Einer, der sehr viel für unser Hockey tut, brachte es auf den Punkt: «Die Meldung, dass Michael Liniger Zugs neuer Trainer wird, ist für mich die beste Neuigkeit der Saison.» So ist es. Endlich wagt ein grosser Klub einem Schweizer Trainer eine Chance zu geben. Es ist ein reizvolles Experiment.
Ist «reizvoll» polemisch gemeint? Nein, ganz im Gegenteil. Da sei Gott davor. «Reizvoll» steht für interessant. Auf den ersten Blick ist Michael Liniger ein Trainer mit einem kleinen Namen. Als Spieler profilierte sich der Langnauer als Leitwolf in Kloten (2007 bis 2016) und stürmte mehrmals in den Playoff-Final. Als Trainer arbeitete er vier Jahre lang bei den GCK Lions, dem Farmteam der ZSC Lions. Im Sommer 2023 wechselt er als Assistent nach Zug. Er hat also noch bei weitem nicht einen so grossen Namen als Trainer wie sein Lehrmeister Dan Tangnes. Ein grosser Name erleichtert dem Trainer die Arbeit gerade bei einem grossen Klub (und Zug ist ein grosser Klub) enorm. Das ist im Eishockey nicht anders als im Fussball. Und wenn Assistenten beim gleichen Klub Chefs werden, kann es funktionieren. Wie in Genf mit Jan Cadieux. Oder es kann nicht funktionieren. Wie soeben bei Gottéron mit Patrick Emond.
Das Experiment mit Michael Liniger kann, ja müsste eigentlich funktionieren. Weil es bei Lichte besehen kein Experiment ist. Wahrscheinlich hat sich noch kein anderer Schweizer so geduldig und gründlich auf das Amt eines Cheftrainers vorbereitet. Acht Jahre lang hat er entweder in der zweithöchsten Liga (als Chef in der «geschätzten Werkstatt» der GCK Lions) oder als Assistent gedient, zuletzt ein Jahr bei Zug und bei der Silber-WM 2024 von Nationaltrainer Patrick Fischer. So gesehen ist er zwar nicht landesweit berühmt (also kein grosser Name), aber in der Branche doch wohlbekannt; und einer, der ihn gut kennt, sagt, man sollte nicht den Fehler machen, Michael Liniger zu unterschätzen: «Er hat es faustdick hinter den Ohren.» Hockeytechnisch natürlich.
Eigentlich war sein Vater Max Liniger berühmter: Er spielte 1959 in der Film-Komödie «Hast noch der Söhne ja…?» von Lukas Ammann die männliche Hauptrolle. Bei prominenter Besetzung mit Walter Roderer, Schaggi Streuli und Heinrich Gretler. Dabei war Max Liniger nie Schauspieler. Sondern Sekundarlehrer in Langnau und TK-Chef und Sommertrainer beim SC Langnau. Und Feld- und Hallenhandball-Internationaler. Zugs Sportchef Reto Kläy hat sich die Sache gründlich überlegt. Wer bei einer Trainersuche professionell vorgeht, prüft – etwas vereinfacht erklärt – fünf Kompetenzen: Die Fach-, die Methoden-, die Führungs- sowie die Sozial- und Selbstkompetenz. Es wird also untersucht, ob einer fachlich auf der Höhe ist. Ob er dazu in der Lage ist, erwachsene Männer, die fürstlich bezahlt werden, um zu spielen und nicht um zu arbeiten, Tag für Tag zur Arbeit anzuhalten. Ob er strukturiert vorgehen und seine Mitarbeiter bzw. Assistenten einbeziehen kann. Ob er spürt, wie die neue Spielergeneration tickt und ob er Selbstvertrauen, Umgangsformen und Charisma hat.
Michael Liniger hat in allen Kompetenzbereichen Bestnoten. Auch von Nationaltrainer Patrick Fischer kamen beste Empfehlungen. Als ausgebildeter Lehrer hat Michael Liniger sogar eine Ausbildung in Pädagogik. Und es gibt einen erfreulichen Nebeneffekt: Ein Schweizer Trainer kostet nur ungefähr halb so viel wie ein Ausländer, der netto gelöhnt wird (Steuern zulasten des Klubs).
Nun mag man noch einwenden, Michael Liniger habe doch seinerzeit das Angebot abgelehnt, die SCL Tigers zu übernehmen. Auch deshalb ist heute Thierry Paterlini Trainer in Langnau.
Die Absage war wohlüberlegt: Ein Schweizer hat es nach wie vor schwerer als ein Ausländer. Bei akribischer Karriereplanung sollte eigentlich ein Schweizer nur ein Team übernehmen, mit dem er die Erwartungen erfüllen kann, wenn er nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet. Was nützt es, nach bestem Wissen und Gewissen zu arbeiten und dann zu scheitern, weil die Mannschaft einfach nicht gut genug war? Eben.
Nun stimmt alles: Die Zuger wollen Michael Liniger, er kann in einem hochprofessionellen Umfeld arbeiten, die Mannschaft ist gut genug, um nächste Saison die gesteckten Ziele zu erreichen und er hat sich so gründlich wie nur menschenmöglich auf diese Aufgabe vorbereitet.
Kommt dazu: Dan Tangnes hatte auch noch keinen grossen Namen, als er nach Zug kam. Und mit Josh Holden arbeitet ein ehemaliger Assistent von Dan Tangnes inzwischen erfolgreich in Davos. Das sind gute Omen (= Vorzeichen).
Das bedeutet aber auch: Ausreden wird es keine geben in einem Business auf einer rutschigen Unterlage und einem Spiel, in dem eine Zufälligkeit über Sieg und Niederlage, Scheitern und Triumph, über eine ganze Karriere entscheiden kann.
Auf der anderen Seite hätte in Zug auch etwas frischer Wind gut getan.
Man setzt also auf Kontinuität in Zug. Spieler die gegen den Trainer spekulieren und spielen wird es in Zug nicht geben.
Nur ein Verpassen der Halbfinals liegt nicht drin.