Mal angenommen, bei Gottéron wäre am Dienstagabend immer noch Hans Kossmann an der Bande gestanden. Dann gäbe es nach dem 1:4 gegen den SC Bern nur eine Meinung: Dieser Trainer muss weg!
Es war in diesem Spiel gegen den SCB ja offensichtlich, dass die Mannschaft gegen ihren ungeliebten und strengen Chef gespielt hat. Die schon fast provokative Lustlosigkeit ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Trainer die Mannschaft nicht mehr erreicht. Oder?
So hätten alle geurteilt und zu dieser Analyse wäre anerkennend genickt worden. Gottéron hat im schwächsten Saisonspiel gegen den SC Bern sang-, klang- und vor allem emotionslos verloren. Richtig ist an dieser Analyse nur der letzte Satz: Es stimmt, Gottéron hat noch kläglicher verloren als das Resultat vermuten liess.
Das ist einigermassen erstaunlich. Denn der Trainer, der ungeliebte Hans Kossmann, ist bereits am Sonntagnachmittag entlassen worden. Vom Ruck, der in der Regel nach einem Chefwechsel durch die Mannschaft geht, war nichts zu sehen. Ja, das ewige Gesetz des Mannschaftsportes, wonach ein Trainerwechsel wenigstens kurzzeitig etwas bewirkt, gilt für Gottéron diesmal nicht.
Wahrscheinlich hat es in der Neuzeit noch keinen Trainerwechsel gegeben, der so wenig bewirkt hat wie diese Entlassung von Hans Kossmann. Mit ziemlicher Sicherheit die wirkungsloseste Trainerentlassung aller Zeiten.
Bitterböse Kritiker monieren, im «Zirkus Gottéron» hätten gegen den SCB halt die Clowns nicht die Pausenunterhaltung gestaltet. Sondern das Hauptprogramm. Dieser Spott ist auf den bisherigen kanadischen Assistenten René Matte gemünzt. Er führte in diesem einen Spiel die Mannschaft zusammen mit Juniorenchef Dany Gelinas.
Unter René Matte hat Gottéron schon 2011 nach der Entlassung von Cheftrainer Serge Pelletier sieben Spiele hintereinander verloren. Niemand nimmt René Matte, den braven, loyalen Assistenten, ernst. Am Samstag gegen Davos wird der neue Trainer an der Bande stehen. Nach wie vor sind Gerd Zenhäusern und Andrej Chomutow die aussichtsreichsten Kandidaten.
Warum hat die Trainerentlassung vorerst nichts bewirkt? Die Ratlosigkeit bei Gottéron war nach dem Spiel gross. Selbst Christian Dubé (37), ein Routinier mit der Erfahrung aus mehr als 700 NLA-Spielen, wusste keine Antwort auf diese Frage. Die Stimmung im Training und vor dem Spiel sei gut gewesen. Alle hätten gewollt. Aber es sei einfach nicht gegangen.
Die Ursachen für diese tiefe Krise sind nicht im taktisch-technischen oder konditionellen Bereich zu suchen. Gottéron liefert vielmehr ein Beispiel, dass im Eishockey manchmal der Kopf und das Herz wichtiger sind als die Füsse und die Hände.
Ginge es bei Gottéron, wie so oft in seiner Geschichte, ums Überleben, dann wäre der «heilige Zorn» durch die Trainerentlassung wohl geweckt worden. Aber es geht bei Gottéron nur um die verlorene Ehre als Spitzenteam. Das weckt vorerst noch nicht die grossen Emotionen. Das Unternehmen steht zum ersten Mal seit drei Jahren wieder mal in einer Krise. Gottéron muss sich wieder an strube Zeiten gewöhnen.
Der SC Bern hat in Fribourg bei der letzten möglichen Ausfahrt die Krisen-Autobahn gerade noch verlassen, die Gunst der Stunde genutzt und den ersten Auswärtssieg eingefahren. Ob der Gegner sein bestes Hockey oder die schwächste Saisonpartie spielte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Schliesslich gilt auch, dass ein Team nur so gut spielt wie es der Gegner zulässt.
Wenn der Trainer für Niederlagen verantwortlich gemacht wird, dann ist er fairerweise auch für den Sieg zu loben. Also: SCB-Trainer Guy Boucher hat diesmal die richtige Strategie gewählt. Eine Prügelei in der dritten Minute (mit den Berger-Brothers, Schilt und Sprunger) heizte das Klima nicht auf und weckte Gottérons heiligen Zorn nicht.
Vielmehr markierte dieses Intermezzo für Gottéron bereits den Anfang von Ende. Das daraus resultierende Powerplay führte zum 1:0 für Bern. Von diesem Zeitpunkt an stand der Sieg nie mehr in Frage.
Der SCB und sein Torhüter Marco Bührer haben nun die grosse Chance, mit Siegen am Freitag (Ambri/h) und am Samstag (Biel/a) auf dem langen, beschwerlichen Weg zurück zu normalen Verhältnissen eine Atempause einzulegen. Und für Gottéron ist noch längst nicht aller Tage Abend. Der Rückstand auf den letzten Playoffplatz beträgt 8 Punkte. Es ist Gottéron schon mal gelungen, 14 Punkte Rückstand auf den 8. Platz aufzuholen. Aber das war das alte, krisenerprobte Gottéron.