Der «Hockey-Gott» ist entlassen. Wie konnte das nur passieren?
Wir haben zuletzt gegen Langnau und den ZSC auf eine Art und Weise verloren, dass ich nach dem Spiel in Zürich am Sonntag Stoney (Sportchef Martin Steinegger, Red.) und dem Villard (Manager Daniel Villard, Red.) gesagt habe: So geht es nicht weiter. Jetzt müssen wir auch über mich reden.
Sie haben sozusagen Ihre eigene Entlassung selber thematisiert?
Ja. Weil es um Biel und nicht mehr um mich geht. So konnten wir einfach nicht mehr weitermachen. Es ging nicht mehr. Es war wie verhext. Ich konnte ja meiner Mannschaft nicht einmal einen Vorwurf machen. Jeder hat sich aufgeopfert und jeder hat gekämpft.
Dann sind Sie von der Entlassung am Montag nicht überrascht worden.
Doch, ein wenig schon. Ich spürte zwar am Montag, dass etwas in der Luft liegt. Aber ich habe eher mit einem Ultimatum als mit einer Entlassung gerechnet. So in dem Sinne: Nun muss ich die zwei oder drei nächsten Partien gewinnen, sonst ist es vorbei.
Im Blick zurück – welche Fehler haben Sie gemacht?
Natürlich habe ich Fehler gemacht. Ich war letzte Saison nicht mehr nahe genug an der Mannschaft. Das mag damit zusammenhängen, dass ich im neuen Stadion mein eigenes, von der Kabine abgeschlossenes Trainerbüro hatte und nicht mehr gleich alles so mitbekommen habe wie vorher. So wusste ich beispielsweise nichts über die Schwierigkeiten mit Daniel Steiner. Ich habe mir dann vorgenommen, diese Saison näher dran zu sein.
Und trotzdem hat es nicht mehr funktioniert.
Es kommt mir fast so vor, als habe es so kommen müssen. Als sei meine Zeit in Biel nun abgelaufen. Ich bin 2006 nach Biel gekommen und seither haben wir so viele Schlachten gemeinsam geschlagen. Erst war ich Sportchef und es hat geheissen: Wir müssen aufsteigen, sonst kommt nie ein neues Stadion. Wir haben das geschafft. Dann mussten wir oben bleiben. Auch das ist uns gelungen. Und nun, da wir das neue Stadion haben, kommt es mir fast vor, als sei es für mich Zeit zu gehen, als beginne jetzt eine neue Zeit. Es sollte nicht mehr sein. Der Puck wollte nicht mehr meinen Weg gehen.
Es ist also nicht ein Abschied im Zorn?
Nein, nein. Es ist für mich sehr wichtig, dass wir in Biel nach so vielen Jahren als Freunde auseinandergehen. Ich habe keinerlei schlechte Gefühle. Es war wohl, wie ich vorhin sagte, an der Zeit, dass sich unsere Wege trennen. Ich habe auch die Zusicherung, dass mein Vertrag respektiert wird (läuft noch bis 2018, Red.) und dass es kein Theater geben wird. Das ist für mich sehr wichtig, ich könnte mit Biel nicht streiten. Das wäre für mich das Schlimmste. Ich habe auch das Gefühl, dass die Spieler hinter mit standen und keiner meine Absetzung gefordert hat.
Sind Sie sicher?
Ja. Wenn eine Mannschaft mit dem Trainer nicht mehr klarkommt, dann wenden sich der Captain oder der Spielerrat an den Sportchef und thematisieren den Trainer. Das war bei uns nicht der Fall. Ich schliesse nicht aus, dass es Spieler gegeben hat, die nicht mit allem einverstanden waren. Aber das gehört dazu. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich die Mannschaft nicht mehr erreiche.
Nach dem Transfer von Jonas Hiller war klar: Wenn es nicht läuft, dann wird der Trainer zum Sündenbock.
Aber das ist nicht die Schuld von Jonas Hiller. Ich muss ihm ein grosses Kompliment machen. Er hat keinerlei Starallüren gezeigt und sich in die Mannschaft integriert. Er hat uns Anfang Saison enorm Sicherheit gegeben. Was kann er dafür, wenn wir 1:2 gegen Kloten, 0:2 gegen Fribourg oder 2:3 gegen Langnau verlieren? Wir sind in diese kritische Situation geraten, weil wir zu wenig Tore erzielten und nicht, weil wir zu viele kassiert haben.
War die taktische Ausrichtung falsch?
Nein. Wir haben oft so viele Chancen herausgespielt, dass wir viele Partien einfach hätten gewinnen müssen. Nehmen wir nur die 2:3-Niederlage gegen Langnau. In neun von zehn Fällen gewinnen wir solche Spiele. Aber wie ich schon gesagt habe: Es scheint, dass es so kommen musste.
Sie hätten die Chance gehabt, im Herbst 2015 Nationaltrainer zu werden. Sie haben unter Tränen abgesagt. War das womöglich der Anfang vom Ende?
Ja, es ist so, dass es seither nie mehr richtig gelaufen ist. Da ist etwas passiert.
Bereuen Sie, dass Sie damals dieses Angebot nicht angenommen haben?
Nein. Viele haben mir damals gesagt: Kevin, jetzt musst du an dich denken und Biel verlassen. Du musst Egoist sein. Diese Chance musst du nützen. Aber ich hatte einen Vertrag mit Biel und ich konnte es mit den Werten, die ich vertrete, einfach nicht vereinbaren, einen laufenden Vertrag zu brechen und einen Klub im Stich zu lassen, der so viel für mich getan hat. Es mag ja sein, dass es für meine Karriere besser gewesen wäre, wenn ich damals Nationaltrainer geworden wäre. Aber für mich ist wichtiger, dass ich mit mir im Reinen bin und ein gutes Gewissen habe. Ich bin meinen Prinzipien treu geblieben und ich habe alles für Biel gegeben.
Dann haben Sie nach der Entlassung in der Nacht vom Montag auf den Dienstag gut geschlafen?
Ja, tatsächlich. Nicht lange, aber sehr gut. Ich ging am Montagabend mit meiner Familie essen und dabei habe ich gespürt, dass die Entlassung für meine Kinder fast schwieriger ist als für mich. Ich habe alle aufgemuntert und ihnen erklärt, dass das halt auch zum Geschäft gehört. Das Leben geht doch weiter! So schlimm ist es auch wieder nicht! Ich habe das Telefon am Montagabend ausgeschaltet und am Dienstagmorgen hatte ich mehr als 40 unbeantwortete Anrufe. Und viele aufmunternde SMS- und WhatsApp-Botschaften.
Wie geht es weiter?
Ich bin nun seit 30 Jahren pausenlos im Eishockey. Jetzt ist die Zeit für eine Pause gekommen. Eishockey ist mein Leben und davon komme ich nicht los. Ich werde also schon in zwei oder drei Wochen wieder irgendwo im Stadion sitzen, vielleicht nicht gerade in Biel. Ich werde die Zeit nützen, um mich anderorts ein umzusehen und zu lernen und ich werde bei anderen Trainern vorbeischauen und meine Batterien wieder aufladen. Für nächste Saison bin ich wieder bereit.
Spielte es eine Rolle, dass Sie wegen einer Infektion im Knie im Sommer im Rollstuhl sassen und jetzt nach wie vor nicht auf dem Eis arbeiten können?
Ich wollte schon im letzten Sommer besser zu mir schauen und die Batterien aufladen. Das war wegen dieser leidigen Geschichte mit dem Knie nicht möglich. Bei der Art und Weise, wie ich eine Mannschaft führe, spielt es schon eine Rolle, wenn ich im Training auf dem Eis nicht dabei bin.
Schweizer Trainer haben es schwer, neue Jobs zu finden …
… ja, aber ich bin davon überzeugt, dass immer wieder eine Tür aufgeht. Mein Wunsch ist es, wieder in der NLA arbeiten zu dürfen. Mal sehen, ob mir jemand eine Chance gibt. Ich werde im Frühjahr für eine neue Herausforderung bereit sein. Und dann soll es wieder rocken …