Das Wort «Mafia» ist hier nicht im negativen Sinne gemeint. Oft ist von der kanadischen «Hockey-Mafia» die Rede. Weil es die Kanadier in verschiedenen Positionen meisterhaft verstehen, sich gegenseitig Jobs zuzuschanzen. Nicht nur in der Schweiz. Es geht also um gute Beziehungen, gegenseitige Empfehlungen und um Einflussnahme auf die Entscheidungsträger. Nun können auch die Schweizer «Mafia».
Ein Blick auf die Trainer zeigt eine erstaunliche Entwicklung unserer Hockeykultur. Zu Beginn dieses Jahrhunderts umfasst die höchste Liga (Nationalliga A) zwölf Teams. Nur zwei werden von Schweizern gecoacht: der SCB von Riccardo Fuhrer und der HCD von Arno Del Curto. Noch bevor der erste Schnee kommt, ist Riccardo Fuhrer seinen Job los und seine helvetische Trainerkarriere zu Ende. An der Bande stehen im Herbst 2000 sechs Kanadier, zwei Russen, zwei Schweizer und zwei Schweden. Die Nationalmannschaft wird von einem Deutsch-Kanadier geführt (Ralph Krueger).
Heute haben wir in der höchsten Liga (National League) 14 Teams und eine ganz andere Trainerkultur: fünf Schweizer, fünf Kanadier, ein Norweger, zwei Finnen, ein Schwede. Die Schweizer haben also mit den Kanadiern gleichgezogen. Noch wichtiger: Mit der Rückkehr von Christian Wohlwend auf die grosse Bühne wird endlich auch einem Schweizer das Recht des Scheiterns gewährt.
Vor allem kanadische Trainer konnten fuhrwerken wie sie wollten – sie bekamen immer wieder einen Job: Kent Ruhnke stand in Zürich, Biel, Fribourg, Olten, Zug, Bern, Lugano, Martigny und Basel an der Bande. Oft, aber nicht immer erfolgreich. Scheitern wurde ihm zwischendurch verziehen. Serge Pelletier coachte Fribourg, Zug, Lugano und zweimal Ambri. Auch ihm wurde Scheitern zugestanden. Marc Crawford war im Frühjahr 2016 bei den ZSC Lions am Ende seines Lateins und trotzdem ist er durch den Vordereingang nach Zürich zurückgekehrt.
Für Schweizer ist hingegen Scheitern meist mit einem fast nicht mehr korrigierbaren Karriereknick verbunden. Wer als Schweizer seinen Job an der Bande verliert, hat es in der Regel schwer, im Geschäft zu bleiben. Einen internationalen Markt gibt es kaum. Nach wie vor sind ausländische Engagements (Roger Bader und Christian Weber in Österreich, Michel Zeiter in Deutschland, Riccardo Fuhrer in Italien) Ausnahmen.
Karrieren wie die von Ueli Schwarz (vom Trainer zum Sportchef zum TV-Experten und Berater zum Verwaltungsrat), Roland von Mentlen (als Trainer und Sportchef ein Trendsetter) oder Arno Del Curto (als Kulttrainer und Kultfigur eine Hockey-Jahrhundertfigur) sind bis heute Ausnahmen. Nicht einmal grandiose Erfolge garantieren einem Schweizer einen guten Job: Lars Leuenberger hat dem SC Bern 2016 den spektakulärsten Titel beschert (vom 8. Platz aus) und muss heute trotzdem mit Olten vorliebnehmen.
Noch immer haben Kanadier Einfluss: Kein Schelm, wer denkt, dass Gerry Fleming den Job in Kloten nur bekommen hat, weil Sportchef Larry Mitchell ebenfalls kanadische Wurzeln hat. Und es hat Josh Holden sicherlich geholfen, dass in Davos mit Jan Alston ein Landsmann die Sportabteilung leitet. Vier von sechs Sportchefs mit kanadischen Wurzeln vertrauen einem kanadischen Coach (Davos, Kloten, Lausanne, Gottéron). Nur zwei kanadische Sportchefs arbeiten nicht mit kanadischen Coaches. In Lugano duldet ein Sportdirektor kanadischer Herkunft einen Schweizer Coach an der Bande. In Bern musste Andrew Ebbett – ohnehin bei der Trainerwahl ohne Entscheidungskompetenz und ab 2024 sowieso von Martin Plüss «bevormundet» – einen Finnen (Jussi Tapola) verpflichten.
Nun haben die Schweizer mit den Kanadiern gleichgezogen und besetzen ebenfalls fünf Trainerstellen. Die Rückkehr von Christian Wohlwend auf die grosse Bühne ist ein sehr gutes Zeichen: Er hat es in Davos im denkbar schwierigsten Job (in den Schuhen von Arno Del Curto stehen) vier Jahre ausgehalten. Und doch schien seine Trainerkarriere in der höchsten Liga nach der Entlassung im letzten Frühjahr geknickt. Keine Chance auf einen neuen Job in der höchsten Liga. Doch jetzt bekommt er bei Ajoie die nächste Chance. Dort hat sich ein einheimischer Sportchef – Julien Vauclair – für einheimisches Schaffen entschieden.
Endlich helfen Schweizer Schweizern: In Langnau gibt Sportchef Pascal Müller Thierry Paterlini den Job. In Genf befördert Marc Gautschi Jan Cadieux zum Cheftrainer. In Ambri hat Luca Cereda den bedingungslosen Rückhalt von Paolo Duca, in Lugano hat die kluge Präsidentin Vicky Mantegazza dafür gesorgt, dass Luca Gianinazzi eine Chance bekommen hat, und Christian Wohlwend steht in Ajoie an der Bande. Kommt dazu: Die Nationalmannschaft wird längst von einem Schweizer (Patrick Fischer) gecoacht.
Schweizer prägen unsere Hockeykultur also immer stärker. Damit verbunden ist auch ein gesundes Selbstvertrauen, das uns international konkurrenzfähig macht. Das Scheitern im letzten WM-Viertelfinal gegen Deutschland mag schmählich sein. Aber wir sind international heute in jeder Beziehung – Liga, Spieler in der NHL, Spielstärke der Nationalmannschaft – um Lichtjahre besser als zu Beginn unseres Jahrhunderts.
Petri Matikainen wird neuer EHC Biel Headcoach💥
— EHC Biel-Bienne (@ehcbiel) June 27, 2023
Le HC Bienne a engagé Petri Matikainen (*1967) comme successeur d’Antti Törmänen en tant qu’entraîneur principal. Il a signé un contrat d’une durée de deux ans avec le HC Bienne.#icicestbienne #rougeetjaune #ehcb pic.twitter.com/lgOvupJYwh
Bleibt noch eine erste Kurz-Beurteilung der fünf neuen Trainer: