Lausanne war noch nie Meister. Aber der im Frühjahr gefeuerte Sportdirektor Jan Alston hat in den letzten drei Jahren wie ein Meister transferiert und unter anderem Robin Grossmann, Christoph Bertschy, Ronalds Kenins, Luca Boltshauser, Cody Almond, Josh Jooris, Tobias Stephan, Tyler Moy und Joël Vermin verpflichtet. Alles Stars aus der Salär-Businessklasse. Lausanne leistet sich, nach den Montréal Canadiens (NHL), die teuerste Mannschaft in der Geschichte des frankophonen Hockeys.
Kein anderer Klub, nicht einmal Zug, hat in diesem Zeitraum so viel Geld ausgegeben, um die Mannschaft aufzurüsten. Und im letzten Herbst ist auch noch das neue Stadion eröffnet worden und Lausanne war punkto Zuschauer hinter dem SC Bern und den ZSC Lions die Nummer drei der Liga. Eigentlich hat das Management alles vorgekehrt, damit Lausanne als erste welsche Mannschaft seit 1973 (La Chaux-de-Fonds) die nationale Meisterschaft zu erringen vermag. Im Frühjahr 2019 hat es bereits für die ersten Playoff-Halbfinals der Klubgeschichte gereicht.
In den letzten Monaten ist der Glanz allerdings ein wenig verblasst. Soeben hat die dem Klub nahestehende, sehr gut informierte Tageszeitung «24 heures» die Situation des Klubs zum ersten Mal kritisch hinterfragt.
Niemand weiss genau, wer denn nun Besitzer des Klubs ist. Noch immer der Nordamerikaner Ken Stickney, der mit Kloten hoch hinauswollte, die Geduld verlor und am 17. Februar 2016 Lausanne übernommen hat? Oder ist es schon eine Investorengruppe aus Tschechien um Zdenek Bakala, die vom ehemaligen NHL-Star Petr Svoboda vor Ort vertreten wird? Ist der Verkauf vollzogen oder nicht? Es gibt keine Antwort. Gemäss «24 heures» ist der ganze Handel noch nicht über die Bühne gegangen. Aber das Interesse der Kapitalisten aus Tschechien sei nach wie vor da.
Nicht einmal Liga-General Denis Vaucher weiss, wie die Dinge tatsächlich stehen. Er sagt: «Die Lizenzkommission wird im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens anhand des Saisonreportings, welches die Clubs jeweils Mitte Juli einreichen müssen, eine Beurteilung der wirtschaftlichen Situation vornehmen. Zum heutigen Zeitpunkt können wir dazu keine konkrete Stellung beziehen.»
Es ist so, wie es immer ist und zeigt die Ohnmacht der Liga bei den Vorgängen in den einzelnen Klubs. Das Lizenzverfahren mahnt an eine Feuerwehr, die erst mit Löschen beginnen darf, wenn das Gebäude im Vollbrand steht. Sie hat keine Rechtsmittel, um bei den als Kapitalgesellschaften konstituierten Klubs (AG) die Bücher zu öffnen. Sie ist auf die Angaben angewiesen, die die Klubgeneräle zu rapportieren geruhen.
Die zentrale Frage für Lausanne ist: Wer managt eigentlich den Klub? Sportdirektor Jan Alston ist gefeuert worden. Manager Sacha Weibel ist hingegen noch im Amt. Aber hat er noch etwas zu sagen oder ist bereits Petr Svoboda, der Abgesandte der neuen Besitzer (oder der vermuteten neuen Besitzer) der Mann, der in allem das letzte Wort hat? Sacha Weibel sagt: «Er ist in beratender Funktion bei uns. Wir sind daran, die Strukturen zu reorganisieren. Es ist noch zu früh, um darüber Auskunft geben zu können.»
Der Pulverdampf, der durch die Entlassung von Trainer Ville Peltonen aufgestiegen ist – sein Vertrag ist im Dezember um zwei Jahre bis 2022 verlängert worden und kurz vor Saisonende musste er gehen – hat sich offensichtlich noch nicht verzogen. Gegenüber «24 heures» sagt sein Agent Juha Sintonen: «Wenn am Montag per Handschlag eine langfristige Zusammenarbeit bestätigt wird und am Mittwoch eine Entlassung mit sofortiger Wirkung erfolgt, gibt es Fragen. Diese Art des Umgangs mit dem Personal erinnert mich an die Methoden von Bulat Chagaev, damals bei seiner Ankunft in Neuchâtel Xamax. Wenn Sie jemanden in der Schweiz ohne Grund mit sofortiger Wirkung entlassen, hat es rechtliche Konsequenzen.»
Der Finne spricht damit ein Problem an, das ausländische Investoren im Schweizer Sport immer wieder unterschätzen: die Rechtssicherheit und das Arbeitsrecht in unserem Land. Noch kein ausländischer Investor ist in unserem Sport glücklich geworden und kein Klub mit ausländischen Geldgebern. Weil es im kleinen Markt Schweiz unmöglich ist, mit Sportunternehmen gutes Geld zu verdienen.
Lausanne hat die Löhne im April mit Verspätung bezahlt. Immerhin. Und die Agenten melden, dass sich Lausannes Management weiterhin lebhaft für Spieler mit auslaufenden Verträgen interessiert. Aber die Amtsenthebung von Ville Peltonen ist finanziell noch nicht geregelt. Die Informationen, dass in dieser Sache der Rechtsweg (Betreibung) beschritten wird, mag Juha Sintonen weder bestätigen noch dementieren.
Zwar gibt es übereinstimmende Informationen, dass inzwischen Betreibungen von knapp 900'000 Franken gegen den Klub laufen. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht, das Management antwortet auch auf eine schriftliche Anfrage (wohlweislich?) nicht. Und Betreibungen mögen ein Zeichen für eine besondere Zahlungsmoral sein, sagen aber noch nicht aus, ob die mit den Betreibungen erhobenen Forderungen auch tatsächlich durchgesetzt und dem Klub gefährlich werden können.
Süffisant kommt «24 heures» aufgrund der Personalpolitik zum Schluss, die Eishockeywelt sei klein geworden. Der neue Trainer Craig McTavish ist ein ehemaliger Mitspieler von Petr Svoboda in der NHL. Und der langjährige Juniorentrainer Yves Sarault soll durch den ehemaligen NHL-Star Bobby Dollas ersetzt werden. Einem Kumpel von Karel Svoboda. Er ist der Bruder von Petr Svododa.
Einige Indizien sprechen für eine «Götterdämmerung». Aber was sind schon diese Indizien im Schatten der grossen Virus-Krise? Und selbst wenn es denn tatsächlich Schwierigkeiten gibt – zumindest die Lizenzkommission der Liga muss Lausanne nicht fürchten. Es ist schon aus politischen Gründen nicht möglich, Lausanne im Rahmen eines Lizenzierungs-Verfahrens zu «versenken». Schon gar nicht in Zeiten der Virus-Krise.
Und es gibt immer noch die Möglichkeit Geld aus dem 75-Millionen-Kreditpaket des Bundes zu bekommen. Sollte Lausanne solche Kredite bekommen und später nicht zurückzahlen – kein Problem. Die Liga haftet solidarisch. Dann zahlen halt, wenn bewilligte Kredite nicht mehr bedient werden können, Ambri, Langnau, die Lakers, der SCB, die ZSC Lions, Zug, Servette, Davos, Ambri, Gottéron und Lugano gemeinsam Lausannes Schulden bei der Eidgenossenschaft.
Aber die Gerüchte und Unsicherheiten werden Lausanne von nun an begleiten wie das Glockengeläut die Kuhherde. Ein umsichtiger Sportchef (oder eine umsichtige Sportchefin) ist kein Schelm (oder Schelmin) wenn er/sie sich Gedanken macht, wie beim Verwaltungsrat eine Budgeterhöhung durchzubringen ist, wenn einer der Stars in Lausanne auf einmal den Wunsch verspüren sollte, trotz laufendem Vertrag eine neue Herausforderung in der Deutschschweiz zu suchen.
Oder, wie die Welschen zu sagen pflegen: affaire à suivre.
Sie werden sich womöglich noch wundern bei GC.