Erst hatte SCB-Manager Marc Lüthi von einer totalen Marktöffnung (keinerlei Beschränkung der Ausländer) fabuliert. Dann sollten es zehn werden. Alles mit dem Ziel, die Löhne zu senken. Bei diesen eifrigen Bemühungen, den Sport-Kapitalismus zu zähmen, mahnen die emsigen Liga-Reformer mit ihrem fehlenden Realitätssinn ein wenig an jene Sozialromantiker, verarmten Adligen, gelangweilten Bohémien, Anarchisten und Abenteuer die vor mehr als hundert Jahren versuchten, in turbulenten Zeiten mit einer Mischung aus Anarchie und Sozialismus die Welt zu retten.
Am 4. Januar hätte eigentlich der Aktionärs-Bindungsvertrag der neugegründeten National League AG unterschrieben werden sollen. Wegen wachsender Opposition ist die feierliche Besiegelung dieses Dokumentes nun auf Ende Januar verschoben worden. Aber die rastlosen Reformer warten mit einem schlauen Schachzug auf: Sollte ursprünglich mit dem Aktions-Bindungsvertrag die Ausländerfrage nur mit der schwammigen Formulierung «eine moderate Erhöhung» gestreift und erst später fixiert werden, so soll nun angesichts eines immer grösseren Unmutes die Ausländerfrage Ende Januar zementiert werden.
Gestern hatten die Klubs dieses Ausländer-Reglement in ihren Buchstabenbüchsen (E-Mail-Kontos). Ein Blick in dieses kuriose fünfseitige Dokument zeigt: es ist das erste «Rückzugsgefecht» an der «Ausländerfront». Und gleichzeitig so kompliziert, dass einzelne Sportchefs seufzen, man blicke kaum mehr durch. So ist das halt, wenn mehrere Rechtsanwälte ein Dokument aufsetzen. Wäre es nicht schwer verständlich, hätten sie keine Arbeit.
Hier im Detail, wie nun die Ausländerzahlen aussehen sollen – sofern die Opposition einknickt und Ende Januar unterschreibt.
Aber Achtung: So einfach ist es nicht. Diese Regelung gilt nur, wenn die National League 12 Teams umfasst. Wenn es 13 Mannschaften sind (was der Fall sein wird, wenn Ende dieser Saison der Sieger der Swiss League aufsteigt), dann werden es bis 2025/26 neun Ausländer und keine Lizenz-Schweizer sein. Und wenn es gar 14 Mannschaften werden sollten (wenn also auch im Frühjahr 2022 der Sieger der Swiss League aufsteigen sollte), dann wird das Traumziel von 10 Ausländern ab 2025/26 doch noch erreicht.
Da es diese und nächste Saison keinen Absteiger aber einen Aufsteiger gibt, ist die 14er-Liga sehr wahrscheinlich.
Viel Zeit verbringen die rührigen Bürogeneräle aktuell auch mit Zänkereien über die Lohnbegrenzung. Weil sie die Einführung im Sommer unter dem Eindruck der Virus-Krise nicht wagten, ist sie nun zu einem zahnlosen Papiertiger verkommen. Die ZSC Lions werden den Aktionärs-Bindungsvertrag nur unterschreiben, wenn die Einführung der Lohnbegrenzung («Financial Fairplay») einstimmig beschlossen wird. Die ZSC Lions sind gegen dieses «Financial Fairplay.» Also ist es vom Tisch. Nur wagt es noch niemand zu sagen.
Die Lohnobergrenze soll etwa 10 Millionen betragen. Aber nun haben Marc Lüthi & Co gemerkt, dass die Schweiz ein föderalistischer Bundesstaat ist. Dass es zwischen den Kantonen – sagen wir mal zwischen Zug und Bern – erhebliche Unterschiede in der Besteuerung gibt. Da die Löhne bei den Ausländern netto bezahlt werden, die Lohnkosten aber brutto sind, müssen die Steuern auf die Lohnsumme aufgerechnet werden. So ist beispielsweise Bern gegenüber Zug mächtig im Nachteil. Tja, nun muss eine Formel für die «Steuer-Harmonisierung» gefunden werden. Das ehrgeizige Ziel: Das «Financial Fairplay» soll Ende März eingeführt werden.
Einzelnen Präsidenten und Sportchef graut es schon vor den komplizierten Papieren. Inzwischen gibt es bereits verantwortungsvolle Klubs, die den Papierkram der umtriebigen Reformer von neutralen Experten einer «Plausibilitätsprüfung» unterziehen lassen. Mit einem Hang zur Bosheit können wir auch sagen: man traut inzwischen an einzelnen Orten dem Verstand der tüchtigen Reformer nicht mehr.
Noch eine Episode aus dem Absurdistan der Ligareform: Die Klubs sind von Liga-Direktor Denis Vaucher angewiesen worden, bis Ende Januar keine Vertrags-Verlängerungen oder Transfers offiziell zu bestätigen. Damit in Zeiten, da Hilfsgelder aus der Staatskasse benötigt werde, Ruhe sei und die Politikerinnen und Politiker nicht «aufgescheucht» werden.
Daran, dass Marc Lüthi & Co. mit ihrer unausgegorenen, intransparenten und nach dem Muster einer Geheimloge aufgegleisten Liga-Reform mehr Unruhe und Imageschaden für unser Hockey kreieren als die Klubs mit täglichen zehn Transfermeldungen heraufbeschwören könnten, hat noch niemand gedacht.
Was sollen Reformen für eine Zukunft, von der niemand weiss, wie sie nach der Virus-Krise aussehen wird? Warum nicht einfach ein «Time-Out» nehmen, sich darauf konzentrieren, die Meisterschaft und die Klubs durch eine schwierige Zeit zu bringen und erst mit Reformen beginnen, wenn sich die Lage beruhigt hat und wir wissen, wie diese Zukunft aussieht?
Die Antwort ist ganz einfach: Es geht schon lange nicht mehr um die Sache. Es geht inzwischen auch um Eitelkeiten. Unverstand und Eitelkeit ergeben eine toxische Mischung. Nicht nur im Sport.
Und warum? Weil kein Klubboss über den Tellerrand der eigenen Interessen schauen kann.