Der Zufall führt zum Fernduell der Überraschungsteams. Holen die Langnauer heute Abend auswärts in Zürich einen Punkt mehr als die Bieler in Genf, dann rutschen sie ins Play-In und für Biel ist die Saison zu Ende. Biel ist die negative, Langnau die positive Überraschung der Qualifikation.
Die Langnauer sind vor einem Jahr nicht über den zweitletzten Platz (13.) hinausgekommen und sicherten sich erst im Playout-Drama gegen Ajoie den Ligaerhalt. Die Bieler stürmten auf den zweiten Platz und verspielten den Titel erst in der siebten und letzten Finalpartie in Genf. Nun müssen sie sich in der letzten Qualifikationspartie gegen das vorzeitige Saisonende wehren.
Es gibt verschiedene Wege, um eine Krise zu lösen. In Langnau hat Sportchef Pascal Müller Trainer Thierry Paterlini auch nach acht Niederlagen in Serie nie infrage gestellt und ihm in dieser kritischen Phase gar noch den Vertrag um ein Jahr verlängert. In Biel hat Sportchef Martin Steinegger drei Spiele vor Qualifikationsende Petri Matikainen beurlaubt und steht mindestens bis Saisonende selber an der Bande.
Für Pascal Müller ist die Aufgabe etwas leichter. Weil es einfacher ist, eine Mannschaft aufzubauen und weiterzuentwickeln als eine erfolgreiche Mannschaft zu erneuern, die ihren Zenit überschritten hat. Ist Pascal Müller klüger als Martin Steinegger? Nein. Beide haben die richtige Entscheidung getroffen. Beide arbeiten nicht einfach als Sportchefs. Beide leben diesen Job.
In Langnau gab es trotz einem Zwischentief keinen Grund, an Paterlini zu zweifeln. Er hat die Mannschaft letzte Saison übernommen, stabilisiert und die Leistungskultur verbessert – und nun zinsen die Fortschritte mit der besten Saison seit den letzten Playoffs (2019). Ein zentraler Erfolgsfaktor: Er setzt auch auf die Eigenverantwortung. Ein Trainer, der darauf vertraut, dass die Leitwölfe in der Kabine auch mal ohne seine Anwesenheit zum Rechten schauen.
Mit Martin Steinegger an der Bande haben die Bieler am Samstag nach einer Penalty-Niederlage gegen Davos (4:5) nun Lugano mit 6:1 vom Eis gefegt. Die Reaktion auf den Trainerwechsel ist also heftig und positiv. Auch hier ist – wie in Langnau – die Eigenverantwortung der Mannschaft ein Schlüsselfaktor. Steinegger sagt auf die Frage, ob er getobt und die Schraube angezogen habe: «Nein. Wenn auf den Trainerwechsel keine Reaktion erfolgt wäre, dann müssten wir uns wirklich Sorgen machen.» Die Reaktion ist erfolgt, ohne dass der Chef den Chef markieren musste.
Müller hat Langnaus Team für die nächste Saison bereits zusammengestellt. Paterlini bleibt Trainer und wichtige Transfers stehen nicht mehr an. Bis zum Saisonstart im nächsten Herbst sind lediglich ein paar transfertechnische Handgriffe zur Ergänzung und Optimierung erforderlich. Steinegger in Biel steht hingegen vor hektischen Wochen: Er hat die wichtigste Position noch nicht besetzt. Er weiss nach wie vor nicht, wer nächste Saison Trainer sein wird.
Verpflichtet Biels Sportchef den falschen Trainer, riskiert er die schwerste Krise seit dem Wiederaufstieg (2008). Die Erneuerung des Teams erfordert einen grossen Trainer. Mit der Übergangslösung Petri Matikainen ist die «Ära Törmänen» abgeschlossen. Die Jahre des Ruhmes und der Titelträume sind vorbei. Aber nun auch die Schonfrist einer Übergangslösung.
Soll Biel in der anstehenden Phase der Erneuerung weiterhin auf die finnische Hockeykultur setzen oder einen komplett neuen, vielleicht gar revolutionären Weg gehen? Kommt Martin Steinegger gar in Versuchung, Trainer zu bleiben, wenn er das Play-In schafft oder gar die Viertelfinals erreicht? Diese Versuchung kann so gross werden, dass er ihr nicht widerstehen kann. Gänzlich ausschliessen mag er dieses Abenteuer nicht. So wie in jedem Manne ein Kind, so wohnt in jedem Sportchef ein Trainer.
Martin Steinegger nächste Saison Trainer in Biel? Mit Beat Forster als Assistent? Biel hatte schon einmal einen Sportchef, der in der Not Trainer geworden ist und es in dieser Position zum «Hockey-Gott» gebracht hat: Kevin Schläpfer. Martin Steinegger wie Kevin Schläpfer? Einen Versuch wagen und dabei scheitern würde zumindest einen Gewinn an Wissen und Erfahrung plus wochen- und vielleicht monatelang schier unbezahlbare Unterhaltung bringen.
Mit Jukka Jalonen ist ausgerechnet auf nächste Saison einer der ganz Grossen des Welthockeys zu haben, der sich eine neue Herausforderung in Biel vorstellen kann. Verzichtet Steinegger auf den Versuch, den Olympiasieger und Weltmeister zu engagieren, dann muss er sehr gute Gründe haben. Er steht vor dem heikelsten, schwierigsten Personalentscheid seiner Karriere als Sportchef. Wenn die Kommunikation einfach, klar und wahr ist, wenn das Engagement für die Sache spür- und sichtbar ist, dann verzeiht das Publikum eine sportliche Krise oder einen Fehlentscheid auf der Trainerposition. Das durfte Biel diese Saison erfahren.
In Langnau ist die Stadionauslastung im Vergleich zur Vorsaison von 83,18 auf 93,42 Prozent gestiegen. Logisch. Langnau spielt die beste Qualifikation seit den letzten Playoffs von 2019. Hingegen eher unlogisch: Biel spielt die schwächste Saison seit 2016. Aber die Stadionauslastung ist gegenüber der letzten, bisher erfolgreichsten Saison seit dem Wiederaufstieg (2008) von 89,05 auf 97,08 Prozent gestiegen.
Hockeykultur bedeutet: Der Mensch lebt nicht nur vom Resultat allein. Biel und Langnau haben eine hoch entwickelte, wahre Hockeykultur. Dass ausgerechnet diese beiden Teams ein Fernduell um die Fortsetzung der Saison austragen, ist eine ganz besondere Ironie des Hockey-Schicksals.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte