Hat je ein neuer Abschnitt einer Hockey-Karriere romantischer begonnen? Wahrscheinlich nicht. Akira Schmid ist am letzten Samstag nach New York geflogen und noch einmal an seinen letzten Arbeitsort New Jersey zurückgekehrt.
Dort besteigt er mit seiner Freundin die siebensitzige Geländelimousine VW Atlas. Dieses Modell für die grossen Highways wird in den USA gebaut und nur dort und in Kanada verkauft. Im Auto darf Hund Stella mitfahren, im Anhänger wird das Bett verladen und dann fahren alle zusammen nach Las Vegas. An den neuen Arbeitsort des Nationalgoalies. Sozusagen ein «Roadtrip to Heaven». «Wir werden ein paar Tage unterwegs sein», freut sich Akira Schmid. «Es sind eigentlich meine einzigen Ferien.» In Las Vegas habe er zwar bereits eine möblierte Wohnung gefunden. «Aber das Bett bringen wir mit.»
Eigentlich wollte er seine Karriere bei New Jersey fortsetzen. Dort, wo er im Frühjahr 2023 seine NHL-Tauglichkeit in einer bereits legendären Playoff-Serie gegen die Rangers, den Lokalrivalen, mit über 92 Prozent Fangquote endlich und so eindrücklich unter Beweis stellen konnte. Die Verhandlungen seien auf gutem Wege gewesen. Aber dann hat New Jersey seine Rechte nach Las Vegas transferiert. «Mein Agent hat mir telefonisch die neue Situation mitgeteilt, zwei Minuten später rief auch New Jersey an.» So schnell geht das im nordamerikanischen Profihockey.
Nun hat Akira Schmid in Las Vegas einen Zweijahresvertrag, der ihm pro Saison 875'000 Dollar brutto einbringen wird. Ungefähr das gleiche Salär wie zuvor in New Jersey. Aber es ist ein Einweg-Vertrag. Sein Salär ist also fix, auch dann, wenn er ins Farmteam geschickt wird. Ein Teil des Lohns geht durch Steuern und andere Abgaben weg, wenn es auch in Nevada keine Einkommenssteuer gibt. Er könnte wahrscheinlich in unserer höchsten Spielklasse ähnlich viel verdienen. Doch das ist kein Thema. Für ihn zählt nur eines: das Abenteuer NHL.
Er ist im Mai erst 24 geworden. Da bleibt noch viel Zeit, im Falle eines Falles irgendwo zwischen Bern, Genf, Zürich und Lugano wohlhabend zu werden. Jetzt schaut er nicht aufs Bankkonto, nicht nach links oder rechts und schon gar nicht zurück. Nur vorwärts. Richtung Las Vegas. Dazu ein Kuriosum: Akira Schmid hat erst ein einziges Spiel in der National League bestritten. Am 22. März 2018 in der «Ranking Round» gegen Kloten (4:3). Er parierte 91,18 Prozent der Schüsse.
Zum Transfer nach Las Vegas hatte er nichts zu sagen. Das machten die NHL-Bürogeneräle ohne Rücksprache unter sich aus. Er wäre zwar gerne in New Jersey geblieben. Mit drei Schweizern (Nico Hischier, Jonas Siegenthaler, Timo Meier) als Teamkollegen. Aber mit Las Vegas ist er durchaus zufrieden. Zumal sein Agent Alain Roy hier wohnt und im Falle eines Falles das Farmteam, die Silver Knights, in Henderson nur knapp 20 Autominuten weit weg domiziliert sind. Es wird während der ganzen Saison keine mühselige Züglerei geben.
Im Sommer hat Akira Schmid die Rekrutenschule als Sport-Soldat in Magglingen absolviert. Die WM in Prag ist dabei als Dienst am Vaterland angerechnet worden. Eine WM wird künftig auch mit einem WK verrechnet. Er ist neben Leonardo Genoni, der kurz vor seinem 37. Geburtstag steht und seine Zukunft zu einem beträchtlichen Teil hinter sich hat, der beste Schweizer Goalie und hat die Zukunft noch vor sich. Je nach Verlauf seiner NHL-Karriere wird er für die WM zur Verfügung stehen und so oder so in den nächsten zehn Jahren unsere grosse Goalie-Hoffnung sein. Mit Nationaltrainer Patrick Fischer sei er laufend im losen Kontakt.
Bei der Silber-WM in Prag ist ihm der Einstand in zweieinhalb Partien durchaus geglückt (94,60 Prozent Abwehrquote). Er hexte die Schweiz im letzten Gruppenspiel gar zu einem 3:1 gegen Finnland. Aber noch ist ihm in den entscheidenden Partien – im Viertelfinal, im Halbfinal und im Final – Leonardo Genoni vorgezogen worden. Aber der doppelte WM-Silberheld (2018 und 2024) wird bei der nächsten WM schon 37 sein. 13 Jahre älter als Akira Schmid.
In Las Vegas wird sich der Langnauer in erster Linie gegen Adin Hill (28) und Ilya Samsonow (27) durchsetzen müssen. Adin Hill hat als Stanley-Cup-Held von 2023 bereits Kultstatus in der Stadt und Ilya Samsonow ist ein in über 150 Partien gestählter und bewährter NHL-Goalie. Für den Konkurrenzkampf, der noch härter sein wird als letzte Saison in New Jersey, ist Akira Schmid gut gerüstet. Der schlaksig wirkende, flinke Titan (195 cm/93 kg) muss seinen Stil, perfekt für die NHL, nicht ändern. Es geht um Details.
Finetuning für die grosse und ultimative Herausforderung in seiner alten Heimat Langnau. Wenn er es in Las Vegas nicht schafft, droht in zwei Jahren das Ende des NHL-Traumes.
So romantisch also der Roadtrip nach Las Vegas, so rau wird dort das Leistungsklima sein. Akira Schmid nimmt es gelassen. Nach seiner Ankunft 2018 hat er sich in Nordamerika von ganz unten in die NHL durchgearbeitet. 2021 ist er in der wichtigsten Liga der Welt angekommen. Freundlichkeit, Zuversicht, Geduld, Gelassenheit und Selbstvertrauen gehören auch zu seinem Wesen. Charakterzüge, die für eine grosse Karriere im unerbittlichen Leistungsklima des nordamerikanischen Profihockeys unerlässlich sind.
Martin Gerber, der es aus der zweiten Liga bei Signau bis zum Stanley-Cup-Sieger und Millionär brachte, hat ihn nicht nur als Vorbild inspiriert. Von ihm hat er eine Lebensphilosophie, die nun auch die seine ist:
Sich nicht beirren lassen, den eigenen Weg gehen. Das hat Akira Schmid schon mal bis in die NHL, an die WM und nun nach Las Vegas gebracht.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte