Gottéron hat bereits verkündet, den Vertrag mit Raphael Diaz nicht mehr zu verlängern. Aber er wird einen neuen Arbeitgeber finden. Dass er noch keinen hat, geht ein wenig auf das Konto seines Agenten Gaëtan Voisard. Wenn es um innerhelvetische Transfers geht, ist der schlitzohrige Jurassier manchmal ein wenig saumselig. Er verdient halt mit seinen NHL-Kunden (u. a. Nico Hischier) genug. Er sagt zur «Causa Diaz» lediglich, es gebe ein paar Anfragen quer durch die Liga.
Beschränken wir uns auf die interessantesten Anfragen und eine romantische Option. SCB-Untersportchef Patrik Bärtschi war rührig, hat allerlei Hosentelefonate gemacht und sich auch eingehend beim abgesetzten Gottéron-Sportchef und Trainer Christian Dubé erkundigt. Die Auskünfte waren durchwegs positiv. Inzwischen hat er sich mit Raphael Diaz zu einem ersten Gespräch getroffen. Allerdings sagen Gewährsleute, ein Wechsel nach Bern sei wohl trotzdem eher unwahrscheinlich.
Bei den Lakers wäre er natürlich hoch willkommen. Aber sein Freund Janick Steinmann, Sportdirektor bei den Lakers, macht sich wenig bis gar keine Hoffnungen auf einen «Jahrzehnt-Transfer» und sagt, er glaube nicht, dass Raphael Diaz bei den Lakers unterschreiben werde. Das hat einen Grund: Der doppelte WM-Silberheld (2013, 2018) würde, wie Gewährsleute sagen, eigentlich am liebsten … zum EV Zug zurückkehren.
Obacht! Das ist eine interessante Variante. Sie hängt letztlich davon ab, wie viel Sinn für wahre Hockey-Romantik in Zug Manager Patrick Lengwiler und Sportchef Reto Kläy und der neue Trainer Michael Liniger haben. Wobei: Es geht eigentlich um viel mehr als Romantik. Es geht um einen Verteidiger, der zwar im Januar 39 wird. Aber mindestens noch zwei gute Jahre auf höchstem nationalen Niveau vor sich hat.
Also um einen Romantik-Transfer, der auch sportlich sehr wohl Sinn macht. Wer Meister oder wieder Meister werden will, braucht erfahrene Verteidiger. Ray Bourque krönte beispielsweise seine Karriere im Alter von 41 Jahren mit dem Stanley Cup bei den Colorado Avalanche. Scott Stevens war bei seinem letzten Stanley-Cup-Triumph mit New Jersey 39. Chris Chelios ist im Frühjahr 2008 in Detroit im Alter von 45 Jahren der bisher älteste Stanley-Cup-Sieger geworden. Also kann Raphael Diaz im Frühjahr 2026 auch im Alter von 40 Jahren noch einmal Schweizer Meister werden. Mit 40 fängt das Hockey-Leben erst an.
Wie gut ist er noch? Da hilft ein Augenschein oben in Davos. Seine Präsenz mit Gottéron beim Spengler Cup war beeindruckend: Er hat alle vier Partien bestritten und zwischen 15:15 Minuten bis 21:09 Minuten Eiszeit geschultert. Noch immer übernimmt er bei Gottéron in der Meisterschaft am meisten Eiszeit von allen Verteidigern mit Schweizer Pass und hat die zweitbeste Plus/Bilanz der helvetischen Abwehrspieler. Seine Fitness ist formidabel: Seit der Rückkehr aus Nordamerika im Sommer 2016 hat er jede Saison mindestens 43 Spiele bestritten.
Eigentlich ist er Zugs grösster Spieler der Geschichte. Von 1999 bis 2021 hat er den EVZ-Dress mit Ausnahme von vier Jahren in Nordamerika (aber während des Lock-outs kam er nach Zug zurück) getragen und die Mannschaft fünf Jahre lang als Captain bis zum ersten Titel geführt. Ein Leitwolf ohne Fehl und Tadel. Mit Bernhard Shaw können wir mit einem Blick zurück auf seine famose Karriere in Zug sagen: «Die Vergangenheit ist noch nicht einmal vergangen.»
Mag sein, dass dann der Wechsel zu Gottéron im Sommer 2021 ein wenig angesengte Erde zurückgelassen hat – aber bitte: Er ist ein Titan unseres Hockeys. Über 200 NHL-Partien. Mehr als 900 Spiele in unserer höchsten Liga. 134 Länderspiele, davon 56 bei einer WM und zweimal (2013, 2018) im WM-Final und 2021 Meister mit Zug: Raphael Diaz ist wahrlich ein Titan unseres Hockeys.
Und bei Zug kommt noch etwas dazu: Er könnte eine wichtige Stütze für den neuen Trainer Michael Liniger sein und sich auf eine Rolle als künftiger Assistent vorbereiten. Ja, eine allfällige Rückkehr nach Zug müsste dann spätestens beim traditionellen Stierenmarkt gebührend gefeiert werden, der Anfang September passend in der Woche des Starts zur nächsten Saison in Zug über die Bühne gehen wird.
Es müsste dann wohl hoch zu und her gehen wie bei der im Buch der Bücher beschriebenen Heimkehr des verlorenen Sohnes. «Bringt schnell das Gewand mit der Nummer 16 herbei und zieht es ihm an und bringt das gemästete Stierenkalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein!» EVZ-Obmann Hans-Peter Strebel würde sicherlich Speis und Trank spendieren. Ganz im Sinne der Hockey-Romantik.
PS: Hat Zug keinen Sinn für Hockey-Romantik, dann gibt es genug andere Interessenten. Raphael Diaz muss halt Gaëtan Voisard ein wenig Beine machen.