Die Chronistenpflicht ist es, zu schreiben, was ist. Don Nachbaur ist ein österreichisch-kanadischer Doppelbürger und nach einer Karriere als Raubein zwischen Farmteams und NHL seit 1994 Trainer. Die meiste Zeit hat er im nordamerikanischen Juniorenhockey gearbeitet, ein kurzes Gastspiel als Assistent in der NHL endete in Los Angeles mit der Entlassung und letzte Saison ist er in seiner ersten Saison als Trainer in Europa bei Zvolen in der slowakischen Operettenliga gefeuert worden. In 26 Jahren im Trainer-Business hat er nie etwas gewonnen. Das sind die Fakten ohne jede Polemik.
Warum also Don Nachbaur? Auf die entsprechende Frage nennt SCB-Sportchefin Florence Schelling drei Gründe: «Seine Erfahrung, seine Philosophie und seine kommunikativen Fähigkeiten». Und auf die Frage nach drei Gründen für die Trainerwahl erklärt ihr Chef Marc Lüthi: «Er kann mit jungen Spielern umgehen, er hat keine Vergangenheit in der Schweiz und seine Philosophie entspricht der DNA unseres Klubs.»
Zu dieser DNA gehöre harte Arbeit. Der für die Trainerwahl zuständige Ausschuss des SCB-Verwaltungsrates habe sich einstimmig für Don Nachbaur entschieden. Auch weil er billig ist? «Er ist günstiger als Kari Jalonen», sagt Florence Schelling auf eine entsprechende Frage und Marc Lüthi bestätigt etwas unwirsch: «Das ist so.» Don Nachbaur kommt für rund 100'000 Franken netto nach Bern. Er ist die überraschendste SCB-Trainerwahl und mit Abstand der billigste ausländische SCB-Cheftrainer dieses Jahrhunderts.
Zur SCB-DNA gehört allerdings auch der Erfolg. Passt dazu ein Coach, der nicht weiss, wie man irgendetwas gewinnt? Marc Lüthi sagt dazu etwas ungehalten, man habe in Bern schon mit kleinen Namen grosse Erfolge gefeiert und mit vermeintlich grossen Namen Enttäuschungen erlebt.
Die Frage ist also: Viel Erfahrung in den höchsten nordamerikanischen Juniorenligen, ein kurzes NHL-Gastspiel als Assistent und nicht ganz eine Saison als Cheftrainer in der Slowakei – kann so ein Mann SCB?
Don Nachbaurs Vorteil: Er übernimmt den SCB an einem sportlichen Tiefpunkt. Eine Steigerung gegenüber letzter Saison (9. Platz) darf erwartet werden und wäre dann bereits ein Erfolg. Hohe Erwartungen weckt er durch seinen Namen auch nicht.
Seine Erfahrung mit jungen Spielern ist nicht matchentscheidend. Der SCB hat zwar ein paar Talente (Philip Wüthrich, André Heim, Mika Henauer, Colin und Jeremy Gerber, Thierry Bader). Aber geprägt wird die Mannschaft von Leitwölfen um die 30: Simon Moser (31), Eric Blum (34), Dustin Jeffrey (31), Thomas Rüfenacht (35), Tristan Scherwey (29), Ramon Untersander (29) oder Beat Gerber (38). Ob Don Nachbaur mit seinem Zweijahresvertrag überhaupt einen Wintermantel braucht, hängt davon ab, ob er die Routiniers für sich zu gewinnen vermag.
Vom Auftreten her ist Nachbaur typähnlich wie Larry Huras, aber ohne den Erfolgsausweis von Larry Huras (Meister mit den ZSC Lions, Lugano und Bern). Viel typisch nordamerikanisches Selbstvertrauen, ein guter Kommunikator und hoher Unterhaltungswert. Ob sich der neue SCB-Trainer durchsetzen kann, hängt zu einem grossen Teil davon ab, ob er bereit ist, auf Lars Leuenberger zu hören. Der Not-Meistertrainer von 2016 muss als Assistent für seinen Chef die taktischen Hausaufgaben machen und ihm den Rücken freihalten.
Don Nachbaur für die grossen Auftritte im Scheinwerferlicht und für die Kabinen-Predigten, Lars Leuenberger für die taktische «Knochenarbeit» im Training und die Beruhigung der Gemüter – so kann es funktionieren. Marc Lüthi sagt, je nachdem wie sich die wirtschaftliche Situation entwickle, sei das Engagement eines zweiten Assistenten möglich.
Letztlich hat Florence Schelling bei ihrem ersten grossen Personalentscheid genau das umgesetzt, was ihr SCB-Mitbesitzer, SCB-Verwaltungsrat und SCB-Manager Marc Lüthi aufgetragen hat: Sie hat einen «billigen» (gemeint ist: kostengünstigen) Trainer mit einer nordamerikanischen Philosophie (damit es im Tempel «räblet»), einem gutem Auftreten und hohem Unterhaltungswert engagiert.
Jetzt kurz eine Polemik: Wenn wir den SCB als grossen Hockey-Zirkus betrachten, dann ist die Rolle des Clowns sehr gut besetzt worden. Vermag der Clown das Publikum immer wieder zu erheitern, sieht es zumindest eine gewisse Zeit gnädig über unsichere Trapezkünstler und furchtsame Raubtierbändiger hinweg. Ende der Polemik.
Scheitert Don Nachbaur, dann ist dafür ausschliesslich Marc Lüthi und nicht seine Sportchefin zu kritisieren.
Muss allerdings nichts heissen, zu verlieren hat er jedenfalls nicht viel.
Wir dürfen gespannt sein :)