Das «Provisorium» hat es früher in unserem Schulsystem gegeben: Waren die Noten in drei Hauptfächern ungenügend, rutschten wir fürs nächste Quartal ins «Provisorium». Blieben die Hauptnoten weiterhin ungenügend, blieb man sitzen. Waren sie genügend, ging es flott weiter.
Davon später mehr.
Patrick Fischer fliegt zum internationalen Saisonauftakt mit dem Nationalteam zum Vierländerturnier (Karjala Cup) nach Tampere. Dort spielen die Schweizer gegen Finnland (Donnerstag), Schweden (Samstag) und Tschechien (Sonntag). Es geht darum, konkurrenzfähig zu sein. Um den Platz in dieser Turnierserie (es folgen in dieser Saison drei weitere) langfristig auch dann zu behalten, wenn Russland dereinst wieder in die Hockey-Familie aufgenommen werden sollte.
Noch wichtiger: Es geht bereits jetzt auch um die Heim-WM 2026 in Zürich und Fribourg. Die zentrale Frage: Tritt die Schweiz zur wichtigsten WM seit 17 Jahren mit Nationaltrainer Patrick Fischer an? Diese Frage ist die Folge des bitteren Scheiterns im WM-Viertelfinal gegen Deutschland (1:3). Nachdem die Schweiz das zweitbeste Team der gesamten Vorrunde – also aller 16 Teams – war und die Chancen auf eine Medaille, ja auf den WM-Titel durchaus realistisch waren. Die WM 2023 gilt wegen vieler Absenzen von NHL-Stars und ohne Russland und Weissrussland auf dem Papier als die am schwächsten besetzte des 21. Jahrhunderts. Entsprechend waren nach dem Ausscheiden Enttäuschung und Kritik.
Eine öffentliche Debatte um die Position von Patrick Fischer und Sportdirektor Lars Weibel ist weitgehend ausgeblieben. Auch aus strukturellen Gründen: Stefan Schärer hat das Verbands-Präsidium vom freundlichen «Apparatschik» Michael Rindlisbacher übernommen. Vernünftigerweise mag ein abtretender Verbandspräsident nicht noch den Nationaltrainer oder Sportdirektor absetzen und sein Nachfolger muss sich erst in die doch recht komplexe Materie einarbeiten. Um es salopp zu sagen: Der Führungswechsel hat Patrick Fischer und Lars Weibel geholfen.
Ob Patrick Fischers Mandat am Ende dieser Saison bis und mit zur WM 2026 verlängert wird oder nicht (er ist seit Dezember 2015 im Amt), entscheidet der Verwaltungsrat des Verbandes unter dem Vorsitz des neuen Präsidenten Stefan Schärer. Er ist Anfang September gewählt worden. In der Nationaltrainer-Frage geht der neue Vorsitzende klug und systematisch vor.
Grundsätzlich gibt es nach dem Scheitern bei der WM 2023 nun vier Zukunfts-Szenarien.
Bei der Beurteilung wird die personelle Situation berücksichtigt. Es spielt ja eine zentrale Rolle, welche NHL-Stars bei der WM dabei sind.
Um den Vergleich mit der Schule wieder aufzugreifen: Nach dem bitteren Scheitern im WM-Viertelfinal in Riga sind Verbandsportdirektor Lars Weibel und Patrick Fischer mit ungenügenden Noten sozusagen ins «Provisorium» geraten. Wenn es flott weitergehen soll, brauchen sie diese Saison ab sofort bessere Noten. Stefan Schärer stellt zwar klar, dass nicht er die Formulierung eines «Provisoriums» für den Nationaltrainer erfunden hat. Räumt aber ein: «Wenn Sie das so formulieren, kann ich damit leben.»
Zu den vier vorgängig formulierten Szenarien steht der Präsident. Im Falle der beiden ersten kann man davon ausgehen, dass das Mandat mit Patrick Fischer bis zur Heim-WM 2026 verlängert wird. Sonst wird es Veränderungen geben. Dessen ist sich der Nationaltrainer auch ohne präsidiale Vorgabe bewusst. Er hat im Rahmen einer SRF-Struktursendung (Sportpanorama) kürzlich in diesem Zusammenhang erklärt, er habe diese Saison die letzte Patrone im Revolver und deutete so an, dass die WM 2024 in Prag seine letzte Chance sei. Seine bemerkenswert selbstkritische Einschätzung ist realistisch. Nach dem Scheitern in den Viertelfinals von 2018 (Olympia), 2019, 2021, 2022 und 2023 ist der silberne WM-Ruhm von 2018 nach und nach verblasst.
Stefan Schärer steckt nach wie vor in einer Findungsphase und reist am Freitag zu zwei Spielen nach Finnland. Dort habe man die Möglichkeit zu weiteren Gesprächen. Die Nähe des Präsidenten zum Nationaltrainer und zu Verbandsportdirektor Lars Weibel ist gut zum Verständnis der Materie, kann aber auch dazu führen, dass im Falle eines Falles die personellen Konsequenzen doch nicht gezogen werden. Weil man sich ja inzwischen so gut kennt.
Es geht diese Woche für Patrick Fischer nicht nur um Resultate. Es geht auch darum, beim Verbandspräsidenten einen guten Eindruck zu machen. Das gilt eigentlich auch für Lars Weibel.
Die Vorrunde war ja wirklich Weltklasse an der letzten WM. Sie können es. Es liegt also am Kopf dieses Scheitern im Viertelfinal.
Erreicht Fischer die Spieler noch?
Denke ja, siehe Vorrunde.
Also, Provisorium finde ich richtig.