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Eishockey-WM: Das Problem mit den Deutschen

Germany's John Peterka, second from right, celebrates with teammates after scoring his side's fifth goal during the group A match between Germany and Hungary at the ice hockey world champion ...
Traditionell ein zäher Gegner: Die Schweiz trifft heute auf Deutschland.Bild: keystone
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Das Problem mit den Deutschen

Die Schweizer können den WM-Viertelfinal heute gegen Deutschland (15.20 Uhr) nur gewinnen, wenn sie spielen. Die Fallhöhe ist gross wie nie zuvor.
25.05.2023, 04:1725.05.2023, 13:37
klaus zaugg, riga
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So selbstbewusst wie in Riga sind die Schweizer an einer WM noch nie aufgetreten. Die Philosophie des grossen Denkens von Patrick Fischer wird in diesen Tagen zum ersten Mal richtig gelebt. Der Aufstieg in die internationale Businessklasse ist ein jahrelanger Entwicklungsprozess, der 1998 mit der WM in der Schweiz begonnen hat. Erst Patrick Fischer hat nach seinem Amtsantritt vor sieben Jahren das Potenzial erkannt und wagt es, das höchste Ziel auch öffentlich zu nennen: den WM-Titel.

Captain Nino Niederreiter war bei den WM-Silberteams von 2013 und 2018 dabei. Er hat diese Entwicklung miterlebt und mitgeprägt. «2013 war alles wie ein Traum. Auf einmal standen wir im Final und wussten nicht recht, wie uns geschah. 2018 war es ein Auf und Ab und wir haben im Viertelfinal irgendwie einen Weg gefunden, um Finnland zu besiegen.»

«Nun sind wir hier, mit dem Ziel, eine Medaille zu holen.»

Hockeytheoretisch sind die Schweizer im Viertelfinal gegen Deutschland mit 70:30 im Vorteil. Sie haben mehr Tore erzielt (29, die Deutschen 27), weniger Treffer kassiert (10/16) und mehr Punkte geholt (19/12). Sie haben die doppelte Anzahl NHL-Stammspieler im Team. Und sowohl Leonardo Genoni (96,61 %) als auch Robert Mayer (91,84 %) haben die klar bessere Fangquote als Mathias Niederberger (89,66 %), Deutschlands Antwort auf Leonardo Genoni.

Germany's goalie Mathias Niederberger makes a save during the group A match between Denmark and Germany at the ice hockey world championship in Tampere, Finland, Thursday, May 18, 2023. (AP Photo ...
Mathias Niederberger ist gut, hat aber eine deutlich schlechtere Fangquote als die Schweizer Goalies.Bild: keystone

Aber Eishockey wird auch in den Köpfen entschieden. Sind die Schweizer nach ihrem Aufstieg in die Weltklasse schwindelfrei? Haben sie sich inzwischen an die dünne internationale Höhenluft gewöhnt, die etwas ganz anderes ist als das milde Wetter in den Niederungen der Aussenseiter? Ist das neue Selbstvertrauen gefestigt? Bleiben sie ruhig und gelassen, egal wie der Gegner heisst? Lautet die Antwort auf diese Fragen «Ja», dann gewinnen sie den Viertelfinal gegen Deutschland. Komme, was wolle.

Aber es ist halt kein gewöhnlicher Viertelfinal. Weil der Gegner Deutschland heisst. Diese Partie ist die erste und ultimative Herausforderung für das in Riga erstmals richtig spürbare «Big Thinking».

Switzerland's forward Nino Niederreiter looks his teammates, during an optional Switzerland team training session at the IIHF 2023 World Championship, at the Riga Arena, in Riga, Latvia, Wednesda ...
War beim Aufstieg der Schweiz in die Weltelite dabei: Nino Niederreiter. Bild: keystone

In der Vergangenheit war eine Niederlage gegen Deutschland zwar ärgerlich und schmerzhaft. Aber letztlich doch ehrenvoll: Gegen Deutschland zu verlieren gehörte zu unserem Eishockey wie der Besuch beim Zahnarzt in richtigen Leben: Man kommt nicht darum herum. Wie zuletzt in den WM-Viertelfinals von 2010 in Mannheim (0:1) und 2021 in Riga (2:3 n. P.) oder 2018 im olympischen Achtelfinale (1:2 n. V.).

Aber jetzt ist die Fallhöhe gross wie nie.

Das beste WM-Team der Geschichte. Das neue Selbstbewusstsein. Die Ausrichtung ganz aufs grosse Ziel Medaille – und dann ausgerechnet gegen Deutschland scheitern? Patrick Fischer müsste in einem solchen Fall die Kleider bis zur nächsten WM lüften, um den Schwefelgeruch dieser Niederlage aus den Kleidern zu bringen.

Die Schweizer sind zuletzt gegen Deutschland gescheitert, weil sie sich aus der Ruhe und von ihrem Spiel abbringen liessen. Wird Eishockey nach Schweizer Art gespielt und zelebriert, wird mehr gelaufen als gerumpelt, dann ist Deutschland chancenlos.

Wird Eishockey nach deutscher Art mehr gearbeitet als gespielt, mehr gerumpelt als gelaufen, dann haben wir ein schier unlösbares Problem.

Bezeichnenderweise brachte uns im olympischen Achtelfinale 2018 ein Restausschluss von Cody Almond auf die schiefe Bahn. 2010 begann das Unglück mit einem frühen Restausschluss für Martin Plüss und alles endete mit einer Massenschlägerei. 2021 führten die Schweizer 2:1 und erstarrten im letzten Drittel vor Ehrfurcht, spielten nicht mehr richtig (4:13 Torschüsse!), kassierten in der letzten Minute den Ausgleich und verloren nach Penaltys.

Wer gewinnt den Viertelfinal?

Der Schlüssel zur richtigen Einstellung gegen Deutschland liefert die Statistik. Die beste Plus/Minus-Bilanz der Stürmer weisen Andres Ambühl und Enzo Corvi auf (+7). Die beiden stehen für die spielerische Leichtigkeit und Eleganz unseres Hockeys.

Switzerland's forward Andres Ambuehl celebrates his goal after scoring the 1:2, during the IIHF 2023 World Championship preliminary round group B game between Czech Republic and Switzerland, at t ...
Ausgerechnet der Älteste ist ein Paradebeispiel für spielerische Freude: Andres Ambühl.Bild: keystone

Nino Niederreiter wird gefragt, warum Andres Ambühl mit 39 noch immer so gut sei. «Ich denke, er ist entspannter geworden und geniesst einfach das Spiel.» Macht eine kurze Denkpause und sagt:

«Eishockey ist ein Spiel und nur mit Freude und Leidenschaft ist der Erfolg möglich.»

Wahre Worte des grossen Captains, die uns zum Problem führen: Irgendwie sind diese Auseinandersetzungen gegen die Deutschen mit all den Erwartungen und Emotionen mehr bitterer Hockeyernst als elegantes Spiel. Die Schweizer können gegen Deutschland nur gewinnen, wenn sie vor allem spielen. Mit Freude und Leidenschaft.

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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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hans gwüsst
25.05.2023 07:03registriert Januar 2016
"Die Schweizer können den WM-Viertelfinal heute gegen Deutschland (15.20 Uhr) nur gewinnen, wenn sie spielen." Messerscharf analysiert 😂
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Bruno Wüthrich
25.05.2023 08:41registriert August 2014
Spiele gegen die Deutschen sind nie leicht. Das wissen wir. Und das wissen auch die Spieler. Aber heute werden wir gewinnen. Klaus hat die bitteren Niederlagen aufgezählt, aber dabei die Siege vergessen. Niederlagen gegen Deutschland sind immer bitter, Siege gegen diesen Gegner nie glorios. Niemand wird je sagen, ihr habt gegen die Deutschen gewonnen, also seid ihr grossartig. Wer Weltmeister werden will, muss die Kraft haben, gegen Kraft- und Arbeitsteams wie Deutschland zu gewinnen. Das kann auch mit spielerischen und läuferischen Mitteln gehen. Aber nicht nur.

Wir werden heute gewinnen!
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ZSC Fan Forever
25.05.2023 06:46registriert April 2021
Richtig analysiert. Die CH muss einfach so spielen wie gegen Tschechien und Kanada. Sich nicht provozieren lassen und keine Strafen nehmen. Auch wenn das Spiel unfair wird und die Schiris gegen die Schweiz pfeifen sollte. Ich weiss. Das ist richtig schwierig. Aber nur so können sie ihr Spiel spielen und DE dominieren und gewinnen. Es wird ne Knacknuss. Aber wie schon gesagt: Wenn man ganz oben stehen möchte, muss man alle Teams schlagen können.
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