Wer einen schlechten Ruf hat, muss sich nicht mehr um Polemik bemühen. Zugs Verteidiger Johann Morant (33) checkt in der 34. Minute Berns Topskorer Mark Arcobello (31) in die Bande. Die Schiedsrichter schicken ihn für den Rest der Partie in die Kabine.
Die mediale Verurteilung folgt auf dem Fuss und nicht zu knapp. Sie orientiert sich am «Volkszorn» im Berner Hockey-Tempel.
Von einem «primitiven Foul» ist die Rede, von Post, die der Zuger Haudegen von den Hockeyrichtern bekommen werde. Die Frage ist gar nicht ob, sondern nur für wie viele Spiele er gesperrt werden wird.
Inzwischen steht fest: Gegen Johann Morant gibt es nicht einmal ein Verfahren. Er wird nicht für ein einziges Spiel gesperrt. Freispruch von der Hockey-Justiz auf der ganzen Linie.
Das Zuger Raubein ist ein Opfer seines bösen Rufes geworden. Immerhin ist er schon einmal für 14 Partien gesperrt worden. Weil er – noch beim SCB tätig – während des Playoff-Finals 2012 im Rahmen eines Faustkampfes ausgerastet war und ZSC-Stürmer Cyrill Bühler vermöbelt hatte. Seit dieser «ruchlosen» Tat wird er den bösen Ruf nicht mehr los.
War nun sein Foul am letzten Samstag in Bern «primitiv»? Müsste er für ein paar Spiele gesperrt werden? Nein.
Die TV-Bilder zeigen, dass es keinen Kontakt mit der Schulter, dem Ellenbogen oder dem Stock gegen den Kopf von Arcobello gibt. Wäre das der Fall, dann müsste Morant zwingend für mehrere Partien aus dem Verkehr gezogen werden. Checks gegen den Kopf gehören im Eishockey zu den «Todsünden».
Es war also «nur» ein Bandencheck, der auch mit 2 plus 10 Minuten geahndet werden kann. Stark vereinfacht gesagt: Bandencheck bedeutet, dass ein Spieler bei einem an und für sich korrekten Check gegen die Bande geworfen wird.
Dieser Zwischenfall ist ein Beispiel für eine ganz besondere Problematik: Das Verhalten der Spieler bei einem Check.
Die TV-Bilder zeigen uns, dass Mark Arcobello im Besitz der Scheibe ist. Er darf also gecheckt werden und muss mit einem Check rechnen.
Nun gibt es eine «rote Linie»: Der puckführende Spieler darf nicht von hinten gecheckt werden. Ein Angreifer muss innehalten, wenn ihm der Gegenspieler den Rücken zudreht.
Auf den TV-Bildern ist zu sehen, dass sich Arcobello in einer Drehbewegung befindet und dann getroffen wird. Der Tatbestand «Check von hinten» ist nicht gegeben.
Andererseits ist es eigentlich ein «unnötiger Check». Oder anders gesagt: Morant hätte diesen Check vermeiden können. Wenn er auch vor dem Gesetz der Hockeyrichter über die ausgesprochene Strafe hinaus unschuldig ist (keine Spielsperre) – für den Zwischenfall trägt er Verantwortung. Er ist also fast unschuldig.
Das Problem: Puckbesitz ist so wichtig, dass sich Spieler manchmal zu stark auf den Puck konzentrieren und dabei die Gefahr eines Checks ausblenden. Und umgekehrt wird alles darangesetzt, durch einen Check in Puckbesitz zu kommen. So wie in diesem Fall. Zugs Sportchef Reto Kläy hat einmal gesagt, wenn Morant auf dem Eis stehe, dann sei jeder Gegenspieler gewarnt und passe auf. Arcobello hatte offenbar die Präsenz des Zuger Abräumers nicht auf der Rechnung.
Zum grossen Glück ist dieser Zusammenstoss glimpflich abgelaufen. Mark Arcobello blieb unversehrt und konnte sofort weiterspielen.
Der «Fall Morant vs. Arcobello» steht für eine ungelöste Problematik im Hockey: Das Verhalten der Spieler bei Checks. Es ist ein Bereich, in dem noch viel Ausbildung notwendig ist. Die Fragestellung: Wie muss ich mich verhalten, um einen Check «auszuhalten?»
Der Entscheid der sehr guten Schiedsrichter war in diesem Fall richtig. Rein regeltechnisch hätten sie auch auf 2 plus 10 Minuten für Bandencheck entscheiden können. Aber die härtere Variante (Restausschluss) war die bessere Lösung – auch um die Situation zu beruhigen. In Echtzeit sah der Zwischenfall noch schlimmer aus, als er tatsächlich war.
Ob es zu keiner, einer oder mehreren Spielsperren kommt, entscheiden die Hockey-Richter. Es gibt also nach einem ersten Restausschluss nicht mehr – wie früher – eine automatische Spielsperre.
Die Hockey-Untersuchungsrichter nehmen jeden Bandencheck auf den TV-Bildern noch einmal unter die Lupe. Das war auch beim Fall «Morant vs. Arcobello» so. Sie haben den Hockeyrichtern nach eingehender Prüfung richtigerweise keinen Strafantrag gestellt. Mit dem Restausschluss ist das Vergehen Morants genügend bestraft. Weitere Sanktionen sind nicht angebracht.
Was ist die Lehre aus dieser Geschichte? Wenn Johann Morant auf dem Eis zu Gange ist, sollte jeder Gegenspieler den Kopf heben wie ein Hund im Roggenfeld und doppelt und dreifach aufmerksam sein. ZSC-Sportchef Sven Leuenberger weiss schon, warum er den Verteidiger für nächste Saison verpflichtet hat.