Fakten, nur Fakten. Einfach schreiben, was ist, und sonst gar nichts. So wie es Rudolf Augstein, der legendäre Gründer des Nachrichtenmagazins «Spiegel», gelehrt hat.
Die SCL Tigers haben die schwächste Saisonvorbereitung ihrer Geschichte (seit 1946) hinter sich. Sieben Pleiten, ein einziger Sieg gegen das zweitklassige Langenthal und in den letzten drei Spielen kein einziges Tor (0:4 Servette, 0:3 Ajoie, 0:3 Lugano). Trotz insgesamt 26 Minuten Powerplay. Der Tiefpunkt ist am Freitagabend das 0:3 gegen Lugano. Keine Kraft, keine Energie, kein Mut, kein Selbstvertrauen und am meisten Emotionen von einem Finnen (Captain, Weltmeister und Olympiasieger Harri Pesonen).
Grund zur Sorge. Ist der neue Trainer Thierry Paterlini bei seinem ersten Job in der höchsten Liga überfordert? Hat er das Team im Griff? Berechtigte Fragen.
Während des Spiels am Freitagabend, der letzten Vorbereitungspartie, sitzt als Beobachter der charismatischste Spieler auf der Tribüne, der je das Leibchen mit dem Tiger-Logo übergestreift hat. Todd Elik (56). Der beste Einzelspieler der Klubgeschichte. Der Kanadier trägt beispielsweise im dramatischen Abstiegskampf im Frühjahr 1999 in acht Spielen sagenhafte 27 Punkte zur Rettung bei. Nie hat ein Einzelspieler im Emmental auf und neben dem Eis mehr Emotionen entfacht. Rockstar und Eisheiliger.
Todd Elik weilt auf Einladung der SCL Tigers im Stadion unter den 2000 Männern, Frauen und Kindern. Zuvor hatte er ein Gespräch mit Simon Laager. Langnaus Geschäftsführer bestätigt: «Ja, das stimmt. Ich hatte vor dem Spiel ein Gespräch mit Todd Elik.»
Welche Schlussfolgerungen zieht nun ein objektiver, sachlicher, jeder Polemik und jeder Gerüchtemacherei abholder Chronist aus einer Zusammenstellung all dieser Fakten? Er stellt die Frage: Kommt es in Langnau zu einem Trainerwechsel? Todd Elik für Thierry Paterlini?
Oder ist das ein bösartiges, ja absurdes Gerücht? «Ja, das ist es», sagt Simon Laager. «Und da Sie nicht bösartig sind, verbreiten Sie kein solches Gerücht.» Da der Chronist tatsächlich nicht bösartig ist und weiss, dass Simon Laager, Sportchef Pascal Müller und der Verwaltungsrat durch alle Böden hindurch den Trainer stützen und einen Trainerwechsel – komme, was wolle – gänzlich, vollständig und absolut ausschliessen, liefert er nun noch die Auflösung dieser Geschichte: Todd Elik weilt in Langnau, weil am Samstagnachmittag im Rahmen der Jubiläums-Feierlichkeiten und des Sommerendfestes die Legenden aus der 75-jährigen Geschichte geehrt werden (die Fans konnten per Internet wählen). Da darf Todd Elik nicht fehlen. Ja, es ist nachgerade die Pflicht, ihn einzuladen.
Also geht es bei dieser Einladung, diesem Matchbesuch und diesem Gespräch mit dem Geschäftsführer nicht um den Trainerjob. Simon Laager sagt: «Wir haben über den Ablauf der Feier gesprochen.» Todd Elik wird im Rahmen dieser Feierlichkeiten nämlich sicherlich auf die Bühne gebeten. Da ist es gut, wenn er weiss, wie es ablaufen wird. Das ist professionell. So muss es in einem modernen Sportunternehmen sein.
Aber wahr ist eben auch: Todd Elik hat es nicht gefallen, was er gegen Lugano gesehen hat. Sein Hockey-Herz blutete. Der Chronist hat sich mit ihm ein wenig über Hockey unterhalten. Wahr ist auch: Obwohl seine Trainererfahrung in Helvetien mit nicht ganz zwei Jahren mit St. Imier in der höchsten Amateurliga gering ist: Wenn er eine Anfrage aus der Schweiz bekommt, würde er zuhören und eine Rückkehr ins Hockeygeschäft schliesst er nicht aus.
Und wahr ist halt auch: Seine Präsenz an der Bande würde ein Erdbeben auslösen. In der Kabine, auf dem Eis, im Ilfis-Tempel, im Dorf, im Gemeinderat, im Gemeindeparlament, im Kirchgemeinderat, in der Schulkommission, in der Gastronomie, im SCL-Verwaltungsrat, bei den SCL-Geldausgebern, bei den SCL-Werbepartnern und, natürlich, bei den Fans. Die SCL Tigers, Langnau, das Emmental und seine Bewohnerinnen und Bewohner kämen nicht mehr zur Ruhe.
Nach der miserabelsten Vorsaison der Geschichte also doch das Undenkbare denken? Nein, nein und nochmals nein. Lassen wir das. Sonst heisst es am Ende noch, der Chronist habe etwas geraucht.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Der Chronist macht sich lange nach dem Spiel – er hat sich noch ein wenig mit Luganos Chris McSorley unterhalten – auf den Heimweg. Vor ihm trotten zwei Fans in der Dunkelheit auf den Parkplatz zu. Fast ein wenig wie Franz Hohlers Schöppeli Munggi und Houderebäseler. Sie unterhalten sich über die besorgniserregende Offensivschwäche. Und zum Saisonauftakt kommen die mächtigen ZSC Lions nach Langnau! Eigentlich eine unlösbare Aufgabe. Da sagt der eine zum anderen: «Aber wes de ufs mau ahäicht, de nämer de der Zätäsze …» (Frei übersetzt: «Aber wenn auf einmal ein Treffer gelingt, dann bodigen wir die ZSC Lions.»)
Ja, wer weiss. Es ist ein unberechenbares Spiel auf einer rutschigen Unterlage.
Aber schön war es halt doch in den alten Zeiten, als der Leitwolf der Tiger kein Olympiasieger und Weltmeister, sondern ein kanadischer Hockey-Rockstar war.
Elik wäre hingegen ein schöner Nachfolger für Lundskog in Bern. Als Trainer von DiDo…