Die Partie steht auf Messers Schneide. Der SCB führt gegen Davos nur 1:0. Enzo Guebey stürzt. Head-Schiedsrichter Pascal Hungerbühler hebt den Arm und zeigt gegen Thierry Schild eine kleine Strafe an (34. Minute): Beinstellen.
Der vermeintliche Missetäter wird aufs Sündenbänklein verbannt. Die Fans toben. Auf dem Videowürfel ist bei der Zeitlupenwiederholung zu sehen, dass der SCB-Stürmer unschuldig ist und den HCD-Verteidiger nicht einmal berührt hat. Und dann nimmt Pascal Hungerbühler die Strafe zurück, Thierry Schild darf die Strafbank wieder verlassen. Nach dem Spiel wundert sich SCB-Sportchef Andrew Ebbett: «Zumindest in der Schweiz habe ich noch nie gesehen, dass die Schiedsrichter eine Strafe anzeigen und dann wieder zurücknehmen.»
Was ist vorgefallen? Haben die beiden Unparteiischen auf dem Videowürfel den Irrtum erkannt? Nein. Die Strafe wird dank der Fairness von Enzo Guebey zurückgenommen. Der Franzose mit Schweizer Lizenz schildert die Szene so: «Für mich war sofort klar, dass ich verkantet hatte und ohne Einwirkung von Thierry Schild gestürzt bin. Spontan habe ich dem Schiedsrichter gesagt, dass es kein Beinstellen des SCB-Spielers war.»
War er sich bewusst, dass er so sein Team in einer heiklen Phase eines wichtigen Spiels um ein Powerplay brachte? «Nein, daran habe ich gar nicht gedacht. Es war nicht richtig, dass mein Gegenspieler bestraft werden sollte, und deshalb habe ich mich gleich an den Schiedsrichter gewandt. Ich fühle mich so einfach besser.» Die beiden Unparteiischen Pascal Hungerbühler und Lukas Kohlmüller werden nach der Partie diese Begebenheit so bestätigen.
SCB-Trainer Jussi Tapola hatte sich gewundert, dass eine Strafe gegen Thierry Schild angezeigt und dann doch nicht ausgesprochen worden war. Warum, wusste er nicht. Nachdem er aufgeklärt wird, freut er sich: «Auf diese Aktion darf die ganze Liga stolz sein. Das ist vorbildliches Verhalten, das für alle ein Beispiel gibt.»
Knapp vier Minuten nach der zurückgenommenen Strafe gelingt Thierry Bader das vorentscheidende 2:0 für den SCB. Theoretisch könnte also Enzo Guebey kritisiert werden. Aber nur theoretisch. Er bestätigt, dass er teamintern nicht kritisiert worden ist. Eigentlich logisch: Fairplay gehört zur DNA der HCD-Kultur.
Enzo Guebey ist mehr kräftiges Raubein (184 cm/90 kg) als offensiv kreativer Schillerfalter. Ausgebildet in Genf, kommt er im Sommer 2021 zu den ZSC Lions. Auch in Zürich kann er sich in der höchsten Liga nicht durchsetzen und verbringt die meiste Zeit im Farmteam in der Swiss League (67 Spiele/5 Tore/13 Assists). Nach 13 Partien bei den GCK Lions lassen ihn die Zürcher diese Saison zum HCD ziehen.
Inzwischen ist er beim HCD Stammspieler, der Vertrag mit den ZSC Lions ist aufgelöst worden und er hat um zwei Jahre in Davos verlängert. Vor seinem Wechsel zum HCD hat er in 113 Partien in der höchsten Liga in Genf und Zürich erst ein einziges Tor erzielt. Beim HCD blüht er auf und spielt sein bestes Hockey. Er hat in bisher 23 Partien für den HCD bereits ein Tor und vier Assists beigesteuert. Er ist ein smarter «Pflichtverteidiger» für den dritten und vierten Block. Sein Talent würde nicht für unser Nationalteam reichen. Er spielt mit einer Schweizer Lizenz in der National League und international für Frankreich (bisher 28 Länderspiele, fünf Junioren-WM-Turniere plus 2022 und 2023 mit Frankreich an der WM).
Enzo Guebeys Statistik in der Partie gegen den SCB ist eine durchschnittliche: 13:14 Minuten Eiszeit im dritten Verteidigerpaar, kein Tor, kein Assist und eine Minus-1-Bilanz. Und doch ist er durch sein Fairplay der wahre Held des Abends und hat für wahre Hockey-Romantik gesorgt. Fairplay ist sogar mehr als Hockey-Romantik: Fairplay gehört zur DNA des rauen Spiels.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Ich war gestern im Stadion. Alle haben sich über die annullierte Strafe gewundert. Schade, dass diese tolle Geste nicht vom Speaker mitgeteilt worden ist (bzw. vom Schiri dem Speaker gemeldet).