Für Spieleragent Daniel Giger, die ehemalige Flügelfräs- und Tanzmaus des EV Zug, ist es der perfekte Poker. Die New Jersey Devils sind bereit, seinem Klienten Damien Brunner aus dem noch bis Ende Saison laufenden NHL- Vertrag zu entlassen. Dafür verzichtet Damien Brunner im Gegenzug auf fast 70 Prozent des Brutto-Jahresgehaltes von 2,5 Millionen Dollar (netto nach Steuern 1,3 Millionen Dollar). Auf der anderen Seite des Ozeans wollen zwei Klubs Brunner unbedingt. ZSKA Moskau (wo sich General Manager Sergej Fedorow persönlich auch am Handy um Brunner bemüht) und Luganos Sportchef Roland Habisreutinger. Auf höherem Niveau ist im NLA-Hockey-Business noch nie gepokert worden.
Das Resultat kann sich sehen lassen. Damien Brunner wechselt per sofort zum HC Lugano. Der Vertrag läuft viereinhalb Jahre. Bis ins Frühjahr 2019. Mit einer NHL-Ausstiegsklausel nach der Saison 2016/17. Für diese viereinhalb Jahre bezahlt Lugano Damien Brunner rund 3,9 Millionen Franken plus Prämien. Der ehemalige Klotener Junior ist damit der bestbezahlte NLA-Spieler aller Zeiten.
Der Kreis hat sich geschlossen. Roland Habisreutinger hat als Sportchef einst während der Saison 2008/09 Damien Brunner im Tausch für Thomas Walser nach Zug transferiert und so diese grandiose Karriere erst möglich gemacht – Brunner war in Kloten nicht über die vierte Linie hinausgekommen. In Zug wird er in der Saison 2011/12 erster NLA-Topskorer mit Schweizer Pass seit Guido Linemann (1980/81). Und nun hat Roland Habisreutinger als Sportchef in Lugano Damien Brunners Karriere finanziell gekrönt.
Auf die Frage, ob er Damien Brunner zum bestbezahlten NLA-Spieler aller Zeiten gemacht habe, reagiert Luganos Sportchef mit dem für ihn typischen trockenen Humor. «Nein, ganz sicher nicht. Ryan Gardner in Bern und Robert Nilsson in Zürich kosten mit ihren Nettoverträgen den Klub mehr. Wir haben auch bei weitem nicht so viel geboten wie die beste KHL-Offerte. Aber Sie haben zwei fixe Meinungen, die einfach nicht zu korrigieren sind: Lugano habe Geld ohne Ende und Langnau sei der beste Klub der Welt. Beides ist leider nicht wahr.»
Nun gut, Langnau kann als NLB-Unternehmen definitiv nicht der beste Klub der Welt sein. Die Behauptung, Lugano sei der Klub der unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten dürfte hingegen schon zutreffen. Schliesslich gehört der HC Lugano der Milliardärsfamilie Mantegazza, deren Vermögen auf rund 4,5 Milliarden Franken geschätzt wird. Und welches andere Hockeyunternehmen hat denn sein Budget so ausgepolstert, dass während der Saison Damien Brunner verpflichtet werden kann? Die Mantegazzas haben ja soeben ihre Fluggesellschaft «Monarch Airlines» mit rund 3000 Angestellten und einer Flotte 42 Flugzeugen verkauft. Wir können also etwas polemisch sagen: Die Mantegazzas haben eine Fluggesellschaft verkauft und können sich jetzt Damien Brunner leisten.
Damien Brunner ist kein guter Lügner. Er sagte zwar noch gestern, er suche unbedingt das Abenteuer KHL. Da zeigte sich die exzellente Strategie von Spieleragent Daniel Giger. Denn Pokern konnte er nur, wenn sein Klient glaubhaft von einem Wechsel in die KHL fabulierte.
Tatsächlich bemühten sich ja mehrere KHL- Unternehmen intensiv um den Schweizer Nationalstürmer. Aber auf die Gegenfrage, was denn sei, wenn Lugano die Tresore öffne und einen vier oder Fünfjahresvertrag und so gegen vier Millionen biete, lachte Damien Brunner sein verschmitztes Lachen und sagte scheinheilig: «Oh, ich will einfach wieder Hockey spielen, wo es Spass macht.»
Und weil eben Damien Brunner kein Lügner ist, hat sein Agent sicherheitshalber das Wort zum Transfer seines Klienten per Medienmitteilung verbreiten lassen: «Damit der in der Euphorie nicht noch eine unbedachte Aussage macht. Die Chance, mit dem HC Lugano kreatives und attraktives Eishockey zu spielen, ist reizvoll. Ich freue mich sehr, in einem jungen, talentierten und hungrigen Team zu spielen. Mit Lugano möchte ich gutes und erfolgreiches Hockey spielen. Die Veränderung in meiner Karriere kommt zum richtigen Zeitpunkt: Ich merkte, dass ich ein Umfeld brauche, das Vertrauen in meine Fähigkeiten hat. Die Erfahrungen in der NHL waren ein super Lernprozess. Das Lernen, nicht nur der Sprachen, geht nun in Lugano weiter. Diese neue Situation schätze ich sehr.»
Damien Brunner wird in Lugano als Millionär viel Spass haben. Werden sich auch Präsidentin Wicky Mantegazza, Trainer Patrick Fischer und Sportchef Roland Habisreutinger vorbehaltlos über ihren grossen Transfercoup freuen? Die Antwort auf diese Frage entscheidet die Meisterschaft.
Der «Fall Brunner» reduziert sich vorerst einmal auf eine böse amerikanische Redensart: «Money talks, bullshit walks.» Es geht ums Geld. Vieles ist in Lugano ein Problem. Aber Geld nie. Es steht in unbegrenzten Mengen zur Verfügung. Sportchef Roland Habisreutinger möge doch diese Behauptung als grosses Kompliment, als Ausdruck des Neides aus der Deutschschweiz und nicht als Ärgernis auffassen.
Interessant ist die Frage, was Damien Brunner in Lugano bewirken wird. Sportlich sehr viel. Die Rückversetzung ins Farmteam täuscht nämlich darüber hinweg, dass er in sehr guter Form ist. Selbst in seiner letzten NHL-Partie mit New Jersey in Toronto war er ein dominierender Flügel.
Aber passt Damien Brunner überhaupt zu Lugano? Ja, vielleicht. Spielerisch auf jeden Fall. Lugano ist zurzeit offensiv zu schwach, um ein Titelkandidat zu sein: 88 Tore. Ganz klar weniger als Davos (111), die ZSC Lions (94) und der SCB (97) – und über diese drei Titanen läuft die Titelentscheidung. So gesehen kann Damien Brunner das fehlende Teilchen zu Luganos «Meister-Puzzle» sein. Die himmelhohen Erwartungen sind für Damien Brunner kein Problem. Er ist jetzt nicht nur der bestverdienende NLA-Spieler aller Zeiten. Er ist auch einer der mental stabilsten und selbstsichersten überhaupt. In einem guten Sinne frech, ohne Angst vor grossen Tieren und resistent gegen Leistungsdruck.
Aber Eishockey ist auch der letzte wahre Mannschaftsport. Geld und grosse Namen garantieren den Erfolg nicht. Das ist der Grund, warum Lugano seit dem letzten Titel von 2006 zwar über 100 Millionen ausgegeben, aber nie mehr eine Playoffserie gewonnen hat. Und so kommen wir zum «vielleicht» in der Antwort, ob Damien Brunner zu Lugano passt.
Es geht um die meisterschaftsentscheidende Frage, welchen Einfluss einer wie Damien Brunner auf die Chemie eines Teams hat. Präsidentin Vicky Mantegazza, Trainer Patrick Fischer und Sportchef Roland Habisreutinger haben bei der Zähmung der vielen Alphatiere und sportlichen Gaukler Wunder vollbracht. Es gibt in Lugano wieder eine Hierarchie im Team und damit auch eine Leistungskultur. Nun folgt die ganz grosse Herausforderung. Denn Damien Brunner hat ein Hockey-Ego gross wie der San Salvatore inkl. Seilbahn. Auch deshalb ist er der beste, der schlauste Skorer mit Schweizer Pass geworden.
Einer wie Damien Brunner steigt bei einem NLA-Team nicht unten in der Hierarchie ein. Sondern ganz oben. Und dort macht niemand freiwillig Platz. Mit Damien Brunner hat Lugano die explosivste Chemie der Liga. Und die teuerste Mannschaft seiner Geschichte.
Damien Brunner beschert uns in Lugano ein garantiertes Doppelspektakel. Beste Unterhaltung während der ganzen Saison auf und neben dem Eis. Das ist eigentlich ja viel mehr Wert als eine Meisterfeier. Eine Meisterfeier dauert ja nur eine Nacht.