Sein «Scouting Report» müsste eigentlich alle Sportchefs begeistern. Der geniale Mittelstürmer hat zwar hölzerne Füsse, aber ein magisches Auge und goldene Hände. Seine Spielübersicht und seine Passqualität mahnen in lichten Augenblicken ein wenig an Wayne Gretzky.
In der gesamten Nationalliga gibt es keinen Spieler mit seiner Übersicht. Er spielt Pässe, die Erstaunen auslösen («wohin spielt er jetzt bloss wieder …») und dann doch bei einem Mitspieler ankommen. Zum Entsetzen der Gegenspieler.
Seine perfekt getimten Zuspiele legen eine ganze Abwehr lahm. Und er ist dazu in der Lage, aus allen Positionen direkt zu schiessen. Nicht scharf. Aber genau.
Er scheint den Puck zu streicheln, nicht zu schlagen. So kompensiert er seine läuferischen Limiten. Er ist der überragende Lenker und Denker. Ajoie rennt, Philip-Michaël Devos denkt und lenkt.
Der Kanadier dominiert nicht nur die zweithöchste Liga seit fünf Jahren nach Belieben. Soeben hat er auch gegen den Tabellenführer der National League im Cup zum Tanze aufgespielt. Beim 6:3 gegen die ZSC Lions steuerte er zwei Treffer und zwei Assists bei. Keine Frage: Hockeytechnisch würde er in der National League zu den besten Ausländern gehören.
Aber der «Jura-Gretzky» bekommt bei den Grossen keine Chance. Das ist eine der erstaunlichsten Geschichten unseres Hockeys. Und sie hat doch ihre Hockey-Logik.
Der Kanadier hätte im Frühjahr 2017 der begehrteste Spieler auf dem helvetischen Ausländer-Markt sein müssen. Sein Vertrag in Ajoie lief aus und er produzierte pro Partie zwei Punkte. In der Qualifikation und in den Playoffs.
In Kloten, Biel und Langnau suchten die an strikte Budgetvorgaben gebundenen Sportchefs damals einen spielstarken, günstigen, ausländischen Mittelstürmer. Pascal Müller (Kloten, heute in der Schiedsrichterabteilung der Liga beschäftigt) durfte für einen Ausländer nicht mehr als 150'000 Franken netto ausgeben.
Für dieses Geld hätte er Philip-Michaël Devos bekommen. Ein Blick in mein altes Notizbuch zeigt: Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Er sagte damals: «Wie das Beispiel von Lee Jinman zeigt, sind gute Statistiken in der NLB keine Garantie für die NLA.»
Tatsächlich erreichte der kanadische Center Lee Jinman 2005/06 mit Sierre noch bessere Werte als Ajoies offensiver Leader. Er zügelte im Sommer 2006 nach Langnau. Dort ging sein NLA-Abenteuer nach 22 Spielen (2 Tore/8 Assists) ruhmlos vorzeitig zu Ende und er kehrte ins Wallis zurück.
Auch Biels Martin Steinegger liess sich im Frühjahr 2017 nicht für Philip-Michaël Devos begeistern und sagte: «Er ist ein kompletter Spieler, aber ohne herausragende Eigenschaften. Er ist bei uns kein Thema.»
Langnaus damaliger Sportchef Jörg Reber hatte sich eingehend mit Ajoies Topskorer befasst und sagte:
So kommt es, dass Philip-Michaël Devos im Frühjahr 2017 bleibt wo er ist und einen Vertrag mit Ajoie bis 2021 verlängert.
Die Erklärung für die Skepsis gegenüber dem Kanadier ist eher im «weichen», im psychologischen als im hockeytechnischen Bereich zu finden.
Philip-Michaël Devos hat das Pech, dass er nie in der NHL und nie in Schweden, Finnland oder der KHL gespielt hat. Nebst einer Saison in der italienischen Meisterschaft (49 Spiele/103 Punkte) ist seine wichtigste europäische Referenz die Zeit mit Ajoie. Er bringt den Schwefelgeruch der Zweitklassigkeit einfach nicht mehr aus den Hockey-Hosen.
Wenn der Sportchef einen Ausländer aus unserer zweiten Liga holt, hat er keine Ausrede, wenn es nicht funktioniert. Kein «aber er war in der NHL gut» oder «aber er hat an der WM auf höchstem Niveau überzeugt» oder «aber in Schweden hat er sich bewährt». Werden die Erwartungen nicht erfüllt, hat der Sportchef einen «B-Schluuch» verpflichtet und muss für Häme nicht sorgen.
Das vorher erwähnte Scheitern von Lee Jinman in Langnau wirkt noch nach. Und es gibt auch ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Rappis kanadischer Aufstiegs-Leitwolf – Dion Knelsen – vermochte sich in der höchsten Liga nicht durchzusetzen (50 Spiele/21 Punkte). Aber in Olten ist er diese Saison bereits wieder ein dominanter Mittelstürmer (23 Spiele/14 Punkte).
Die Frage ist eben auch: Könnte sich Philip-Michaël Devos allein durchsetzen? In Ajoie dominiert er die Liga gemeinsam mit dem Flügel Jonathan Hazen.
Es ist das Merkmal fast aller grossen ausländischen Skorer der zweiten Liga, dass sie im Duo tanzen: Lee Jinman damals mit Derek Cormier in Sierre, James Desmarais in Ajoie mit Stéphane Roy, Jeff Campbell in Langenthal mit Brent Kelly. Aber kein Sportchef geht das Risiko ein, gleich ein Duo aus der zweithöchsten Liga zu verpflichten.
Und da ist noch ein Grund für die Skepsis: In der Swiss League wird taktisch «freihändiger» gespielt als in der höchsten Liga. Die Freiheiten und Spielräume, die Philip-Michaël Devos im Cup-Match von den ZSC Lions gewährt worden sind, bekäme er im Liga-Alltag nicht mehr. Und eine so dominierende Rolle, so viel Eiszeit, so viel Einsätze im Powerplay wie in Ajoie bekäme er in den nominell viel besser besetzten Mannschaften der höchsten Liga nicht mehr.
Dazu kommt: Die Ajoie ist so etwas wie das Disneyland des frankophonen Hockeys. Das Städtchen Pruntrut mit knapp 7000 Einwohnern, die katholisch geprägte Kultur, die sanften grünen Hügel, der köstliche Wein und die Leidenschaft fürs Hockey mahnen an die schönsten Ecken Quebecs. Hier ein allseits respektierter und verehrter Hockey-König zu sein ist etwas ganz anderes als in den urbanen Zentren der Deutschschweiz bei einem Grossklub höchstem Erwartungsdruck und dem «Eiszeit- und Skorer-Neid» starker Schweizer Mitspieler ausgesetzt zu sein. Die Skepsis, ob der «König der Ajoie» auch in Zürich, Bern oder Zug regieren könnte, ist durchaus berechtigt.
In der Neuzeit hat sich eigentlich nur ein charismatischer Leitwolf aus der Swiss League auch ganz oben bewährt: Chris DiDomenico. Er hat die Langnauer in die National League zurückgeführt, ist mit ihnen letzte Saison in die Playoffs gestürmt und nach wie vor einer der besseren ausländischen Stürmer der höchsten Liga.
Widerlegt also Chris DiDomenico die Skepsis der Sportchefs gegenüber ausländischen Stars aus der Swiss League? Nein. Der Kanadier ist ein anderer Spielertyp als Philip-Michaël Devos und als die meisten kanadischen Zweitliga-Titanen der letzten Jahre: Mehr ein leidenschaftlicher, smarter Energiespieler, mehr Reisser, Läufer und auch Provokateur und Rock’n’Roller als Lenker und Denker. Ein spielerisch hochbegabter Stürmer. Aber wenn erforderlich jederzeit auch ein Mann fürs Grobe.
Oder wir können es auch so sagen: Auch eine Kombination aus Philip-Michaël Devos und Chris DiDomenico würde nicht in der National League stürmen. Diese Kombination würde in der NHL Millionen verdienen.
Allerdings ist der Chronist kein Polemiker, wenn er fragt: Wie sähe wohl Ambri diese Saison in der Offensive mit dem Duo Philip-Michaël Devos/Jonathan Hazen neben Matt D’Agostini aus? Welches Spektakel würde Langnau mit den beiden Kanadiern neben Harri Pesonen und Chris DiDomenico im Sturm bieten?
waere er damals nicht im ‚goldenen herbst‘, hätte er sicher im A gespielt, ohne physische od läuferische defizite. ich glaube devos kann dies auch, wenn er denn eine chance erhalten würde...
Was tat Jeff Tomlinson? Unsere Checkerlinie regelmässig auffahren!
Devos kam in 6 Spielen zu 6P (3/3) = 1P/Spiel
Hazen hatte noch mehr Mühe, 4P (2/2) = 0.66P/Spiel
Im A wird mit allen 4 Linien so hart gespielt! Knelsen (⚜️) flog in seinen A Spielen herum wie ein Schulbube. Für das hat er sich sehr gut geschlagen, es reichte jedoch einfach nicht..