Die ZSC Lions sind ihrer Favoritenrolle auch im zweiten Finalspiel gerecht geworden. Es ist die Stunde der offensiven Titanen. Oder ein weiteres Kapitel in einer der wundersamen ZSC Geschichten dieser Saison: «Wenn teure Stars ihr Geld wert sind.»
Das Trio Denis Hollenstein, Denis Malgin und Sven Andrighetto – sicherlich eines der teuersten in der Geschichte unseres Hockeys – hat die ZSC Lions im Viertelfinal gegen Biel gerettet, durch den Halbfinal gegen Gottéron geholfen und nun den zweiten Final gegen Zug mit zwei Treffern sozusagen im Alleingang entschieden.
Sven Andrighetto bezwingt Leonardo Genoni im Powerplay mit einem Direktschuss zum 1:1. Auf Pass von Maxim Noreau. Der Siegestreffer zum 2:1 gelingt Denis Malgin auf Pass von Denis Hollenstein – es ist sein viertes «Game Winning Goal» in diesen Playoffs. Sag mir, ob Malgin, Hollenstein und Andrighetto wirbeln und ich sage dir, ob die ZSC Lions Meister werden.
Eigentlich wäre gestern nur ein Mann dazu in der Lage gewesen, dieses «Trio Grande» zu stoppen. Ein Mann, der bisher in jedem Playoff-Final, den er bestritten hat, am Ende besser war als die treffsichersten gegnerischen Stürmer. Ein Mann, der noch nie einen Playoff-Final verloren hat. Zugs Torhüter Leonardo Genoni. Aber auch er war machtlos. Zum zweiten Mal hintereinander haben die ZSC Lions den «Mythos Genoni» überwunden und nun führen sie im Final 2:0.
Eishockey ist ein Mannschaftsspiel. Ein Trio allein genügt also nicht. Bei weitem nicht. Mindestens ein Quartett muss es schon sein: Ein Sieg hat viele Väter und der vierte war gestern Jakub Kovar. Erneut. Der tschechische Torhüter der ZSC Lions, der Bruder von Zugs Topskorer Jan Kovar, war auch in dieser zweiten Finalpartie mindestens so gut wie Leonardo Genoni. Oder sogar eine Spur besser. Er wird für die Zuger zum Problem und – wenn es ganz dumm läuft – sogar zum Komplex.
Nun hat Trainer Dan Tangnes ein fast unlösbares Problem. Für das es eine einfache Lösung gibt. Die Zuger haben nämlich beinahe perfekt gespielt. Sie sind nie zu passiv und nie zu übermütig offensiv. Sie dominieren statistisch mit 35:29 Torschüssen. Sie verhalten sich taktisch klug und diszipliniert. Und doch verlieren sie 1:2. Weil der Gegner einfach noch eine Spur besser ist. Das mag zeigen, auf welch hohem Niveau dieser Final gespielt wird.
Das schier unlösbare Problem für Dan Tangnes: Was soll der Trainer tun, wenn die Mannschaft fast perfekt spielt und doch verliert? Wo den Hebel ansetzen? Was verbessern? Was kritisieren, wenn es eigentlich ja gar nichts zu kritisieren gibt?
Auf die Frage, ob er nun vor seiner grössten Herausforderung als Trainer in Zug stehe, sagt Dan Tangnes: «Nein. Wenn wir unsere Aufgabe als riesige Herausforderung sehen, wird es noch schwieriger.» Das bedeutet: nur jetzt kein Drama. Es gibt nämlich eine einfache Lösung: einfach so weiterspielen wie bisher. Keine Umstellungen. Keine taktischen Handgriffe. Nicht zu lange eine Niederlage analysieren, die einfach nicht zu vermeiden war. Dann muss doch nach menschlichem Ermessen der Erfolg zurückkehren.
Der Schlüssel in den Playoffs ist sowieso die Macht des Vergessens. Wer besser dazu in der Lage ist, das letzte Spiel sofort zu vergessen, die Dämonen des Zweifels von der Kabine fernzuhalten, Frustration in Energie umzuwandeln und sich auf die nächste Partie zu konzentrieren, der wird am Ende triumphieren. Die zwei Niederlagen vergessen: Dan Tangnes, der als grösster Psychologe unter den Trainer gilt, steht so gesehen eben doch vor seiner grössten Herausforderung.
Die Zuger haben die unglückliche Drama-Niederlage im ersten Final (2:3) zwar weggesteckt. Sehr schnell zeigte sich im zweiten Spiel: Sie hat keine Spuren hinterlassen. Weder im Selbstvertrauen noch im Spielkonzept. Zug ist erneut eine fast perfekt funktionierende Hockey-Maschine. Und doch reicht es nicht, um die eine Spur wilderen, emotionaleren Zürcher zu besiegen. Die offensiven Titanen der ZSC Lions und Torhüter Jakub Kovar haben zum zweiten Mal hintereinander die Differenz gemacht.
Die ZSC Lions haben drei offensive Titanen mit Schweizer Pass: Denis Malgin, Denis Hollenstein und Sven Andrighetto. Die Zuger haben nur einen Schweizer Stürmer mit gleich viel Talent: Grégory Hofmann.
Hockey ist ein Teamsport. Nun müssen es Zugs etwas weniger talentierte Stürmer richten. Die wahrscheinlichste Fortsetzung: noch vier Heimsiege.
Zug muss mehr und direkter schiessen, teilweise verzichteten die Spieler auf Schüsse und vertändelten dann die Scheibe. Auch wenn es niemand zugibt, da hat sich Kovar bestimmt bei gewissen Spielern im Kopf eingenistet.
Ausserdem muss Zug schauen, dass sie in die gefährliche Zone vor dem Tor gelangen, das gelang bisher zu wenig. Entsprechend hat Zürich nicht viel Mühe um dann nach den Schüssen resolut aufzuräumen.
Es fehlt nicht viel, aber es fehlt eben doch etwas um Zürich schlagen zu können.