Ein HCD-Verteidiger kommt – aber der SCB steckt in der Transfer-Sackgasse
Und sie transferieren doch noch: Der sportlichen SCB-Doppelspitze mit Martin Plüss und Diego Piceci ist nach übereinstimmenden Berichten der SCB-Gewährsleute endlich ein Transfer gelungen. Sie haben dem HCD auf nächste Saison Davyd Barandun (25) ausgespannt.
Davyd who? Das ist eine boshafte Fragestellung. Immerhin bekam der 82-fache Junioren-Internationale soeben beim 3:1 gegen die meisterlichen ZSC Lions 19:28 Minuten Eiszeit zugeteilt. Nur Lukas Frick und Sven Jung kamen in dieser Partie auf noch mehr Einsatzzeit.
Keine Frage: Ein solider, belastbarer und verlässlicher Defensivverteidiger im besten Alter, der gut und gerne zehn Skorerpunkte beisteuern kann.
Doch seine Verpflichtung kaschiert nicht das zentrale Problem der Berner: Die mehr und mehr besorgniserregende Sturmflaute. Bisher erst 23 Tore. Nur das ewige Schlusslicht Ajoie ist mit 21 Treffern offensiv noch schwächer. Jahresumsatz von Ajoie: Nicht ganz 15 Millionen. Jahresumsatz des Hockey- und Gastrokonzerns SCB: knapp 60 Millionen.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich der SCB sportlich und strukturell in eine Transfer-Sackgasse manövriert. Die Fragen sind nicht, ob der Trainerwechsel kurzfristig hilft oder ob die Playoffs erreicht werden. Inzwischen geht es längst um viel mehr: Um die mittelfristige sportliche Konkurrenzfähigkeit. Um die schwindende Attraktivität des SCB als sportliche Destination für aufstrebende Spieler. Die Vertreibung des Gespenstes Lugano.
Jüngstes Beispiel: Soeben hat Rico Gredig bei Zug unterschrieben. Der kräftige 20-jährige Stürmer wäre der perfekte Transfer für den SCB gewesen. Bereits zuvor scheiterten Anstrengungen um etablierte oder hochtalentierte Schweizer wie Ludovic Waeber (29), Dominik Egli (27), Simon Knak (23) oder Ken Jäger (27). Die Bemühungen um Verteidiger Nico Gross (25) sind bereits eingestellt worden: Der kräftige NHL-Draft wird in Davos bleiben oder nach Zug zurückkehren.
Und der kräftige Verteidiger Gian Meier (19) kehrt nach zwei Jahren in Schweden im nächsten Frühjahr in die Schweiz zurück. Aber das hochkarätige Talent hat bis 2028 bei den SCL Tigers und nicht in Bern unterschreiben. Weil er, von seinem Agenten klug beraten, im Emmental bessere Entwicklungschancen sieht als beim SCB.
Was die Fälle von Nico Gredig, Nico Gross und Gian Meier für die Berner besonders bitter macht: Eigentlich handelt es sich nicht um einen verlorenen Transferpoker. Sie durften nicht einmal mitpokern. Von allem Anfang an bekamen sie zur Antwort: Bemüht euch nicht, der SCB ist kein Thema. Das ist noch bitterer als eine Transferniederlage. Der SC Bern ist drauf und dran, ins gleiche Transfer-Fahrwasser zu geraten, das dem HC Lugano bereits 20 titellose Jahre beschert hat. Spieler, die ein Team zu tragen vermögen oder das Potenzial für diese Rolle haben und Talente, die besser werden wollen, meiden inzwischen immer mehr den SCB. Das ist das allerhöchste Alarmzeichen.
Einkäufe in der Transfer-Edelboutique, wo der SCB einst ein gerngesehener Stammkunde war, sind offensichtlich nicht mehr finanzierbar oder der SCB ist nicht bereit, die Preise zu zahlen, die nun mal in diesem Marktsegment gefordert werden. Und wenn am Ende ein mittelmässiger Spieler hoch bezahlt werden muss, damit er sich doch noch für Bern entscheidet, dann ist die Leistungskultur gefährdet. Und so hat die «Luganisierung» eingesetzt.
Der SCB hat mehr und mehr nur noch realistische Chancen bei «Herbstzeitlosen», die ihren Karriere-Herbst vergolden oder Hinterbänklern, die endlich ihr Talent kapitalisieren möchten: Tyler Moy (30), Mike Künzle (31) oder Dominik Schlumpf (34) gehören in diese Kategorie. Solche Transfers sind für die Leistungskultur nicht ganz ohne Risiko.
Dario Rohrbach (27) gehört eigentlich nicht in diese Kategorie. Er könnte sich als sehr wertvoller Zuzug erweisen. Aber die boshafte Anmerkung sei gestattet: kein anderer Klub war bereit, ihm vier Jahre zu offerieren. Und Davyd Barandun bekommt das Salär und die Beachtung, die er nur beim SCB bekommen kann.
Ganz hoffnungslos ist die Lage nicht. Ein Hoffnungsschimmer könnte sich in der Zusammenarbeit mit dem Spielerberater Georges Müller auftun. Er hat zwei junge Spieler im Angebot, die dem SCB helfen könnten, die «Luganisierung» ein wenig abzubremsen: Jonas Taibel (21) mit auslaufendem Vertrag bei den Lakers und Daniil Ustinkov (19), ein hochtalentierter Verteidiger-Schillerfalter mit hohem Pflegebedarf, der es bei den ZSC Lions einfach nicht in die erste Mannschaft bringt.
Zudem bemüht sich der SCB um ein schon fast «vergessenes» Talent: Um Jamiro Reber (19), den Sohn von Langnaus ehemaligem Nationalverteidiger und Sportchef Jörg Reber. Reber junior hat soeben die dritte Saison in Schweden begonnen und es bei HV 71 bereits bis in die höchste Liga geschafft. Romantiker beim SCB sehen ihn schon in der zentralen Rolle eines Mittelstürmers, um den herum ein neuer SCB aufgebaut werden und die ruhmreiche Tradition der Langnauer (Bruno Wittwer, Beat Gerber, Simon Moser) beim SCB fortgesetzt kann – ganz nach dem Kalauer: Was wäre der SCB ohne seine Langnauer?
Realisten warnen allerdings, er sei noch nicht dazu in der Lage, sich bei einem Grossclub durchzusetzen. Bei ihm geht es um die Frage: Eine weitere Saison zur Weiterentwicklung in Schweden oder jetzt schon ein ungewisses Abenteuer in Bern?
Obersportchef Martin Plüss und sein Untersportchef Diego Piceci haben es in einem schwierigen Umfeld wahrlich nicht einfach. Das Geld, um Topstars zu verpflichten, haben sie nicht zur Verfügung. Mit Pensionskassen- und Hinterbänkler-Transfers bringen sie den SCB nicht weiter und um entwicklungsfähige Talente nach Bern zu bringen, brauchen sie auch wegen der unklaren Trainersituation viel, viel Überredungskunst.
Dazu kommt: Je besser die Ausländerpositionen besetzt sind, desto einfacher und schneller kann die Erneuerung des Teams gelingen. Das ist die Transfer-Sackgasse in der die Berner stecken: Einerseits ist der SCB im Selbstverständnis ein den Resultaten verpflichtetes Spitzenteam und kann – anders als beispielsweise Langnau, Biel, Ambri, die Lakers oder Kloten – kein Ausbildungsklub sein und wird deshalb von gut beratenen Talenten, die ihre Weiterentwicklung vor frühes grosses Geld stellen, zu oft gemieden. Das bedeutet: Der SCB ist für die kurzfristige Steigerung auf eine absolut erstklassige Besetzung der sechs Ausländerpositionen angewiesen.
Womit wir bei einem zentralen Problem sind: Kein anderer Klub hat sich in den letzten fünf Jahren so viele ausländische Fehltransfers geleistet. Nach dem Motto: Lolek und Bolek suchen ausländisches Personal. Von den acht zurzeit in Lohn und Brot stehenden Ausländern haben drei – Hardy Häman Aktell, Victor Ejdsell und Anton Lindholm – bereits weiterlaufende Verträge, diesen hohen Ansprüchen nicht genügen.
Der SCB spielt diese Saison auf dem Eis um die Playoffs und in den Büros des Ober- und Untersportchefs um seine Zukunft und gegen das Gespenst Lugano. Die Situation ist in den Büros zurzeit gleich trist wie auf dem Eis.
Vielleicht ist es doch gut, dass der SCB als einziger Klub in Europa einen Ober- und Untersportchef löhnt. Es hat mehr als genug Arbeit für beide.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
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