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National League: Das Sounding Board schadet unserem Hockey

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Eine «Buschliga-Justiz», die unserem Hockey schadet

Die Fälle Gavin Bayreuther (Lausanne) und Brendan Lemieux (HC Davos) zeigen: Die Hockey-Justiz hat jede Glaubwürdigkeit verloren. Systemänderungen sind dringend erforderlich. Für einmal kann die NHL als Vorbild dienen.
07.04.2025, 19:4008.04.2025, 13:31
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Nicht einmal ein Verfahren wegen Gavin Bayreuthers Check in den Rücken des Linienrichters. Vier Spielsperren gegen Brendan Lemieux, der einen Linienrichter trifft, der sich in einen Faustkampf mischt. Die National League hat die Justiz einer «Buschliga».

Ob vier Spielsperren gegen Brendan Lemieux drei zu viel sind – darüber lässt sich streiten. Der gesunde Menschen- und Hockeyverstand sagt: Es sind drei zu viel. Wenn sich der Linienrichter mutig zwischen zwei Faustkämpfer drängt, dann muss er damit rechnen, dass er etwas abbekommt. Von einem Angriff auf den Linienrichter, der hätte vermieden werden können, kann also keine Rede sein.

Yannick Weber (ZSC), links, und Brendan Lemieux (HCD) beim zweiten Eishockey Playoff Halbfinalspiel der National League zwischen dem HC Davos und den ZSC Lions, am Dienstag, 1. April 2025, in der zond ...
Brendan Lemieux (r.) und Yannick Weber.Bild: keystone

Weil Brendan Lemieux einen Restausschluss kassiert hat, ist sein Fall direkt auf dem Schreibtisch des Einzelrichters gelandet. Und der hat im Sinne des «Zebraschutzes» entschieden: Die Schiedsrichter sind «unberührbar». Also eine harsche Bestrafung. Vier Spielsperren. Das ist vertretbar.

Das Problem: Diese Bestrafung steht in einem krassen, ja geradezu absurden Gegensatz zum meisterschaftsverfälschenden Urteil im Fall Gavin Bayreuther. Lausannes Verteidiger hat einen Linienrichter von hinten mit einem Check in den Rücken umgefahren. Niemand unterstellt dem Amerikaner Absicht. Aber der Zusammenstoss hätte vermieden werden können. Sechs bis acht Spielsperren wären angemessen gewesen.

Gavin Bayreuther (LHC), gauche, lutte pour le puck avec Raphael Diaz (HCFG), droite, lors du 3e match de play-off des demi-finales du championnat suisse de hockey sur glace de National League entre La ...
Gavin Bayreuther (l.) gegen Raphael Diaz.Bild: keystone

Dass er nicht nur straffrei, sondern sogar ohne Verfahren davongekommen ist, hat mit einer Besonderheit unseres Hockey-Rechtssystems zu tun: Anders als Brendan Lemieux kassierte er im Spiel keine Strafe. Solche Fälle beurteilt dann das vor zwei Jahren auf Initiative der Sportchefs geschaffene «Sounding Board». Ein Dreiergremium mit dem Players Safety Officer Ryan Gardner, dem Spielergewerkschaftsvertreter Marc Reichert und einem Vertreter der Schiedsrichter. Zweimal haben die «Narren» Ryan Gardner und Marc Reichert in dieser Sache den Vertreter der Unparteiischen mit 2:1 überstimmt: kein Verfahren, keine Strafe.

Die Hockeywelt kommt zum Schluss: Eine «Buschliga»

Gavin Bayreuther nimmt bei Lausanne eine Schlüsselposition ein. Über dieses groteske Fehlurteil hat nicht nur die ganze Hockey-Welt gelacht. Es ist darüber hinaus meisterschaftsverfälschend: Ob Lausanne die Viertelfinals gegen Langnau ohne Gavin Bayreuther überstanden hätte, ist keineswegs sicher.

Das Publikum und die ganze Hockeywelt sehen diese aberwitzige Differenz zwischen der Bestrafung von Brendan Lemieux und dem Freispruch von Gavin Bayreuther. Und kommen zum Schluss: Eine «Buschliga».

Die Lehren daraus: Die Liga muss zentral geführt werden. Schluss mit diesen Sondergremien wie dem «Sounding Board». Schluss mit inkompetenten Vertretern der Operetten-Spielergewerkschaft in irgendwelchen Gremien, die blind und ohne Verstand die Interessen der Spieler vertreten. Schluss auch mit dem ständigen Nachgeben der Forderungen der Sportchefs. Vorletzte Saison sorgte die auf Druck der Sportchefs eingeführte, weltweit einmalige und hanebüchene Regelauslegung bei Torhüter-Behinderungen für Meisterschaftsverfälschung und Chaos.

Diese Korrekturen sind unabdingbar

Die Korrekturen, die nach der Saison unabdingbar sind: Auflösung des Narren-Gremiums «Sounding-Board». Vorfälle gegen Unparteiische, die auf dem Eis übersehen und nicht sanktioniert worden sind, werden wieder – wie vor der Schaffung des «Sounding Board» – von den Schiedsrichtern oder vom Liga-Manager direkt an den Einzelrichter zu melden.

Den Sportchefs ist die Kompetenz für Regel- oder Verfahrensänderungen zu entziehen. Sie können künftig der Liga-Führung Vorschläge unterbreiten. Aber keine mehr durchsetzen.

Die Liga ist von oben nach unten und nicht mehr basisdemokratisch zu managen. Die Liga-Führung ist nach dem Vorbild der NHL zu zentralisieren: Der Liga-Manager – aktuell Denis Vaucher – ist mit der Kompetenz eines «Commissioner» nach dem Vorbild von NHL-General Gary Bettman auszustatten.

Daneben ist das bereits gut funktionierende System des Player Safety Officer und des Einzelrichters für die Beurteilung zuständig. Allerdings ist zu prüfen, ob Ryan Gardner für den Job des Player Safety Officer noch tragbar ist.

Die National League ist eine der besten Ligen der Welt. Es darf nicht mehr sein, dass das Image dieser Liga durch eine strukturell bedingte «Buschliga-Justiz» und zu viele Mitsprache- und Einmischungsmöglichkeiten verschiedener Gremien beschädigt wird.

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HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
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58 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Blaugrana
07.04.2025 20:32registriert Januar 2017
Ich bin 100% einverstanden mit den Aussagen und den Forderungen im Artikel. Die Liga hat heute ein Officiating-Problem. Dazu gehören inkonsistente Schiri-Leistungen und die von Zaugg so akkurat beschriebene "Buschliga-Administration".
Es ist ein Jammer mitzuerleben wie ein wunderbarer, spannender, auf hochstehendem Niveau gespielter Sport durch eine Gruppe von inkompetenten Selbstdarstellern in seiner weiteren Entwicklung behindert wird.
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Rumpelstilz
07.04.2025 21:29registriert Mai 2014
Was ich mich immer noch frage: Weshalb zum Teufel hat der von Bayreuther umgenietete Linesman keine Meldung bei den Headschiedsrichtern gemacht? Sonst wird ja da auch oft minutenlang wegen irgendeinem Mist diskutiert. Und nach so einem massiven Zusammenstoss einfach nix? Chummenümdruus....
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flausch
07.04.2025 21:23registriert Februar 2017
"Niemand unterstellt dem Amerikaner Absicht."
Naja. Ich schon. Und viele andere wohl auch.
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58
    Weiter, immer weiter!
    Gross ist die Lust bei Spielern und Trainern auf die in der Nacht auf den morgigen Sonntag beginnende Klub-WM scheinbar nicht. Dies zeigen unter anderem Aussagen von Manuel Akanji. Aufhalten können – oder wollen – sie die aktuelle Entwicklung aber trotzdem nicht.

    Als Mitte Mai die Saison in den nationalen Ligen endete, wirkten die Spieler und Trainer bereit für Ferien. Auch viele Fans dürften sich nach dieser langen Saison auf eine Pause gefreut haben. Mancherorts wurde gejubelt und gefeiert, andernorts geweint und getrauert. Man muss Erfolge Revue passieren lassen, Misserfolge müssen verarbeitet werden – das braucht Zeit. Doch die gibt es im modernen Fussball nicht mehr. Es geht Schlag auf Schlag. Oder wie Oliver Kahn einst sagte: «Weiter, immer weiter!»

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