Nicht einmal ein Verfahren wegen Gavin Bayreuthers Check in den Rücken des Linienrichters. Vier Spielsperren gegen Brendan Lemieux, der einen Linienrichter trifft, der sich in einen Faustkampf mischt. Die National League hat die Justiz einer «Buschliga».
Ob vier Spielsperren gegen Brendan Lemieux drei zu viel sind – darüber lässt sich streiten. Der gesunde Menschen- und Hockeyverstand sagt: Es sind drei zu viel. Wenn sich der Linienrichter mutig zwischen zwei Faustkämpfer drängt, dann muss er damit rechnen, dass er etwas abbekommt. Von einem Angriff auf den Linienrichter, der hätte vermieden werden können, kann also keine Rede sein.
Weil Brendan Lemieux einen Restausschluss kassiert hat, ist sein Fall direkt auf dem Schreibtisch des Einzelrichters gelandet. Und der hat im Sinne des «Zebraschutzes» entschieden: Die Schiedsrichter sind «unberührbar». Also eine harsche Bestrafung. Vier Spielsperren. Das ist vertretbar.
Das Problem: Diese Bestrafung steht in einem krassen, ja geradezu absurden Gegensatz zum meisterschaftsverfälschenden Urteil im Fall Gavin Bayreuther. Lausannes Verteidiger hat einen Linienrichter von hinten mit einem Check in den Rücken umgefahren. Niemand unterstellt dem Amerikaner Absicht. Aber der Zusammenstoss hätte vermieden werden können. Sechs bis acht Spielsperren wären angemessen gewesen.
Dass er nicht nur straffrei, sondern sogar ohne Verfahren davongekommen ist, hat mit einer Besonderheit unseres Hockey-Rechtssystems zu tun: Anders als Brendan Lemieux kassierte er im Spiel keine Strafe. Solche Fälle beurteilt dann das vor zwei Jahren auf Initiative der Sportchefs geschaffene «Sounding Board». Ein Dreiergremium mit dem Players Safety Officer Ryan Gardner, dem Spielergewerkschaftsvertreter Marc Reichert und einem Vertreter der Schiedsrichter. Zweimal haben die «Narren» Ryan Gardner und Marc Reichert in dieser Sache den Vertreter der Unparteiischen mit 2:1 überstimmt: kein Verfahren, keine Strafe.
Gavin Bayreuther nimmt bei Lausanne eine Schlüsselposition ein. Über dieses groteske Fehlurteil hat nicht nur die ganze Hockey-Welt gelacht. Es ist darüber hinaus meisterschaftsverfälschend: Ob Lausanne die Viertelfinals gegen Langnau ohne Gavin Bayreuther überstanden hätte, ist keineswegs sicher.
Das Publikum und die ganze Hockeywelt sehen diese aberwitzige Differenz zwischen der Bestrafung von Brendan Lemieux und dem Freispruch von Gavin Bayreuther. Und kommen zum Schluss: Eine «Buschliga».
Die Lehren daraus: Die Liga muss zentral geführt werden. Schluss mit diesen Sondergremien wie dem «Sounding Board». Schluss mit inkompetenten Vertretern der Operetten-Spielergewerkschaft in irgendwelchen Gremien, die blind und ohne Verstand die Interessen der Spieler vertreten. Schluss auch mit dem ständigen Nachgeben der Forderungen der Sportchefs. Vorletzte Saison sorgte die auf Druck der Sportchefs eingeführte, weltweit einmalige und hanebüchene Regelauslegung bei Torhüter-Behinderungen für Meisterschaftsverfälschung und Chaos.
Die Korrekturen, die nach der Saison unabdingbar sind: Auflösung des Narren-Gremiums «Sounding-Board». Vorfälle gegen Unparteiische, die auf dem Eis übersehen und nicht sanktioniert worden sind, werden wieder – wie vor der Schaffung des «Sounding Board» – von den Schiedsrichtern oder vom Liga-Manager direkt an den Einzelrichter zu melden.
Den Sportchefs ist die Kompetenz für Regel- oder Verfahrensänderungen zu entziehen. Sie können künftig der Liga-Führung Vorschläge unterbreiten. Aber keine mehr durchsetzen.
Die Liga ist von oben nach unten und nicht mehr basisdemokratisch zu managen. Die Liga-Führung ist nach dem Vorbild der NHL zu zentralisieren: Der Liga-Manager – aktuell Denis Vaucher – ist mit der Kompetenz eines «Commissioner» nach dem Vorbild von NHL-General Gary Bettman auszustatten.
Daneben ist das bereits gut funktionierende System des Player Safety Officer und des Einzelrichters für die Beurteilung zuständig. Allerdings ist zu prüfen, ob Ryan Gardner für den Job des Player Safety Officer noch tragbar ist.
Die National League ist eine der besten Ligen der Welt. Es darf nicht mehr sein, dass das Image dieser Liga durch eine strukturell bedingte «Buschliga-Justiz» und zu viele Mitsprache- und Einmischungsmöglichkeiten verschiedener Gremien beschädigt wird.
Es ist ein Jammer mitzuerleben wie ein wunderbarer, spannender, auf hochstehendem Niveau gespielter Sport durch eine Gruppe von inkompetenten Selbstdarstellern in seiner weiteren Entwicklung behindert wird.
Naja. Ich schon. Und viele andere wohl auch.