeytrainers an einem Beispiel aus dem richtigen Leben zu veranschaulichen.

Um also salopp und politisch vielleicht nicht ganz korrekt fortzufahren: Was denkt eine Ehefrau, wenn ihr künftiger Gatte vor der Hochzeit erklärt: «Sie muss auch für die weitere Zukunft passen. Ich verhehle nicht, dass ich mit Blick auf die Zukunft weiter Ausschau nach potenziellen heiratsfähigen Frauen halte. Ich bin realistisch genug und weiss, dass Optionen entstehen werden, die aktuell noch gar keine sind. Sie hat nun die Chance, sich live beweisen zu können.»

«Gelackmeiert sein» ist eine Redewendung aus dem vorletzten Jahrhundert. Sie bedeutet im volkstümlichen Sinn: Jemand ist überrumpelt, getäuscht, genarrt, übertölpelt oder gar betrogen worden.

Wenn wir also sagen, Klotens neuer Trainer Stefan Mair sei schon vor dem Amtsantritt ein wenig «gelackmairt» worden, dann ist das ein hintersinniges, aber kein polemisches Wortspiel. Er tritt am Montag die schwierigste Arbeitsstelle unserer neueren Hockeygeschichte an.

PS: Grande Larry! Wir verneigen uns so tief, wie wir es vermögen vor Larry Mitchell. Er möge wegen boshaften Worten – so denn solche gefallen sein sollten – nicht zürnen.

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
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Nation Flag

Aktuelle
Note

  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

5,2

09.22

5,2

09.23

5,2

01.24

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

  • Er ist

  • Er kann

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quelle: keystone / ennio leanza
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