Die Veränderungen seien dramatisch. Das sagt Christian Dubé (46) über die Entwicklung unseres Hockeys seit seiner ersten Saison als Spieler (1999/00) in Lugano. «Damals war es möglich, den Puck hinter dem eigenen Tor zu übernehmen und bis ans andere Ende des Spielfeldes zu laufen. Das ist heute absolut unmöglich.» Zu gut die Defensivsysteme, zu ausgeglichen die Liga.
Aus dem charismatischen Schillerfalter auf dem Eis, einmal Meister mit Bern (2004), ist nach mehr als 800 Spielen mit über 800 Punkten inzwischen ein ebenso charismatischer Hockey-General geworden. Seit 2015 kommandiert er Gottéron neben dem Eis als Sportdirektor. Seit Oktober 2019 auch als Cheftrainer auf dem Eis. Die Doppelbelastung wird er erst Ende Saison abgeben und sich dann auf das Amt als Coach konzentrieren.
Die Veränderungen mögen also dramatisch sein. Unverändert geblieben ist hingegen das Drehbuch fürs Drama Gottéron. Es reicht einfach nicht zum Titel. 1992 und 2013 ist der SCB im Final zu böse, zu kräftig und zu wuchtig. 1993 und 1994 sind die Klotener im Final taktisch zu schlau. Bereits vor der Einführung der Playoffs (1986) war Gottéron im Frühjahr 1983 mit sechs Punkten Rückstand auf Champion Biel «Vizemeister». In diesen Tagen ist Gottéron erst auf dem beschwerlichen Weg zu meisterlichem Ruhm oder vizemeisterlichem Trompetengold auf einer Via Dolorosa. Einer schmerzensreichen Strasse.
2013 war Christian Dubé als Spieler dabei. Ob er nun elf Jahre später als Cheftrainer in den Final einziehen wird, ist weiterhin offen. Am Mittwoch hat Gottéron nach 106:14 Minuten in Lausanne 2:3 verloren und es steht im Halbfinal 1:1. Länger dauerten bisher nur zwei Partien: Bern gegen Servette im Viertelfinal von 2019 (117:43 Minuten/3:2) und Servette gegen Lugano ebenfalls im Viertelfinal vor einem Jahr (114:06 Minuten/3:2). Beide Sieger sind Meister geworden. Kein gutes Omen für Gottéron.
Christian Dubé hat seinen Spielern am Donnerstag freigegeben. Damit sie sich körperlich und seelisch vom «Marathon-Spiel» erholen können. Chris DiDomenico hat die Rekordeiszeit für Stürmer von 39:37 Minuten in den Beinen. Schon im Viertelfinal mussten Gottéron und Lausanne über die maximale Distanz von 7 Partien gehen und «DiDo» stürmte pro Partie länger als jeder andere Stürmer (21:14 Minuten). Christian Dubé sagt, die Belastung sei zu verkraften. Wer immer den Final erreiche, werde dazu in der Lage sein, die ZSC Lions zu fordern. Seine Worte in den Ohren der Hockey-Götter.
Energie, Technik und Talent sind entscheidende Faktoren auf dem Kreuzweg zum Ruhm. Die stärkste Kraftquelle aber ist eine Mission: Ein Team, das sich auf einer Mission befindet, kann einen hockeytechnisch besseren Gegner besiegen. Keine Frage: Gottéron im Allgemeinen und Andrei Bykow (36) im Besonderen sind auf einer Mission: Der russisch-schweizerische Doppelbürger wird keinen neuen Vertrag mehr erhalten. Es ist seine letzte Chance, das Werk, das sein Vater vor 34 Jahren im Herbst 1990 mit dem Wechsel von Moskau nach Fribourg begonnen hat, meisterlich zu krönen. Slawa Bykow (63) ist im Herzen stolzer Russe geblieben, aber in Fribourg hat er seine zweite Heimat gefunden. Hier lebt er heute und kümmert sich um seine Enkelkinder und wenn sein Sohn spielt, ist er im Stadion.
Bykow junior hat nie für einen anderen Klub als Gottéron gespielt und am Ende der Saison wird er seine Karriere nach mehr als 800 Partien und über 500 Punkten für Gottéron beenden. Neben Julien Sprunger ist er im aktuellen Team der Einzige, der schon 2013 im letzten Final eine Rolle gespielt hat. Damals war er mit 17 Punkten aus 17 Partien Gottérons Topskorer und der drittbeste Punktesammler der Playoffs von 2013. Nun sind es beim Ritt in das Abendrot seiner Karriere in bisher 7 Playoff-Spielen noch 2 Punkte.
Christian Dubé glaubt an die Kraft der Leidenschaft auf dieser Mission. «Das gilt für alle, nicht nur für Andrei. Wir sind eine Gruppe, die zusammenhält.» Für Veteranen wie Julien Sprunger oder eben Andrei Bykow ist es vielleicht die letzte Chance, doch noch Meister zu werden. Für Andrei Bykow sogar definitiv die letzte. Der Trainer sagt, das sei Motivation und nicht Belastung.
Würde er seine Meinung ändern und den Vertrag von Andrei Bykow im Falle einer Meisterfeier doch noch um ein weiteres Jahr verlängern? Die Frage nervt Christian Dubé inzwischen. «Das ist hundertmal diskutiert worden. Es ist, wie es ist. Ein Titel wäre für Andrei der krönende, perfekte Abschluss der Karriere.» Jede Laufbahn gehe einmal zu Ende. Das sei auch bei Wayne Gretzky oder Mario Lemieux so gewesen. Immerhin: Für Julien Sprunger (38) gibt es noch eine nächste Chance: Sein Vertrag läuft noch bis zum Ende der nächsten Saison. Christian Dubé mag die Kritik nicht hören, bei Gottéron gehe diese Saison eine Ära zu Ende. «Wir sind dazu in der Lage, die Mannschaft zu erneuern und uns auch nächste Saison in der Spitzengruppe zu halten.» Auch seine Worte im Ohr der Hockey-Götter.
Wenn je der Spruch gegolten hat, dass ein Klub nicht alleine von Titelgewinnen lebt, dann für Gottéron. Diese Saison sind erstmals in der Geschichte alle Heimspiele restlos ausverkauft. Wenn es vom September bis im März rockt, dann spielt es eigentlich fast keine Rolle, wenn im April der Playoff-Blues kommt. Oder doch? Der Architekt lässt von Baumeistern seine Werke in Stein und Stahl die Zeiten überdauern. Der Komponist sieht seine Melodien in Noten verewigt und der Chronist in bleibenden Worten und Werken. Aber die Taten der Spieler und Trainer bleiben flüchtig, der Jubel zwischen September und März verhallt, die Siege zwischen September und März verblassen. Ruhm bleibt nur für immer im Gedächtnis haften, wenn die Namen im goldenen Buch der Meister verewigt werden. Und zwar im Buch der April-Meister. Gottéron war bisher erst im September, Oktober, November, Dezember, Januar, Februar und März meisterlich. Aber noch nie im April.
Die Zeichen stehen erneut auf viel vergängliches Drama ohne meisterliche Krönung. Christian Dubé musste als Spieler von Lugano nach Bern zügeln, um endlich den Meisterpokal stemmen zu können. Vielleicht muss er auch als Trainer den Klub wechseln, um ein meisterlicher Bandengeneral zu werden. Sein Vertrag mit Gottéron endet im Frühjahr 2025. Die nächste Station muss ja nicht unbedingt Bern sein.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte