Zum ersten Mal seit elf Jahren haben die Zuger die beiden ersten Spiele der Qualifikation verloren: Im Herbst 2012 zum Saisonauftakt 0:3 auf eigenem Eis gegen Lugano und in der zweiten Runde folgte eine Niederlage (2:5) in Ambri. Nun sind es zum Auftakt die Niederlagen gegen Kloten (3:6) und in Biel (1:2). Im Blick zurück ist dieser missglückte Saisonstart kein Grund zur Sorge: Die Zuger haben die Qualifikation im Frühjahr 2013 auf dem 3. Platz beendet und im Halbfinal war erst das 7. Spiel in Bern Endstation.
Trainer Dan Tanges ist in Biel einerseits zufrieden. Er sagt, die Mannschaft sei gegen Kloten wohl in der Erwartung eines leichten Sieges nicht bereit gewesen, habe nun aber eine Reaktion gezeigt. Er hat punkto Einsatzbereitschaft, Präsenz in den Zweikämpfen, Leidenschaft, Präzision und Tempo nichts mehr zu bemängeln. Und recht hat er: Diese Partie war eine der besten überhaupt, die in den letzten Jahren im September zu sehen waren: intensiv, schnell, dramatisch. Andererseits ist er eben doch nicht zufrieden. «Wir haben verloren.» Ein grosser Trainer ist nach einer Niederlage nie zufrieden. Dan Tangnes ist ein grosser Trainer.
Und nun zur interessanten Frage sowohl für die Boshaften wie für die Gutmeinenden: Warum hat Zug trotz formidablem Auftritt in Biel verloren? Die Gutmeinenden sagen: Für einen Titanen wie Zug ist es wichtig, das letzte Spiel der Saison zu gewinnen. Nach Niederlagen im September fragt im nächsten Frühjahr niemand mehr. Der missglückte Saisonstart ist bloss ein Betriebsunfall und nicht der Rede und schon gar nicht der Polemik wert. Die Zuger haben in Biel gerockt und es ist bloss ein Schönheitsfehler, dass sie nicht auch zum Sieg gerollt sind. Wer in Biel eines der schnellsten Teams der Liga mit 35:22 Torschüssen zu dominieren vermag, hat weder Tod noch Teufel zu fürchten.
Die Boshaften und die Nörgeler, die es immer besser wissen, weisen auf zwei Punkte hin. Erstens auf die Perfektion des Spiels, die in lichten Momenten an das Hockey der Sowjets in den 1980er Jahren mahnt. An die «Big Red Machine», die über Jahre das Welteishockey dominierte und die dazu in der Lage war, ab und an selbst die kanadischen NHL-Profis vom Eis zu fegen. Aber der Perfektion der Zuger fehlt eine Prise einschüchternde Härte.
Dan Tangnes sagt zwar, Härte sei auch ein mentaler Faktor. Also Kopfsache und nicht bloss eine Frage von Grösse, Wucht, Kraft und Wasserverdrängung. Und doch ist es ein Faktor: Zug hat 5 wichtige Feldspieler, die 185 Zentimeter oder grösser sind. Bei Meister Servette sind es 10. Zug hat 9 regelmässig eingesetzte Feldspieler, die 85 Kilo oder schwerer sind. Servette 13.
Tempo und Technik mögen viel wichtiger sein als Grösse und Gewicht. Aber das Resultat einer guten Kombination von Tempo, Technik und Postur ist ein Meisterteam. Zug war in Bezug auf Grösse und Gewicht beim letzten Meistertitel 2022 die Nummer sieben der Liga. Jetzt sind die Zuger die Leichtesten der Liga und bei der Grösse nur noch die Nummer zwölf. Servette ist die Nummer fünf bei der Grösse und die Nummer sechs beim Gewicht.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Wie wir es drehen und wenden: Zug spielt eine Spur zu schön und zu perfekt. Oder böser gesagt: Zug ist zu «weich». Der «Rumpelfaktor» fehlt. Das mag jetzt erst mal eine gesuchte hockeyakademische Analyse sein. Aber es gibt einen Faktor, der möglicherweise viel entscheidender ist. Aber darüber zu sprechen, kommt schon fast einer hockeytechnischen Blasphemie nahe: Zug hat ein Torhüterproblem.
Eine ungeheuerliche Aussage. Mit Leonardo Genoni haben die Zuger mit dem erfolgreichsten Torhüter unserer Liga-Geschichte soeben bis 2027 verlängert. Für Zug gilt ein wenig: Wir haben Leonardo Genoni, also sind wir. Und ist denn nicht Luca Hollenstein eine der talentiertesten und damit besten Nummer 2 der Liga? Eben.
Keine Polemik. Nur nüchterne Statistik. Klotens Juha Metsola wehrte 90,00 Prozent der Schüsse ab, Leonardo 84,38 Prozent und Kloten gewann 6:3. Biels Joren van Pottelberghe stoppte 97,14 Prozent der Pucks, Luca Hollenstein 90,91 Prozent und Biel gewann 2:1. Ja, den Sieg gegen Zug hat Joren van Pottelberghe gestohlen. Mit ausgetauschten Goalies wäre möglicherweise ein anderes Resultat herausgekommen.
Wäre Leonardo Genonis Name Fritz Müller, so würden nicht nur die Boshaften fragen: Hat Zug ein Goalieproblem? Biels Sportchef Martin Steinegger hatte einen hockeytechnischen Albtraum: Zug verlängert nicht mehr mit Leonardo Genoni, öffnet den Geldspeicher und setzt alles daran, Joren van Pottelberghe zurückzuholen (Zug hat ihn bis 2013 ausgebildet). Nun ist er froh, dass dieser Albtraum nicht wahr geworden ist.
Die ganz Boshaften sagen: Auf die kurze Freude der Verlängerung mit Leonardo Genoni folgt eine lange Reue. Aber es sind die wahrhaft Boshaften, ja Respektlosen und hockeytechnisch Ungläubigen, die so etwas auch nur zu denken wagen.