Sport
Eismeister Zaugg

Der SCB wird weiblich und die Strompreise fürs Eismachen sind egal

Bern's forward Cory Conacher, of Canada, left, celebrates his goal with teammates forward Jeffrey Dustin #15, of Canada, forward Dominik Kahun #24, of German, and Bern's defender Ramon Unter ...
Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Der SCB wird weiblich und die Strompreise fürs Eismachen sind egal

29.08.2022, 18:4130.08.2022, 15:10
Mehr «Sport»

Die «Mission Wiedergutmachung» lässt sich beim SC Bern mit einem Slogan zusammenfassen: «Leidenschaft statt Arroganz.» Sogar Frauenhockey ist nun beim SCB salonfähig geworden. Gut, spielen die Strompreise wenigstens beim Eismachen keine Rolle.

Die Spieler haben auf dem Eis bereits vorgelebt, was nun am Montagnachmittag offiziell verkündet worden ist. Nämlich die Rückkehr zu den alten und ewigen Werten des Klubs: Mut, Leidenschaft, Bescheidenheit. Die Berner sind in der Saisonvorbereitung unbesiegt. Sechs Spiele (gegen Visp, Basel, zweimal Köln, Langnau und Biel), sechs Siege.

Früher spielten die Resultate im August keine Rolle. Nun sind sie so wichtig wie die Playoffs. Oder doch fast. Vor der Pandemie hat der SCB 13'000 Saisontickets abgesetzt und den Verkauf noch vor dem Saisonstart gestoppt. Jetzt sind es erst gut 11'000 und der Verkauf wird fortgesetzt. 2000 im Wert von weit über einer Million sollten noch verkauft werden.

SCB Fans tragen eine Schutzmaske waehrend dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem HC Lugano, am Samstag, 4. Dezember 2021 in der PostFinance Arena in Bern. ( ...
Vor der Pandemie hat der SCB 13'000 Saisontickets abgesetzt und den Verkauf noch vor dem Saisonstart gestoppt. Jetzt sind es erst gut 11'000 und der Verkauf wird fortgesetzt.Bild: keystone

Die besten Verkaufsargumente sind überzeugende Leistungen schon in der Vorbereitung, die Lust auf SCB-Hockey machen. Tatsächlich hat der SCB die beste Vorbereitung seit Menschengedenken hinter sich. Nicht nur wegen der Resultate. Wichtiger: In den Testspielen haben wir einen neuen SCB gesehen. Beseelt von Leidenschaft und Mut. Mehr Talent, mehr Tempo, mehr Energie, mehr Wucht als in den letzten drei Jahren.

Die Arroganz, die den SCB nach drei Titeln in vier Jahren durchdrungen hat, ist verflogen. Die neue, sympathische Bescheidenheit wird dem SCB helfen, zu alter Grösse zurückzukehren. Würden wir nicht um die Vergangenheit wissen – Rang 9 2020, Rang 9 2021, Rang 11 2022 –, würden wir nach den Auftritten im August und mit Blick auf die neuen, grossen Namen sagen: Meisterkandidat.

Das ist natürlich übertrieben. Aber immerhin sagt Sportchef Andrew Ebbett, die direkte Playoff-Qualifikation (Platz 6) sei das Ziel. Es wäre im Vergleich zu den letzten drei Jahren ein sportlicher Quantensprung. Aber angesichts der Investitionen ist es schon fast ein Minimalziel. 15 mehr oder weniger wichtige Spieler sind gegangen oder gegangen worden, 13 neue gekommen. Der Sportchef hatte im Sommer ein Glück, das nur wenigen im Laufe einer Karriere zuteilwird: Er konnte praktisch die ganze Mannschaft neu zusammenstellen. Der SCB der Saison 2022/23 ist Andrew Ebbetts SCB. Aller Ruhm für ihn. Aber auch alle Kritik, wenn es nicht funktioniert. Er rühmt Stimmung und Leistungsbereitschaft. Das tun zwar alle im August. Aber in Bern bedeutet solches Lob für einmal sehr viel.

Erstaunlich dabei: Nach der grössten Transferoffensive seit dem Wiederaufstieg von 1986 kostet die Mannschaft nur 500'000 Franken mehr als letzte Saison. «Das ist so», sagt der neue Manager Raëto Raffainer. Kommentieren mag er diesen erstaunlichen Fakt nicht. Muss er auch nicht. Es ist offensichtlich, welche sportliche Misswirtschaft getrieben, welche irrsinnigen Löhne für mittelmässige Spieler in der Vergangenheit bezahlt worden sind. Die dafür Verantwortlichen sind längst entlassen worden.

Ein Team zu erneuern, das in vier Jahren dreimal Meister war, kann so schwierig sein wie die Sanierung eines Hauses. Der selbst verschuldete Absturz – nie ist ein Meister tiefer gefallen als der SCB nach 2019 – erweist sich nun als Glücksfall: Das Gebäude muss nicht saniert, kann nach einem Totalabriss neu gebaut werden. «Nicht ganz», relativiert Marc Lüthi. «Vier tragende Säulen sind noch da: Ramon Untersander, Simon Moser, Tristan Scherwey und Beat Gerber.» Die vier sind die Leitwölfe, um die herum nun die neue Mannschaft gebaut wird. Beat Gerber ist im Mai 40 geworden und seit 2003 im Team. Er wird noch Jahre in der Kabine bleiben: Im nächsten Frühjahr übernimmt er das Amt des Materialwartes. Der gelernte Schreiner ist jetzt schon der beste Kufenschleifer.

Vollgas in der Vorbereitung und gleich in den ersten Spielen im September, als sei schon Playoffzeit, sind notwendig, um die Fans zurückzugewinnen. Und vielleicht doch noch 13'000 Saisonkarten zu verkaufen. Die Saisonauslastung lag letzte Saison nur noch bei 79 Prozent. Vor der Pandemie waren es 91 Prozent.

Eismachen ist kein Problem, die Gastro vielleicht schon

Die Pandemie hat das Geschäftsmodell SCB einem extremen Stresstest unterzogen. Diesen Test haben die Berner überstanden. Das Geschäftsergebnis für die vergangene Saison weist noch einen Verlust von 213'000 Franken aus. Nachdem es im Vorjahr noch 1,5 Millionen waren. Der Umsatz der SCB-Gruppe ist wieder auf 55 Millionen gestiegen, hat aber noch nicht das Niveau der Vor-Coronazeit (66 Millionen) erreicht. Der SCB ist nach wie vor gesund.

Die Pandemie hat zum ersten Mal seit Menschengedenken gezeigt, dass der Sport nicht in einer eigenen Welt lebt. Äussere Umstände können gravierende Auswirkungen haben. Der SCB muss die grösste Arena Europas im Schuss halten. Deshalb die Frage: Wie stark trifft die Teuerung im Strommarkt den SC Bern? «Bei der Eisaufbereitung gar nicht», sagt Marc Lüthi. «Der Mietvertrag fürs Stadion läuft noch neun Jahre.» Im Fixbetrag eingeschlossen sind die Eisaufbereitung und die Stadionbeleuchtung.

Beim Eismachen kann dem SCB der Strompreis egal sein. Aber nicht bei der Gastronomie, einem tragenden Element des SCB-Geschäftsmodells. «Die Margen sind so gering, dass uns erhöhte Strompreise zu schaffen machen.»

Zeit für Frauenhockey

Immerhin hat sich der SCB so weit erholt, dass er sich um Politik kümmern kann. Wer in den letzten Jahren beim SCB nach Frauenhockey fragte, erntete im besten Falle ein mildes Lächeln.

Nun ist Frauenhockey bei der grössten Hockeyfirma im Land endlich, endlich, endlich salonfähig geworden. Raëto Raffainer verkündet den Einstieg ins Frauenhockey bei der offiziellen Medienkonferenz. Mit ernsthafter Miene, als gehe es um den Bau einer neuen Arena. Das Team von BOMO Thun soll ab der Saison 2023/24 in den SCB integriert werden. So kann der SCB dann gleich in der höchsten Liga mitmischen. BOMO Thun bedeutet: Berner Oberländer Modis Thun. Es braucht nach dem Umzug nach Bern wohl eine neue Bezeichnung. Es ist zu befürchten, dass es neumodisch heissen wird: SCB Ladies oder so. Treffender wäre HAMO Bern: Hauptstadt Modis Bern. Modi bedeutet in Mattenberndeutsch (ein Dialekt, der im Mattenquartier gesprochen wird) Mädchen.

SCB VR-Praesident Beat Brechbuehl, links, und CEO Marc Luethi, schauen auf die Uhr, kurz vor Beginn der Saison-Medienkonferenz des SC Bern, am Montag, 29. August 2022 in Bern.(KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Zeit für Frauen im SCB. Beat Brechbühler und Marc Lüthi an der Medienkonferenz.Bild: keystone

Von einer Frau im SCB-Verwaltungsrat will Beat Brechbühl – er übergibt sein Präsidentenamt am 1. September an Marc Lüthi, bleibt aber Verwaltungsrat – allerdings nichts wissen: Es sei nicht geplant, eine Frau ins oberste Gremium zu berufen. Er sagt auch warum: «Der Verwaltungsrat repräsentiert im Wesentlichen das SCB-Aktionariat.» Oder etwas einfacher gesagt: Eine Frau müsste erst ein umfangreiches SCB-Aktienpaket erwerben, um Verwaltungsrätin zu werden.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
14 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Pacha Mama
29.08.2022 19:30registriert Dezember 2018
Die Saison hat noch nicht mal angefangen und es gibt schon täglich einen SCB-Artikel. Das kann ja heiter werden…🤦
7419
Melden
Zum Kommentar
avatar
T.Mäder
29.08.2022 21:14registriert Juni 2020
Der scb ist sicher stärker einzustufen als die letzte Saison&sie werdens denk ich mal in die (Pre)Playoffs schaffen…
Aber jetzt mal ehrlich…besteht die Meisterschaft nur aus dem scb???
Es gibt noch 13 andere Teams!!!!
Also bitte, langsam nervts….
4320
Melden
Zum Kommentar
avatar
CaptainObvious
29.08.2022 18:59registriert April 2017
Man darf gespannt sein.
Als einer, der sein Abo schon vor den Sommerferien bezahlt ha, freue ich mich, wenn der CB wieder zu alten Werten zurück findet.
Es mag nicht das schönste und modernste Hockey sein, aber auch dieses muss Platz haben.
Bern war immer dann am erfolgreichsten, wenn es wuchtig gespielt wurde, und wenige Schillerfalter von vielen Büetzern unterstützt, gedeckt und abgeschirmt wurden.

Wie gesagt, man darf gespannt sein.
3317
Melden
Zum Kommentar
14
Angstgegner Schweden für die Hockey-Nati wieder mal eine Nummer zu gross
Für das Schweizer Nationalteam setzt es im ersten Spiel des Heimturniers in Freiburg eine grosse Enttäuschung ab. Es unterliegt Schweden 1:4.

«Die Mannschaft hat das Potenzial, alle drei Partien zu gewinnen», sagte Nationaltrainer Patrick Fischer im Vorfeld des Turniers. Nachdem die ersten acht Partien vor heimischem Publikum im Rahmen der Euro Hockey Tour allesamt verloren gegangen waren, sollte nun endlich der erste Heimsieg her.

Zur Story