Aus einer Statistik lässt sich fast immer eine Polemik oder mindestens eine Story drechseln. Im Fall von Biel geht es für einmal um die Frage, warum in unserer höchsten Liga – anders als in Schweden oder Finnland – Talente eher weniger Eiszeit bekommen. Zum fehlenden Vertrauen in junges einheimisches Schaffen gibt es interessante Zahlen.
Biel verliert am Mittwoch zwar in Zürich 1:2, kassiert aber nur zwei Gegentreffer. Zwei Tage später besiegen die Bieler am Freitag Kloten in der Verlängerung 5:4. Sie lassen vier Gegentore zu. Wir dürfen also sagen: In Zürich war die Defensivleistung statistisch doppelt so gut (2 statt 4 Tore kassiert) wie gegen Kloten.
In Zürich fehlen die beiden ausländischen Verteidiger Alexander Yakowenko (24) und Viktor Lööv (30) krankheitshalber. Also müssen die jungen Hinterbänkler ran. Noah Delémont (20) schultert 19:26 Minuten Eiszeit (neutrale Bilanz). Yanick Stampfli (22) verteidigt während 18:52 Minuten (neutrale Bilanz) und Luca Christen (24) wird für 13:36 Minuten (-1) aufs Eis geschickt. Noah Delémont spielt den letzten Pass beim Ausgleich zum 1:1. Die «Kinder-Verteidigung» bewährt sich also defensiv und offensiv vortrefflich.
Gegen Kloten sind die defensiven Titanen wieder dabei. Viktor Lööv kehrt mit 23:07 Minuten (-1) und Alexander Yakowenko mit 22:00 Minuten Eiszeit (+3) zurück. Das bedeutet viel, viel weniger Verantwortung für die jungen Helden von Zürich: Noah Delémont darf noch 12:39 Minuten aufs Eis (neutrale Bilanz). Yanick Stampfli muss sich mit 6:06 Minuten begnügen (neutrale Bilanz) und Luca Christen auf der Tribüne Platz nehmen. Nur Alexander Yakowenko kann sich einen Skorerpunkt gutschreiben lassen (für den Assist zum 5:4-Siegestreffer). Mit den beiden ausländischen Verteidigern ist Biels Abwehr also gegen Kloten rein statistisch defensiv schwächer und offensiv gleich gut wie ohne ausländische Abwehrspieler in Zürich.
Bei beiden Partien stand Simon Rytz im Tor. Hinter der Abwehr ohne ausländische Verteidiger stoppte er in Zürich 96,15 Prozent der Pucks. Gegen Kloten waren es – bei zwei ausländischen Verteidigern – noch 87,88 Prozent. Hier können wie noch den Spruch anfügen: Ein Goalie ist immer nur so gut wie seine Vorderleute.
Dieser statistische Vergleich ist natürlich nur eine Momentaufnahme aus gerade mal zwei von 52 Partien. Daraus Wahrheiten ableiten zu wollen oder die Zahlen gar als Grundlage für eine billige Polemik zu verwenden, wäre nicht seriös. Viktor Lööv und Alexander Jakowenko gehören zu den zentralen Elementen in Biels erfolgreichem Spiel. Alexander Jakowenko hat sogar die beste Plus/Minus-Bilanz (+21) aller Verteidiger der Liga und mit 24 Jahren den Zenit seines Schaffens noch nicht erreicht.
Und doch provoziert die Statistik die Frage: Was wäre eigentlich, wenn Biel sechs hochkarätige ausländische Stürmer einsetzen und in der Defensive ganz auf jugendliches eidgenössisches Schaffen setzen würde?
Das wäre abenteuerlich und es gäbe auf Dauer nicht mehr genug Eiszeit für das stürmende einheimische Personal, für Damien Brunner, Fabio Hofer (er hat eine Schweizer Lizenz), Luca Cunti, Ramon Tanner, Gaëtan Haas, Luca Hischier, Mike Künzle oder Tino Kessler. Ein intaktes Team würde aus den Fugen geraten. Aber das Spektakel war mit ziemlicher Sicherheit noch grösser (falls das überhaupt möglich ist).
Die Bieler sind jetzt schon an einem guten Abend flinke Strandläufer am Rande des offensiven Wahnsinns, die es mit dem Laufen und Kurven und Kreisen oft übertreiben und den Abschluss vergessen: Nur Ajoie und Langnau haben diese Saison noch weniger Schüsse aufs Tor abgegeben als Biel. Offensive Kunst der Kunst willen oder – wie die Welschen sagen: L’art pour l’art. Auch das gehört zur Faszination Biel.
Die Wahrheit des Tages in einem so unberechenbaren Spiel steht oben auf der Resultatanzeige: 1:2 gegen die ZSC Lions, 5:4 n.V gegen Kloten. Das spricht für den Einsatz der zwei ausländischen Verteidiger.
Die Zeit der Wahrheit kommt sowieso erst in den Playoffs: Sind die Bieler erstmals in ihrer Geschichte dazu in der Lage, ihr hochentwickeltes Lauf- und Tempospektakel mit zwei ausländischen Verteidigern so zu stabilisieren, dass sie bis in den Final stürmen können? Es wäre der verdiente Lohn für den Mut, eine ganz besondere offensive Spielkultur zu entwickeln, zu hegen und zu pflegen.