Diese Statistik lügt nicht. Er ist der beste Torhüter der Liga. Punkt. Sogar besser als Biels Weltmeister und Olympiasieger Harri Säteri (34) oder Zugs doppelter WM-Finalheld und siebenfacher Meister Leonardo Genoni (37).
Diese Behauptung lässt sich mit wasserdichten Fakten untermauern: in der laufenden Saison am wenigsten Gegentore (6), am wenigsten Gegentreffer pro Spiel (1) und die höchste Abwehrquote der Liga: sensationelle 96,74 Prozent. Ein Wert, der über eine ganze Saison noch nie erreicht worden ist. Stéphane Charlin ist im dritten Jahr in Langnau statistisch und auch gefühlt in jeder Beziehung die Nummer 1 der Liga und zusammen mit Akira Schmid (Las Vegas) und Joey Daccord (Seattle) der beste Goalie mit Schweizer Pass.
Aus dem schlampigen Genie, bei Servette während der Saison 2021/22 nach fünf Einsätzen und einer Fangquote von 77,40 Prozent als untauglich taxiert, ist im Emmental unter Trainer Thierry Paterlini ein wehrhafter, flinker Riese (191 cm/84 kg) mit schlauem Winkelspiel und unerschütterlicher Ruhe geworden. Siege garantieren kann er zwar auch nicht. Aber wenn je in der Geschichte des Eishockeys ein Goalie für eine Niederlage nicht verantwortlich war, dann Stéphane Charlin am Samstag bei Langnaus spektakulärem 0:1 gegen Lausanne. Er hatte 97,37 Prozent der Schüsse abgewehrt. Bereits eine Abwehrquote von 92 Prozent gilt als vorzüglich. Wenn in Langnau nicht noch der Kirchturm auf den Bären fällt, wird er im nächsten Frühjahr zum ersten Mal im WM-Team stehen.
Wo so viel Licht, da ist auch Schatten. Es gibt ein Problem: Stéphane Charlin ist zu gut. Deshalb ist nach wie vor offen, wo er nächste Saison die Pucks abwehren wird. Fest steht nur: Er wird die SCL Tigers im nächsten Frühjahr verlassen. Eigentlich ist auch längst klar, wer sein neuer Arbeitgeber sein wird: Servette. Dort ist er ausgebildet worden, dort ist seine Heimat. Die Frage ist also: Warum bestätigt Servettes tüchtiger Sportchef Marc Gautschi den Transfer nicht?
Die Antwort ist einfach: Weil nach wie vor offen ist, ob Stéphane Charlin von Langnau aus direkt in die National Hockey League (NHL) nach Nordamerika zügeln wird. Ohne Zwischenhalt in Genf. Das Problem: Er kann jetzt einen Mehrjahres-Vertrag bei Servette ohne jede Ausstiegsklausel unterschreiben und trotzdem darf er legal bis zum 15. Juni 2025 in die NHL wechseln. Das ist im Transferabkommen unserer National League mit der NHL so geregelt.
Wer also für nächste Saison auf Stéphane Charlin setzt, riskiert im Sommer ohne Torhüter und mit abgesägten Hosen dazustehen. Für Servettes Sportchef ist diese Ausgangslage besonders delikat: Verpflichtet er Stéphane Charlin und transferiert einen der beiden aktuellen einheimischen Goalies Robert Mayer (35) oder Gauthier Descloux (28) aus dem laufenden Vertrag heraus zur Konkurrenz, dann ist das Risiko erheblich, im Sommer mit leeren Händen dazustehen. Nach dem 15. Juni wird es schwierig bis unmöglich, auf dem heimischen Spielermarkt einen valablen Goalie zu finden.
Stéphane Charlins Agent Gaëtan Voisard (51) versucht seit Wochen, Klarheit in die Sache zu bringen. Er sagt: «Wir hatten schon im letzten Sommer Angebote aus der NHL, aber Stéphane wollte noch nicht wechseln. Er muss sich nun entscheiden, ob er für nächste Saison das Abenteuer NHL wagen oder noch eine weitere Saison in der Schweiz bleiben will.» Ein Wechsel zu Servette sei zwar längst aufgegleist. Aber eben: Ein Vertrag in Genf für nächste Saison macht für beide Seiten nur dann Sinn, wenn sich Stéphane Charlin dazu verpflichtet, mindestens eine weitere Saison (2025/26) in der National League zu hexen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Gaëtan Voisard sagt folgerichtig: «Ich muss nun die Sache klären.» Und seufzt. Tja, dafür sind Agenten halt auch da. Um heikle Situationen zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu klären. Er wird seinem Klienten nicht von einem Wechsel in die NHL abraten: Ein Transfer nach Übersee bringt ihm eine weitaus höhere Agentenprovision als ein Wechsel innerhalb unserer Liga.
Keine Frage: Stéphane Charlin ist für die NHL-Bürogeneräle so etwas wie eine Rolex auf dem Transferwühltisch: Weil er am 30. August bereits 24 geworden und Profi ist, muss er nicht mehr durch den NHL-Draft. Das bedeutet: Er kann bis zum 15. Juni 2025 bei jedem der 32 NHL-Klubs unterschreiben und sein NHL-Arbeitgeber muss kein Draft-Recht investieren und keine Kompensation leisten.
Einzige Einschränkung für Stéphane Charlin: Im ersten Vertragsjahr unterliegt er noch den reglementarischen Limiten eines NHL-Einstiegsvertrages. Er kann also noch keinen Einweg-Vertrag (gleiches Salär in der NHL und im Farmteam) unterzeichnen und das Salär liegt bei maximal 925'000 Dollar brutto plus Handgeld bei Vertragsunterschrift in der Höhe von 92'500 Dollar. Bei einer Relegation ins Farmteam schrumpft der Lohn unter 100'000 Dollar brutto. Das Salär wird nach Trainings- und Spieltagen in der jeweiligen Liga berechnet. So oder so zeichnet sich ab: Nächste Saison wird er für Servette oder eine NHL-Organisation im Tor stehen.
Sachen gibts!