Die Statistik ist eindeutig: Die Zuger sind besser. Sie haben gegen Lugano (4:0) und Lausanne (4:1) in nur neun Partien das Finale erreicht. Der SCB benötigte gegen Servette (4:2) und Biel (4:3) 13 Spiele. Also ist Zug Favorit.
Falsch. Statistiken spielen keine Rolle mehr. Nun tritt die Erfahrung in den Vordergrund. Wer diese finale Auseinandersetzung am Ende einer langen Saison aus Erfahrung kennt, ist im Vorteil.
Die Berner kennen Playoff-Final. Die Zuger nicht. Seit ihrem einzigen Titel von 1998 haben sie nur noch einmal (2017) um die höchste Auszeichnung gespielt. Der SCB steht allein seit 2010 zum sechs Mal in der letzten Runde um Lob und Preis und ist dabei viermal Meister geworden.
SCB-Cheftrainer Kari Jalonen hat fünf Meisterschaften gewonnen. Eine davon 2017 mit dem SCB. Zugs Dan Tangnes hat noch nie einen Titel gefeiert und erst in Zug zum ersten Mal eine Playoffserie überstanden.
SCB-Torhüter Leonardo Genoni ist vierfacher Meister-Goalie. Zugs Tobias Stephan war noch nie Meister. Torhüter entscheiden Playoffserien.
Aber alles reduziert sich auf die Frage ob die Zuger den Mut haben, den Bernern davonzulaufen. Der SCB hat auf seinem Weg ins Finale viel mehr Energie verbraucht. Kari Jalonen forcierte seine besten Spieler rücksichtslos, Dan Tangnes hat vier Linien durchgewechselt und die Energien besser verwaltet.
Aber nur wenn der Coach und die Spieler den Mut zum offensiven Tempospiel auch gegen den robusten SCB haben, nützt der Energievorteil etwas. Die Zuger haben nur eine Chance, wenn sie auch dann nicht innehalten, wenn mal etwas schiefgeht und wenn sie in Rückstand geraten. Wenn sie sich nicht beirren, ablenken, provozieren oder einschüchtern lassen. Das bedeutet, dass sie von allem Anfang an auch auswärts das Spiel diktieren müssen. Dass so gespielt wird, wie sie es wollen.
Gelingt es hingegen Kari Jalonen, den Zugern seinen Stil aufzuzwingen, das Spiel zu entschleunigen und aus Bewegungshockey ein defensives Schablonenspiel – also SCB-Hockey - zu machen – dann wird der SCB Meister.
Die Bieler haben es im Halbfinale beinahe geschafft, den Bernern davonzulaufen. Sie verloren die Serie nicht im 7. und letzten Spiel. Da waren sie gegen einen grimmig entschlossenen SCB chancenlos. Sie verspielten alles in der 6. Partie auf eigenem Eis. Als ihr Sturmlauf mit einer 0:1-Niederlage endete. Sie sind letztlich an Leonardo Genoni gescheitert. Er hat im Halbfinale gegen Biel 210 von 220 Schüssen gehalten.
Der SCB gerät nur ins Wanken, wenn Zug pro Partie mindestens 30 Schüsse auf Leonardo Genoni bringt. Auch das bedeutet: Laufen, laufen, laufen. Soweit die Schlittschuhe tragen.
Zug gegen Bern ist nicht nur das Duell der Torhüter. Es gibt zwei Feldspieler, die den unterschiedlichen Stil personifizieren und erklären. Simon Moser (30) und Lino Martschini (26).
Zwei Spieler mit Kultstatus. Der SCB-Vorkämpfer steht für Wucht, Mut, Härte, Wille und Checks. Berns Antwort auf Eric Lindros. Ein Titan (187 cm/97 kg), der durch seine Gegenspieler hindurchfährt oder sie einfach zur Seite schiebt. In 13 Playoffpartien hat er schon fünfmal getroffen.
Die Zuger Zaubermaus (168 cm/66 kg) zelebriert mit Beweglichkeit und Eleganz Tempohockey und läuft Härte und Checks davon. Ein Mann, der um seine Gegenspieler herumfährt. In nur 9 Playoffspielen hat er auch fünfmal getroffen.
Beide haben die Chance, im Finale eine Heldengeschichte zu schreiben. Und auch hier geht es um die «Tempofrage»: Lino Martschini muss Simon Moser davonlaufen.
Laufen, Laufen, Laufen, einem erfahrenen, grimmig entschlossenen Titanen das Spiel aufzwingen, sich nicht irritieren lassen – das alles ist auch eine Frage des Selbstvertrauens, der Fähigkeit, sich auf sein eigenes Spiel zu konzentrieren und zu ignorieren, was der Gegner macht.
Die Berner sind schliesslich doch noch unbeschadet aus dem offensiven Fegefeuer der Bieler herausgekommen. Sie haben eben meisterliches Selbstvertrauen. Diese Zuversicht gehört zur DNA des Hockey-Konzerns SCB. Die Zuger haben sie (noch) nicht.
Meisterliches Selbstbewusstsein ist sowieso ein Problem, ja ein Komplex unter der die Innerschweizer Sportkultur leidet. Zug ist erst einmal Meister geworden (1998), der FC Luzern auch nur einmal (1989). Noch erstaunlicher: es gibt erst einen einzigen Schwingerkönig aus der Innerschweiz (Harry Knüsel).
2019 kann das grösste Innerschweizer Sportjahr aller Zeiten werden. Mit Zugs zweitem Titel und mit der zweiten königlichen Krönung eines Bösen aus der Innerschweiz beim Eidgenössischen 2019 in…Zug.
Aber eben: die Zuger müssen ab heute laufen, laufen, laufen.
... Wie war jetzt das mit den Capitals in der NHL letztes Jahr.... :-P